Symbolbild:Eine rote Aktenmappe liegt auf einem Tisch in einem Verhandlungssaal im Kriminalgericht Moabit.(Quelle:picture alliance/dpa/M.Skolimowska)

Berlin Angeklagter bittet um Vergebung nach Attacke auf jüdischen Studenten in Berlin

Stand: 08.04.2025 18:04 Uhr

Ein jüdischer Student der FU Berlin wurde vor einem Jahr auf offener Straße tätlich angegriffen und verletzt. Die Tat wurde als antisemitisch eingestuft. Nun läuft der Prozess gegen einen 24-Jährigen - dieser bat gleich zu Beginn um Vergebung.

Im Prozess um die Attacke auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira hat ein angeklagter Ex-Kommilitone den Angriff gestanden und um Vergebung gebeten. Ein antisemitisches Motiv für die Tat stritt der 24-Jährige jedoch ab. "Es tut mir sehr leid", sagte er zum Prozessauftakt am Dienstag vor dem Amtsgericht Tiergarten. Der Vorfall belaste ihn.
 
Der Mann bot an, dem Opfer ein Schmerzensgeld von zunächst 5.500 Euro zu zahlen. Später wolle er weitere monatliche Zahlungen leisten.

Angeklagter habe Anti-Gewalt-Training absolviert

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, den damals 30 Jahre alten Studenten am 2. Februar 2024 auf offener Straße in Berlin-Mitte attackiert und schwer verletzt zu haben. Das Opfer ist Bruder des bekannten Künstlers und Satirikers Shahak Shapira.
 
Laut Anklage sei Shapiras Engagement im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt ausschlaggebend für die als antisemitisch eingestufte Tat gewesen, teilte eine Gerichtssprecherin mit. Der kampfsporterfahrene Angeklagte muss sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten.
 
Er habe nach dem Vorfall ein Anti-Gewalt-Training absolviert, zudem befinde er sich in therapeutischer Behandlung, erklärte der Angeklagte.

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Antisemitismusbeauftragter begleitet Prozess

Zum ersten Verhandlungstag in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten war auch der Bundesbeauftragte für jüdisches Leben in Deutschland und Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, anwesend. Klein sagte am Montag, das Verfahren zeige deutlich, "wie gefährlich Antisemitismus ist und wie wichtig seine konsequente Verfolgung und Ahndung durch die Justiz ist".
 
Antisemitismus breche sich gerade nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gaza-Streifen "auch in Deutschland ungehemmt Bahn" und werde zunehmend normalisiert.

Klein betonte, eine wachsende Zahl von Menschen halte es "auf fatale Weise für legitim, den hier lebenden Jüdinnen und Juden Verantwortung für die Gewalt im Nahen Osten zuzusprechen". Das entspreche einem gängigen antisemitischen Muster. Es sei wichtig, dass bei Ermittlungen Judenhass als Motiv auch zielgenau von den Strafverfolgungsbehörden erkannt wird.

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Angeklagter soll Opfer aus Bar gefolgt sein

Der mutmaßliche Täter soll seinem Opfer an dem Februar-Abend 2024 aus einer Bar gefolgt sein, um ihn zur Rede zu stellen. Dabei sei es um eine vorherige Auseinandersetzung an der FU Berlin gegangen, die auch im Zusammenhang mit dem terroristischen Hamas-Angriff auf Israel stand.
 
Unvermittelt soll der Mann dann seinem Opfer mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben, wodurch der das Gleichgewicht verlor, wie die Staatsanwaltschaft bei der Anklage im vorigen Herbst mitteilte. Als sich das Opfer wiederaufrichten wollte, soll der damals 23 Jahre alte Angeklagte ihm ins Gesicht getreten haben. Shapira erlitt multiple Gesichtsfrakturen und eine Hirnblutung und lag vier Tage im Krankenhaus.
 
Der Prozess wird am Donnerstag, 17. April fortgesetzt. Unter anderem soll dann ein Polizist zu einem Video befragt werden, das auf dem Handy des 24-Jährigen sichergestellt wurde. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft belegt es das antisemitische Motiv der Tat. Auch das Urteil könnte dann gesprochen werden.

Shapira verklagt auch die FU

Lahav Shapira verklagte im vorigen Sommer auch die FU Berlin beim Verwaltungsgericht. Er beruft sich auf das Berliner Hochschulgesetz, das Diskriminierungen, insbesondere auch wegen antisemitischer Zuschreibungen, verbietet. Die FU habe die antisemitische Stimmung, die zu dem Angriff geführt habe, zu lange toleriert, so sein Vorwurf.
 
Wie eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts dem rbb am Montag bestätigte, soll der mündliche Prozess vor der zwölften Kammer des Gerichts am 15. Juli beginnen.

 
Die FU hatte dem Angeklagten nach dem Angriff Hausverbot erteilt. Shapira war in der Folge auch bei einem Treffen von Opfern politischer Gewalt bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eingeladen.

Sendung: rbb24, 08.04.2025, 13:00 Uhr