Die beiden Torhüter des HSV, Matheo Raab (l.) und Daniel Heuer Fernandes

Hamburg "Jobsharing" im HSV-Tor - Das spricht für Heuer Fernandes, das für Raab

Stand: 24.10.2024 16:50 Uhr

HSV-Trainer Steffen Baumgart will keine klare Nummer eins mehr auf der Torhüter-Position. Wie die Daten zeigen, hat er in Daniel Heuer Fernandes und Matheo Raab zwei Keeper auf Augenhöhe, von denen einer die Nase leicht vorne hat.

Von Tobias Knaack

Beim HSV ist vieles neu in dieser Saison. Die Effizienz im Angriff beispielsweise. Aus "nur" 120 Torschüssen (ligaweit Platz zehn) haben die Hamburger 22 Treffer erzielt - Ligaspitze. Dass die "Last" des Toreschießens dabei nicht mehr - wie in der vergangenen Spielzeit - auf mehr oder weniger vier Schultern verteilt ist, ist ebenfalls neu. In der Saison 2023/2024 hatten der mittlerweile zu Union Berlin abgewanderte László Benes und Stürmer Robert Glatzel alleine 35 der 64 Hamburger Treffer erzielt.

Auch in dieser Spielzeit steht Glatzel mit bislang sieben Toren zwar wieder ganz oben im Ranking, der Unterschied: In Ransford-Yeboah Königsdörffer mit fünf, Davie Selke mit vier und Jean-Luc Dompé mit drei Treffern haben gleich drei weitere Spieler regelmäßig getroffen. Es gibt offenbar ein Mehr an Arbeitsteilung. Und die werden sie - in Glatzels verletzungsbedingter Abwesenheit - auch weiter an den Tag legen müssen, will der HSV weiter die beste Offensive der Liga stellen und in der Tabelle oben dran bleiben.

Arbeitsteilung im HSV-Tor zwischen Heuer Fernandes und Raab

Das Thema "Jobsharing" hatte zu Beginn der Saison auch am anderen Ende des Feldes, im Tor, verletzungsbedingt Hochkonjunktur - und Trainer Baumgart scheint aus der ehemaligen Not eine Tugend machen und künftig auf ein flexibles Modell setzen zu wollen. Das sagte er nach dem 3:1-Erfolg über den 1. FC Magdeburg.

Eine klare Nummer eins "gibt es nicht mehr". Sowohl Heuer Fernandes als auch Raab sollen ihre Einsätze bekommen. Heuer Fernandes durfte gegen Magdeburg antreten - und überzeugte nach überstandener Verletzung. Genauso wie Raab beim Sieg in Düsseldorf (3:0).

Baumgart will so entscheiden, "wie ich die Form sehe"

"Ich werde mir das immer offenhalten, wie ich die Form sehe", stellte Baumgart klar. Das soll ausdrücklich kein Misstrauensvotum gegen den einen, Heuer Fernandes, sondern Wertschätzung für den anderen, Raab, bedeuten. Denn er habe "zwei erstklassige Torhüter", erklärte der Trainer.

Eine Einschätzung, mit der der 52-Jährige auch anhand der Daten des Global Soccer Networks (GSN) richtig liegt. Demnach sind sowohl Heuer Fernandes mit einem GSN-Index von 66,70 als auch Raab (64,01) "solide Bundesligaspieler". Und: Nach den bisher gezeigten Leistungen sind beide in den Top Ten der 2. Liga.

Was ist der GSN-Index?

Vier-Säulen-Prinzip:

  • 1. "fußballerische Eigenschaften": Technik, Spielübersicht oder der erste Kontakt: Einschätzungen über 130 fußballspezifische Eigenschaften von mehr als 300 Scouts weltweit.
  • 2. "fußballerisches Potenzial": Wo werden Spieler besser, wo stagnieren sie oder entwickeln sich zurück? Ein Algorithmus analysiert Daten aus der ersten Säule und vergleicht Spielertypen.
  • 3. "Performance auf dem Spielfeld": Tore, Pässe, Fouls, Schüsse oder auch Abseitspositionen: die Spiel-Basisdaten und weiterführende Analysen wie "Expected goals" oder "Action scores" werden durch einen Algorithmus in einen übergeordneten Kontext gesetzt - zum Beispiel positionsbezogen.
  • 4. "Spielniveau": Jede Mannschaft oder Liga hat einen Zahlenwert, der ihre Stärke bemisst. Oberliga oder Champions League: Umso höher das Spielniveau des Gegners, desto positiver wirkt es sich auf den GSN-Index aus.

Bewertungs-Skala:

  • 85 - 100: Weltklasse
  • 70 - 85: internationale Klasse
  • 60 - 70: Durchschnitt Bundesliga bzw. der Top 5 Ligen
  • 50 - 60: Durchschnitt 2. Bundesliga
  • 40 - 50: Durchschnitt 3. Liga
  • 30 - 40: Durchschnitt Regionalliga

Zwei GSN-Index-Werte:

  • aktueller GSN-Index: zeigt die aktuelle, allumfassende Qualität eines Spielers basierend auf den Daten der vier Säulen und Algorithmus-Berechnungen.
  • möglicher GSN-Index: Künstliche Intelligenz ermittelt anhand der Daten das bestmögliche, zukünftige Leistungsniveau eines Spielers.

Es geht also um Nuancen - und daran gemessen ist Baumgarts Entscheidung, aktuell Heuer Fernandes den Zuschlag zu geben, den GSN-Analysten zufolge nachvollziehbar. Besonders auffällig ist das beim Passspiel, wo der 31-Jährige sich von seinem sechs Jahre jüngeren Konkurrenten abhebt. 90 Prozent der Pässe des Deutsch-Portugiesen kommen an, bei Raab sind es 67 Prozent. Das hat auch damit zu tun, dass Raab der etwas aggressivere der beiden ist und im Schnitt mehr längere Bälle wagt.

Raab ist die bessere "Konterabsicherung"

Raabs Mut, auch im Herauslaufen und in seinem höheren Stellungsspiel, machen ihn zu einer besseren "Konterabsicherung" und Unterstützung für die Abwehrreihe der Hamburger. Für Heuer Fernandes sprechen allerdings laut GSN neben seinen Pass- auch seine Führungsqualitäten.

Zumal der gebürtige Bochumer im Kerngebiet des Torwartspiels, dem Parieren von Schüssen und Vereiteln generischer Chancen, die Nase vorne hat. Bei Schüssen aus der Nahdistanz ist er mit 71 Prozent gehaltenen Bällen schon stark, bei Mitteldistanz- und Langdistanzschüssen war er bei einer hundertprozentigen Abwehrquote bislang unüberwindbar. Ein Ausdruck seiner "hervorragenden Positionsarbeit". Raab hat hier im Vergleich ebenfalls gute, aber leicht schlechtere Werte (nah: 60 Prozent; mittel: 75 Prozent; lang: 86 Prozent).

Baumgart: Raab spielt im DFB-Pokal

Besonders auffällig und damit vielleicht ausschlaggebend für die Momentaufnahme: Heuer Fernandes hat einen xGOT-Wert von +0,14. Dieser Expected-Goals-on-Target-Parameter besagt, sobald er im positiven Bereich ist, dass ein Keeper mehr Tore verhindert, als die Qualität der Schüsse auf sein Tor erwarten lässt. Bei Raab liegt dieser Wert leicht im Minus (-0,09). Und: Mit dem gebürtigen Hessen kassiert der HSV im Schnitt 1,33 Gegentore pro Partie, mit Heuer Fernandes nur 0,83.

Am Sonnabend (13 Uhr, im NDR Livecenter) wird der Deutsch-Portugiese den Vorzug erhalten. Wenn alle Spieler gesund sind, wolle Baumgart dieselbe Startelf wie gegen Magdeburg aufbieten und nur Lucas Perrin den gesperrten Sebastian Schonlau ersetzen. Und noch etwas verriet der HSV-Coach am Donnerstag: Im DFB-Pokal beim SC Freiburg vier Tage später stehe Raab im Tor. Gut möglich, dass weitere vier Tage später gegen Nürnberg wieder Heuer Fernandes spielt - und sich das Job-Sharing über den Rest der Saison fortsetzt.

Mögliche Aufstellungen:

SV Elversberg: Kristof - Baum, Pinckert, Rohr, Neubauer - Fellhauer, Sickinger - Petkov, Damar - Schnellbacher, Asllani
Hamburger SV: Heuer Fernandes - Perrin, Elfadli, Muheim - Meffert - Katterbach, Reis, Karabec, Dompé - Selke, Königsdörffer

Dieses Thema im Programm:
Sportclub | 27.10.2024 | 22:50 Uhr