
Schleswig-Holstein Größter Batteriespeicher Deutschlands bei Schleswig in Betrieb
Ein neuer Batteriespeicher in Bollingstedt gleicht die schwankende Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom aus. Jetzt ist er am Netz.
Vorsicht Hochspannung! Östlich der A7 zwischen Schleswig und Tarp (Kreis Schleswig-Flenburg), wo Solarmodule kilometerweit entlang der Autobahn stehen, ragen jetzt auch Container in die Höhe, die Energie speichern können. Knapp ein Jahr nach Baubeginn sind 32 Container mit Lithium-Ionen-Batterien sowie 16 weitere mit Wechselrichtern und Transformatoren gestapelt.
Großspeicher lohnen sich ohne Fördergelder
Große Batteriespeicher erleben seit einigen Monaten einen Boom. Die Komponenten, vor allem aus China, sind günstig geworden. Gleichzeitig schwankt parallel zum Auf und Ab von Wind- und Sonnenenergie täglich der Börsenstrompreis. An sonnigen Tagen wird die Kilowattstunde in den Mittagsstunden oft kostenlos angeboten, während abends mehr als 15 Cent fällig sind. Das macht die Speicherung attraktiv. Das Unternehmen Eco-Stor hat für das Projekt nach eigenen Angaben keine Zuschüsse erhalten.
Zweimal täglich auf- und entladen
Eco-Stor erwartet, dass der Speicher zweimal täglich gefüllt und wieder entladen wird. Teuer ist Strom fast immer in den frühen Abendstunden, meistens auch morgens zur Dämmerung. Die Anlage kann darüber hinaus Schwankungen im Sekundenbereich im Stromnetz ausgleichen und das System damit stabil halten. Diese so genannte Regelenergie wird meist noch besser vergütet. Die Anlage in Bollingstedt hat mit 239 Megawattstunden (MWh) fast genauso viel Kapazität wie alle bisher installierten Heimspeicher in Schleswig-Holstein zusammen. Sie könnte rund 30.000 Haushalte einen Tag mit Strom versorgen. Bezogen auf ganz Deutschland entspricht das allerdings nur dem Gesamtbedarf von 16 Sekunden.
Boom der Speicherprojekte
Sämtliche Batteriespeicher könnten derzeit Deutschland rechnerisch 20 Minuten lang mit Strom versorgen. Nach den Zahlen des Fraunhofer-Instituts verdoppelte sich die Kapazität zuletzt fast jährlich. Den größten Anteil machen bisher Akkus in Privathäusern aus, doch die Großprojekte kommen in Fahrt. Ziel des Netzentwicklungsplans für 2045 ist eine Kapazität, die dem heutigen Strombedarf von etwa vier bis sieben Stunden entspricht. Zuletzt überhäuften interessierte Unternehmen die Netzbetreiber mit Anfragen zum Anschluss neuer Batteriespeicher. Die Branche geht allerdings davon aus, dass zunächst nur ein kleiner Teil realisiert wird. Der größte Batteriespeicher der EU soll nach Angaben des Unternehmens Preussen Elektra am Standort des ehemaligen Atomkraftwerk in Brokdorf (Kreis Steinburg) entstehen.
Wasserstoff für den Winter
Experten sind sich dabei einig, dass die Batteriespeicher auch langfristig nur die Schwankungen von Wind und Sonne über wenige Tage ausgleichen können. Für vollständige Versorgungssicherheit im Winter in einem klimaneutralen System nennt das Bundeswirtschaftsministerium einen Speicherbedarf von 70 bis 100 Terawattstunden, der damit etwa das 300-Fache aller geplanten Batteriespeicher ausmacht. Übergangsweise will Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) Gaskraftwerke fördern, die bei Bedarf einspringen können. Langfristig soll unter anderem klimaneutral produzierter Wasserstoff als Reserve bereit stehen.
Gewerbesteuer bleibt in Bollingstedt
Das Unternehmen Eco-Stor hat nach eigenen Angaben etwa ein Fünftel Marktanteil in Deutschland. Das Geld stammt von einem norwegischen Energieversorger sowie aus europäischen Investmentfonds für Großanleger. In weniger als zehn Jahren habe sich das Projekt in Bollingstedt bereits rentiert, erwartet Geschäftsführer Georg Gallmetzer. Die Gemeinde Bollingstedt erwartet 90 Prozent der Gewerbesteuereinnahmen. Dies war anfangs noch nicht abzusehen. Erst Ende 2024 beschloss die Ampel-Regierung kurz vor ihrem Aus die Regelung, durch die alle Standortgemeinden von Stromspeichern profitieren.
Großspeicher im benachbarten Schuby wird 2026 fertig
Wie sich der Ausbau der Batteriespeicher entwickelt, hängt auch von den künftigen Rahmenbedingungen ab. Dabei geht es um einmalige und laufende Kosten für den Netzanschluss, die laut Eco-Stor mit der Bundesregierung gerade verhandelt werden. Und auch die so genannte Privilegierung spielt eine Rolle, die Bauanträge vereinfacht und in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt wird. Das Unternehmen Eco-Stor baut bereits an einem weitgehend baugleichen Batteriespeicher im benachbarten Schuby (Kreis Schleswig-Flensburg). Dieser Standort soll im April 2026 den Betrieb aufnehmen. Dort ist sogar der Bau zwei großer Rechenzentren im Gespräch. Größte deutsche Batterie-Stromspeicher werden beide Standorte dann aber nicht mehr sein, da kontinuierlich immer größere Speicher ans Netz gehen.
Kapazität (MWh): so viel Energie kann sie speichern. Der typische Wert ist laut SH-Netz AG meist etwa doppelt so hoch wie die Leistung. Das bedeutet: Ein Speicher könnte zum Beispiel zwei Stunden lang seine volle Leistung oder wahlweise vier Stunden lang seine halbe Leistung abgeben.
Strombedarf in Deutschland: 55 GW im Durchschnitt. Dies ergibt sich aus 458 TWh Jahresverbrauch für 2024 (statistisches Bundesamt).
Ausbaustand Batteriespeicher: 19 GWh Ende 2024 (Schätzung BV Solarwirtschaft), 11.6 GWh Ende 2023 (Fraunhofer ISE).
Prognose für Batteriespeicher: 100 bis 174 GW für 2045 im aktuellen Szenariorahmen des Netzentwicklungsplans. Gerechnet wurde mit doppeltem Wert für die Kapazität (s.o.), so dass sich etwa vier bis sieben Stunden des heutigen Strombedarfs in Deutschland ergeben, die Batteriespeicher abdecken könnten. Der Strombedarf wird voraussichtlich steigen.
Marktstammdatenregister: Das offizielle Verzeichnis der Bundesnetzagentur u.a. für alle Stromerzeuger. Geplante Projekte tauchen allerdings erst auf, wenn sie schon vorangeschritten sind.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 05.06.2025 | 14:00 Uhr