Archivbild: Konzert von CocoRosie am 2. August 2024 in Prag. (Quelle: Picture Alliance/CTK Photo/Vit Simanek)

Berlin Konzert von CocoRosie in Berlin: (Ganz) schön anstrengend

Stand: 03.06.2025 10:44 Uhr

Zwei Schwestern in skurrilen Kostümen. Verfremdete Kinderstimmen. Samples, Beats und Streicher: CocoRosie-Konzerte sind auch rund 20 Jahre nach der Bandgründung noch ein Ereignis. Von Hendrik Schröder  

Popmusik lebt ja immer auch von Geschichten. Und CocoRosie werden durch die ihre noch mal extra spannend. Also vorweg, für alle, die die Story von CocoRosie noch nicht kennen: Zwei Schwestern, die in den USA als Töchter einer Künstlerin und eines Wanderpredigers aufwachsen. Sich später zehn Jahre lang aus den Augen verlieren, dann wieder sehen und seitdem gemeinsam und unzertrennlich Platten, Touren und andere Kunst machen.
 
Als die beiden kurz nach Jahrtausendwende mit diesem Background, mit ihrem gesampelten Sound und den Kinderstimmen und den irren Kostümen rauskamen, wirkten sie wie von einem anderen Stern. Mittlerweile hat man sich an die extravaganten Erscheinungen ein bisschen gewöhnt und ihre Platten (insgesamt acht sind es mittlerweile) wurden zwischendurch auch dance-lastiger und uninspirierter, aber live an diesem Abend im Berliner Silent Green sind sie immer noch eine angenehme Herausforderung.

Masha Grella am 27.05.2025 im HAU1 in Berlin. (Quelle: rbb/Bruno Dietel)
Eine leise Berliner Pop-Größe
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Drummer hält den Rummelbums zusammen

Zuerst mal kommen vier Streicherinnen und Streicher auf die Bühne, weiß geschminkte Gesichter haben sie, tragen Abendgarderobe. Vampirhaft sehen sie damit aus, wie aus der Gruft geklettert. Dann kommt ein Typ mit Baseballkappe, der sich hinter ein Arsenal von Kisten und Kästchen stellt, die allesamt schräge Sounds machen. Und zum Schluß ein Schlagzeuger, der stoisch und bescheiden in der Ecke im Halbdunkel den ganzen Rummelbums nach vorne treibt und zusammenhält.
 
So ist die Bühne bereitet für Sierra und Bianca Casady alias CocoRosie, die sodann unter großem Jubel und in gewohnt schrägen Outfits auf die Bühne kommen.

Schwarzes Klebeband über nackten Brüsten

Bianca trägt ein rotes Spitzenoberteil und dazu eine Art Tutu, das aussieht wie eine aufgeplatzte Banane in bunt. Sierra hat sich für eine weiße Smokingjacke, eine Kapitänsmütze und eine riesige weiße Sonnenbrille entschieden, über ihren sonst nackten Brüsten nichts als ein Streifen schwarzes Klebeband.
 
Das Outfit ist wichtig bei CocoRosie, denn das ist kein normales Konzert eines normalen Duos, das ist mehr Theater oder Zirkus oder Cabaret. Nie gehen die beiden aus ihren Rollen heraus. Was so faszinierend wie schade zugleich ist. Denn einerseits hat man das Gefühl, einer echten Aufführung beizuwohnen, andererseits bekommt man die beiden auch nicht zu greifen, kann sich schwer damit connecten, ist eher davor als mittendrin.

Archivbild: Macy Gray am 7. November 2023 in Paris. (Quelle: Picture Allaince/Christophe Meng)
Halbes Publikum, volle Stimmung 
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Performance statt Nahbarkeit

Puppenhaft wanken sie mal über die Bühne. Oder wie Roboter. Verfremden ihre Stimmen mit kleinen Effektkästen, die an ihre Mikroständer geschraubt sind. Oder loopen die Stimmen, so dass man hier und da denkt: Ist das überhaupt live?
 
Aber das ist gar nicht die Frage, denn es geht bei CocoRosie nicht um Authentizität, um Nahbarkeit sondern um Performance. Und natürlich um die Musik, die aus kleinen Samples oder dickeren Beats besteht, aus einem gehackten Cello oder einer süßen Geige. Nacheinander oder gleichzeitig.

Kurz wird es innig

Und es geht natürlich um Texte. Texte gegen das Heiraten zum Beispiel ("Wedding bells will ring in hell") oder für die Liebe, die Freundschaft, die Schwesternschaft ("If no one in the world understands, at least I have you"). Letzteres ist recht eindeutig ein Text über die beiden selbst von ihrem neuen Album "Little Death Wishes". Kurz und innig liegen sie sich nach dem Stück in den Armen.
 
Es sind allerdings auch Texte, die das Publikum an diesem Abend selten inbrünstig mitsingt, dafür haben Coco Rosie mit insgesamt acht Alben in rund 20 Jahren auch einfach zu viele Songs veröffentlicht und dafür ist das alles auch zu arty, als dass man da ständig was mitmachen könnte. Und obwohl das Silent Green mit fast 1.000 Leuten, die alle sehr kulturaffin und nicht wenige betont unschick aussehen, ausverkauft ist und alle jubeln und staunend klatschen: CocoRosie sind live eher was für den Kopf als für den Körper. Große Kunst, klug, fordernd, vielschichtig. Und (ganz) schön anstrengend.

Sendung: rbb24 Inforadio, 03.06.2025, 6:55 Uhr