
Berlin Konzertkritik: Balbina in der Philharmonie
Außergewöhnliches Auftreten und eine besondere Stimme haben Balbina zu einer festen Größe in der Berliner Musikszene gemacht. Am Mittwoch hat sie die neuen Songs ihres kommenden Albums vorgestellt. Jakob Bauer war angetan - mit Abstrichen.
Ein riesiges rotes Kleid kommt da auf die Bühne der Berliner Philharmonie. Obwohl, stimmt nicht so ganz: Ein bisschen Mensch ist da schon noch zu sehen. Zwei Arme und ein Kopf ragen aus dem überdimensionierten Stoff heraus - sie gehören Balbina.
Die Berlinerin liebt die großen Gesten, den großen Auftritt, das große, rote Kleid inklusive gigantischer Schleife. Und sie ist natürlich auch nicht allein auf der Bühne, sondern hat ihre vierköpfige Band und gleich noch ein ganzes Orchester dabei - das Filmorchester Babelsberg, das ihrer Musik die gebotene Dramatik liefert.

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Kunstlieder mit Flow
Balbinas Musik kommt schon immer sehr eigen daher. Sie liebt Hip-Hop genauso wie Oper und hat eine ganz besondere Art zu texten, Worte auf und zwischen Rhythmen zu legen, Flow zu entwickeln, könnte man sagen. Aber genauso schwingt sie sich zu verschlungenen Melodie-Linien auf, soulig und mit ausgeprägtem Vibrato in der Stimme. Kunstlied, Popsong, Sprechgesang - alles ist irgendwie drin in der Musik von Balbina. Und alles ist durchtränkt von Emotionen.
Und obwohl das ganze Auftreten dadurch etwas Theatralisches hat, nimmt man Balbina alles ab. Wenn sie mit ausladenden, aber grazilen Bewegungen ihre Arme schwingen lässt, die Töne zuckend mittanzt und auch mal in die Sterbender-Schwan-Pose geht, dann wirkt das zwar dramatisch, aber nicht überdreht. Zumal die neue Musik vom im Mai erscheinenden Album Infinity Tunes, die Balbina an diesem Abend auch vorstellt, ein bisschen reduzierter daherkommt.

Die Songs sind leiser - und persönlicher
Sie erzählt, es habe vor allem persönliche Gründe, dass es fünf Jahre gedauert hat seit dem letzten Album. Sie beschreibt das neue Album und auch diesen Abend sogar als ein kleines "Comeback", und: Sie sei leiser geworden. Und so sind auch einige der neuen Songs leiser – und persönlich. Zum Beispiel "Vatertag" über ihren verstorbenen Vater, der nie für sie da war. Da singt sie: "Der Tag an dem mein Vater starb, war der Tag, an dem es plötzlich einen Vater gab. Vatertag. Und ich versuch zu weinen. Aber es tut nicht weh genug".
Balbina schafft es, aus Persönlichem grundsätzliche Gedanken zu Beziehungen zu entwickeln und damit Anknüpfungspunkte für alle zu schaffen. Nur: Leider versteht man sie manchmal einfach akustisch nicht. Sobald Orchester, Band und Balbina gleichzeitig zusammenspielen, verschwimmt die Sprachverständlichkeit, und die vielschichtig angelegte Dynamik der Musik geht ein wenig verloren. Das Anschwellen von Klängen, Zartheit und Explosionen, das Zusammenwirken der unterschiedlichen Klangfarben, das alles kommt nicht ganz so gut rüber.

Unscharfer Gesamtsound
Daher funktionieren die ruhigeren Stücke, die weniger auf cineastische Flächen setzen, auch besser. Zumal das Orchester zwar unterstützende Klangteppiche schafft und Gesangsmotive aufnimmt, aber wenig eigenen Charakter entwickelt. Aber das mag eben auch am unscharfen Gesamtsound liegen.
Trotzdem kommen an diesem Abend keine Zweifel daran auf, dass Balbina eine großartige Sängerin ist, dass ihre Sprache und ihr Zugang zur Musik faszinierend sind - und dass sie mit ihrer ausladenden Dramatik und Präsenz genau auf so eine große Konzertbühne wie die der Philharmonie passt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 10.04.2025, 7:55 Uhr