
Niedersachsen Neuer Wehrbeauftragter Otte: Bundeswehr braucht mehr Personal
Der CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte aus Celle ist zum neuen Wehrbeauftragten des Bundestags gewählt worden und soll nun die Interessen der Soldatinnen und Soldaten vertreten. Am Donnerstag wird er vereidigt.
Herr Otte, Sie beschäftigen sich ja schon sehr lange als Bundestagsabgeordneter mit Verteidigungspolitik. Ist das Amt des Wehrbeauftragten eine Art Traumjob für Sie?
Henning Otte: Es ist für mich eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Die Anforderungen an die Truppe werden erhöht und auch die Anforderungen an den Wehrbeauftragten werden größer. Aufgrund meiner Erfahrung im Verteidigungsausschuss und auch in meinem Wahlkreis in der Lüneburger Heide mit starken Bundeswehrstandorten, sehe ich viele Soldatinnen und Soldaten und deren Familien regelmäßig beim Einkaufen oder auf Veranstaltungen. Deswegen freue ich mich jetzt über Truppenbesuche das Ohr noch näher an der Truppe haben zu können.
Wie waren denn die ersten Reaktionen aus dem Wahlkreis, als man erfahren hat, Sie würden Wehrbeauftragter werden?
Otte: Es ist im Gesetz über den Wehrbeauftragten geregelt, dass der Wehrbeauftragte kein weiteres Amt führen darf und das heißt, er darf auch kein Bundestags-Mandat haben. Ich muss also mein Mandat jetzt niederlegen und ein anderer CDU-Kollege zieht nach. Deshalb war ich gespannt auf die Resonanz im Wahlkreis. Aber ich stelle fest, die Resonanz ist positiv. Die meisten finden es gut, dass ich mich weiterhin für die Bundeswehr einsetze, gerade in diesen schwierigen Zeiten. Denn die Soldaten stehen unter erhöhten Anforderungen und brauchen deswegen jemanden, der Truppe, Standorte und Umfeld auch kennt.
Was erwarten die Menschen von Ihnen?
Otte: Mein erster Eindruck ist, dass wir nicht immer mehr auf die Schultern der Soldatinnen und Soldaten packen sollten, also immer mehr Aufträge durch die Politik annehmen dürfen. Stattdessen müssen wir die Truppe breiter aufstellen. Dafür brauchen wir mehr Personal. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat eine Ziellinie von 250.000 Soldatinnen und Soldaten festgelegt. Mit aktuell 182.000 sind wir davon aber noch weit entfernt.
Wird das auch die größte Baustelle der Bundeswehr sein?
Otte: Ich denke ja. Neben Infrastruktur und Fähigkeiten geht es darum, den Personalkörper aufzubauen. Die Personalgewinnung muss im Mittelpunkt stehen, das ist die Aufgabe der Bundesregierung und des Bundesverteidigungsministeriums. Außerdem müssen wir uns gut um das vorhandene Personal kümmern.
Reicht da ein freiwilliger Wehrdienst?
Otte: Die Koalition hat sich darauf festgelegt, die Freiwilligkeit in den Vordergrund zu stellen. Ich plädiere dafür, dass wir uns die jetzige Regelung im Koalitionsausschuss auf Wiedervorlage legen. Also vielleicht zum Jahresende eine Zwischenbilanz ziehen, um uns zu vergewissern, ob das jetzige Konzept der Freiwilligkeit tatsächlich ausreicht.
Würde es der Akzeptanz des Wehrdienstes nicht schaden, wenn der Wehrdienst wieder verpflichtend werden würde?
Otte: Ich denke, eher das Gegenteil ist der Fall, weil man sich persönlich intensiver damit auseinandersetzt. Ich selbst habe Kinder im wehrpflichtigen Alter und auch ich hatte mich damals in meiner Jugend entschieden, mich für zwei Jahre bei der Bundeswehr zu verpflichten. Die intensivere Beschäftigung schafft mehr Verbundenheit mit der Bundeswehr, was insgesamt die Gesamtverteidigung stärkt.
Wo sehen Sie die Bedeutung Niedersachsens?
Otte: In Niedersachsen gibt es bedeutende Standorte. Außerdem gibt es Rüstungsunternehmen, Rüstungsindustrie und auch Mittelstand. Hinzukommt, Niedersachsen ist mit seinen Häfen an der Nordsee dafür prädestiniert, als Drehscheibe zu fungieren. Das heißt, über Niedersachsen können alliierte Truppen bei Bedarf schnell die NATO- Ostflanke verstärken. Deswegen ist Niedersachsen zentral für die Zeitenwende.
Wie wichtig sind die Marine Standorte in der Zeitenwende?
Otte: Auch die Marine ist stark gefordert, in der Ostsee aber auch in der Nordsee. Wir brauchen ein klares Bild über mögliche Aktivitäten von Aggressoren. Und ich nenne hier ganz bewusst die russischen Kräfte. Deswegen müssen die Marinestandorte ausgebaut werden. Dafür müssen die notwendigen Investitionen auf den Weg gebracht werden. Und das muss auch hier mit der Stärkung der Personallage einhergehen.
Wenn es mehr Personal geben sollte, braucht man dann nicht auch wieder mehr Kasernen?
Otte: Es ist zu erwarten, dass auch Standorte verstärkt werden oder gegebenenfalls neue Standorte entstehen werden. Es ist auch für die Zufriedenheit der Soldatinnen und Soldaten wichtig, eine gute Infrastruktur zu haben. Hier müssen die Planungs- und Genehmigungsprozesse an einen erhöhten Baubedarf angepasst werden. Kurz gesagt: die Zeitenwende geht jetzt in die zweite Halbzeit und muss funktionieren. Es muss sich jetzt auf allen Ebenen zeigen, dass die Bundesregierung bereit und in der Lage ist, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Bundeswehr kämpfen kann, um nicht kämpfen zu müssen.
Das Interview führte Katharina Seiler, NDR.de.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 04.06.2025 | 08:00 Uhr