Pastor Martin Kühn und Ursula Soumagne-Nagler

Mecklenburg-Vorpommern Weihnachten hinter Gittern: Für viele Häftlinge belastend

Stand: 05.12.2024 10:20 Uhr

Das "Fest der Liebe" ist aufgeladen mit Emotionen. Was für die einen schön ist, kann andere sehr belasten. Gefängnisseelsorger sagen: Häftlinge in den Justizvollzugsanstalten sind meist froh, wenn der Advent vorbei ist.

Von Katja Bülow

Der evangelische Pastor Martin Kühn ist seit dem Jahr 2007 Seelsorger in der JVA Waldeck. Unzählige Gespräche unter vier Augen hat er seitdem mit Häftlingen geführt - wobei ihm immer klarer wurde, dass die Straftäter, für die er da sein soll, zu einem großen Teil selber auch Opfer sind. Der Mann mit dem grauen Haarschopf, der sonst gerne und gut hörbar lacht, blickt sehr ernst, als er erzählt: "Dieses Klischee 'Die haben alle 'ne schreckliche Kindheit', das stimmt leider wirklich. Nicht jede schreckliche Kindheit führt ins Gefängnis, aber im Gefängnis sitzen ganz viele Menschen, die eine Kindheit hatten, die für mich, der aus einer relativ intakten Familie kommt, einfach unvorstellbar ist." Maßlose Gewalt, Missbrauch, Vernachlässigung … die Geschichten, die er erzählt, sind schwer zu ertragen. "Das ist keine Entschuldigung für das, was die Häftlinge getan haben", stellt Martin Kühn klar. Aber es werde oft vergessen, dass auch sie Hilfe brauchen.

Für viele das erste Weihnachtsgeschenk im Leben

Paketaktion für Häftlinge
  • Wer sich an der Paketaktion für Waldecks Häftlinge beteiligen will, der sollte ein kleines, etwas schuhkartongroßes Paket mit Süßigkeiten, Kaffee, Tabak, einem kleinen Buch oder auch einer anonymen Grußkarte füllen.
  • Nicht zugelassen sind Alkohol und andere Rauschmittel, Spraydosen, Feuerzeuge, Streichhölzer, Kerzen, brennbare Flüssigkeiten und verderbliche Lebensmittel.
  • Angenommen werden die Spenden bis zum 15. Dezember direkt in der Justizvollzugsanstalt, in der Gemeindeverwaltung Dummerstorf und in Kirchengemeinden, beispielsweise der Rostocker Pfarrei Herz Jesu.

In der Weihnachtszeit werde den Häftlingen meist besonders bewusst, wie wenig liebevoll im Gefängnis miteinander umgegangen wird, wie wenig liebevoll sie auch selbst mit anderen Menschen umgegangen sind und wie wenig liebevoll ihr bisheriges Leben oft war. Um ihnen zum Fest zumindest eine kleine Freude zu bereiten, ruft der Pastor seit Jahren dazu auf, Weihnachtspäckchen für Gefangene zu packen. Früher waren diese Spenden nur für diejenigen gedacht, die sonst nichts bekamen. Seit 2014 aber verbietet das neue Strafvollzugsgesetz jegliche Pakete von Angehörigen oder Freunden. Am Vormittag des 24. Dezembers werden die Pakete in Waldeck verteilt - was für viele der rund 300 Häftlinge überraschend kommt, so Martin Kühn. "Manche sagen uns hinterher: 'Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich zu Weihnachten was geschenkt bekommen habe.'"

Nikolaus kommt auch ins Gefängnis

Ähnliche Aktionen wie in Waldeck gibt es auch in den anderen drei Haftanstalten im Land. In Stralsund zum Beispiel stellen die Häftlinge in der Nikolaus-Nacht ihre Schuhe vor die Zelle und finden morgens ein paar Süßigkeiten darin. Die Geschenke, die der dortige katholische Seelsorger Stephan Mark zu Weihnachten überreicht, bekommt er über die bundesdeutsche Straffälligenhilfe "Schwarzes Kreuz".

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 04.12.2024 | 18:10 Uhr