
Niedersachsen Energiewende: Wie viel Windkraft vom Meer brauchen wir?
Die Energiewende braucht grünen Strom - viel davon. Auch deshalb wollte die alte Bundesregierung Offshore-Windparks vor der deutschen Küste massiv ausbauen. Doch es mehren sich auch kritische Stimmen: Der Ausbau der Offshore-Windkraft sei ab einem gewissen Punkt zu teuer und ineffizient.
Azurblau zeichnet sich der gewaltige Rumpf der "Bibby Wavemaster Horizon" vor dem bleiernen Himmel im Hafen von Emden ab. Das Schiff wartet und repariert im Auftrag des Energieversorgers EnBW Windräder in der Nordsee - rund 100 Kilometer vom Festland entfernt. Um Zeit und Kosten zu sparen, fahren die bis zu 40 Techniker des Konzerns einmal raus und bleiben dann für zwei Wochen mit dem Schiff im Windpark. Damit ist die "Bibby Wavemaster Horizon" nicht nur Transportmittel und Ersatzteillager, sondern auch Büro und Hotel. Das Wartungsschiff hilft dem Konzern, die Betriebskosten des Windparks zu senken - ein kleiner Beitrag zur Effizienzsteigerung.
Aber wie kann die Energiewende insgesamt günstiger werden? Diese Frage stellt jetzt die neue Bundesregierung. Georg Stamatelopoulos, Vorstandsvorsitzender von EnBW, begrüßt die Diskussion um eine günstigere Energiewende. Zwar sei die Versorgungssicherheit nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine gewährleistet worden, doch die Strompreise - besonders für die Industrie - seien stark gestiegen. Das gefährde die Akzeptanz der Energiewende, so Stamatelopoulos.

Das Schiff "Bibby Wavemaster Horizon" repariert im Auftrag von EnBW Windräder in der Nordsee.
Energiebranche: Ausbauziel bis 2045 anpassen
EnBW beauftragte daher das Beratungsunternehmen Aurora Energy Research mit einer Analyse der Kosten. Die Studie zeigt: Bei Offshore-Windenergie gibt es ein großes Einsparpotenzial. Das aktuelle Ausbauziel der Bundesregierung für Offshore-Windenergie liegt bis zum Jahr 2030 bei 30 Gigawatt Leistung. Bis zum Jahr 2045 soll es mehr als das Doppelte sein: 70 Gigawatt Offshore-Leistung. Würde das Ziel bis 2045 auf 55 Gigawatt Leistung reduziert werden, könnten laut Aurora-Studie rund 80 Milliarden Euro eingespart werden. Das liege vor allem an exponentiell wachsenden Kosten für den Netzausbau ab 55 Gigawatt Leistung.
Leistungsverlust durch "Abschattung"
Für die Energiebranche kommt ein weiteres Problem dazu: Wenn Wind durch mehrere Windparks strömt, verliert er an Kraft. Experten nennen das "Abschattung". In der Nordsee weht der Wind meist aus Richtung Niederlande, wo ebenfalls große Windparks stehen, sagt Jörg Kubitza. Er ist Deutschland-Chef von Ørsted, dem dänischen Weltmarktführer im Bereich Offshore-Windenergie. Die Anlagen vor der deutschen Küste liefern durch die Verschattung weniger Strom als geplant - mit finanziellen Verlusten für die Betreiber, erklärt Kubitza. Deswegen sei es besser, die Windparks großräumiger zu verteilen und im deutschen Seegebiet weniger Anlagen zu installieren.
Uneinigkeit über alternative grüne Stromquelle
Weniger Offshore-Wind bedeutet: Es braucht Alternativen. Wie diese Alternativen aussehen - darüber scheiden sich die Geister. Das von EnBW beauftragte Beratungsunternehmen Aurora schlägt in seiner Studie mehr Gaskraftwerke vor - zunächst mit fossilem Gas, später mit Wasserstoff. Das passt zu EnBw, denn der baden-württembergische Energiekonzern investiert auch in Gaskraftwerke.
Ørsted-Chef Kubitza sieht das anders: "Für uns kommen Gaskraftwerke nicht in Betracht. 70 Gigawatt braucht Deutschland aus Offshore-Wind. Wenn wir es hier nicht effizient bauen können, dann muss es aus den Niederlanden oder Dänemark kommen." Er setzt also auf eine stärkere internationale Zusammenarbeit beim Thema Offshore-Windenergie.
Neue Bundesregierung muss Lösungen finden
Woher soll der Strom für die Energiewende kommen? Und was darf er kosten? Das muss nun die neue Bundesregierung entscheiden. Klar ist: Grüner Strom ist die Grundlage für ein klimaneutrales Deutschland bis zum Jahr 2045. Ob das Ziel 55 oder 70 Gigawatt Offshore-Leistung lautet - der Ausbau muss weitergehen. Aktuell liefern Windparks in Nord- und Ostsee nämlich gerade einmal etwa 9 Gigawatt. EnBW baut derzeit mit "He Dreiht" den größten Offshore-Windpark Deutschlands. Das Wartungsschiff "Bibby Wavemaster Horizon" wird also auch künftig viel zu tun haben.

EnBW betreibt die Windparks "Albatros" und "Hohe See" in der Nordsee - "He Dreiht" ist gerade im Bau.
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NDR Info | Aktuell | 21.05.2025 | 07:07 Uhr