Echo auf Özil-Rücktritt Respekt von Merkel, Watschn von Hoeneß
Nach seinem medienwirksamen Rückzug aus dem Nationalteam ist Mesut Özil mit dem FC Arsenal nach Singapur entschwunden - Deutschland debattiert dennoch weiter. Von Respekt bis beißender Kritik ist alles dabei.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich dafür ausgesprochen, den Rücktritt Özils zu respektieren. Die Kanzlerin schätze ihn als einen "tollen Fußballspieler", der viel für die Nationalmannschaft geleistet habe, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer.
Der Sport erbringe eine große Integrationsleistung in Deutschland, so die Regierungssprecherin. Eine Bewertung des Rückzugs Özils überlasse die Bundesregierung dem Deutschen Fußball-Bund.
Zurückhaltend reagierte Demmer auf die von Özil erhobenen Rassismus-Vorwürfe. "Deutschland ist ein weltoffenes Land", in dem Menschen mit Migrationshintergrund "herzlich willkommen sind", sagte sie.
Widmann-Mauz: Kritik gefallen lassen
Justizministerin Katharina Barley hatte sich hingegen besorgt über den Rücktritt gezeigt. "Es ist ein Alarmzeichen, wenn sich ein großer, deutscher Fußballer wie Mesut Özil in seinem Land wegen Rassismus nicht mehr gewollt und vom DFB nicht repräsentiert fühlt", schrieb die SPD-Politikerin auf Twitter.
Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, will Özil nicht vollständig aus der Verantwortung entlassen. "Bei allem Verständnis für die familiären Wurzeln müssen sich Spieler der Fußballnationalmannschaft Kritik gefallen lassen, wenn Sie sich für Wahlkampfzwecke hergeben", twitterte die CDU-Politikerin. Sie betonte zugleich, dass diese Kritik nicht "in eine pauschale Abwertung" von Spielern mit Migrationshintergrund umschlagen dürfe.
Annette Widmann-Mauz
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles kritisierte Özil, nahm ihn aber zugleich in Schutz. Sein Auftritt mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan sei ein Fehler gewesen. Aber der Grundsatz "Wir gewinnen gemeinsam, wir verlieren gemeinsam" gelte für ihn wohl nicht. "Das Gefühl, ausgegrenzt zu sein, insbesondere wenn es einmal schlecht läuft und schnell nach Sündenböcken gesucht wird, droht auf viele Migranten auf und neben dem Fußballplatz überzugehen", sagte Nahles.
AfD attestiert "gescheiterte Integration"
Die AfD sieht den Özil-Rücktritt als Beleg für Integrationsprobleme. "Mit seiner Abschiedstirade erweist sich Mesut Özil leider als typisches Beispiel für die gescheiterte Integration von viel zu vielen Einwanderern aus dem türkisch-muslimischen Kulturkreis", sagte die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel.
"Seit Jahren Dreck gespielt"
Scharfe Töne kamen von Uli Hoeneß: Der Präsident des FC Bayern kritisierte Özil scharf - für seine angeblich schlechte sportliche Leistung: "Ich bin froh, dass der Spuk vorbei ist. Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er vor der WM 2014 gewonnen. Und jetzt versteckt er sich und seine Mist-Leistung hinter diesem Foto", sagte er in einem Kreis von Reportern. Sportlich habe Özil seit Jahren nichts in der Nationalmannschaft verloren.
Sorge bei Zwanziger und türkischer Gemeinde
Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger sagte, die von Özil auch mit Fremdenfeindlichkeit innerhalb des Verbands begründete Entscheidung sei "für die Integrationsbemühungen in unserem Land über den Fußball hinaus ein schwerer Rückschlag". Zwanziger nannte Özil "ein großes Vorbild für junge Spielerinnen und Spieler mit türkischem Migrationshintergrund, sich auch in die Leistungsstrukturen des deutschen Fußballs einzufinden".
Zwanziger sieht auch Versäumnisse beim DFB. "Durch Fehler in der Kommunikation ist etwas passiert, das bei Migranten nie passieren darf: Sie dürfen sich nie als Deutsche zweiter Klasse fühlen", sagte er.
Auch die türkische Gemeinde in Deutschland nach dem Rücktritt Özils hält die Integration von Migranten für gefährdet. "Vielfalt in der Nationalmannschaft war ein tolles Vorzeigeprojekt, was durch unfähige Führungskräfte nun zu scheitern droht", schrieb ihr Vorsitzende Gökay Sofuoglu auf Twitter. Junge Talente mit Migrationshintergrund seien nun weniger motiviert. Sofuoglu forderte zudem, nach Özil solle die gesamte DFB-Spitze zurücktreten, "damit ein echter Neuanfang für die deutsche Nationalmannschaft denkbar ist".
In den Augen des DJV politisch: Özil und Gündogan beim Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan
DJV-Kritik an Özil
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) wendet sich gegen die Medienschelte Özils. "Wenn Mesut Özil Rassismus in deutschen Zeitungsredaktionen am Werk sieht, soll er Ross und Reiter nennen", forderte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall.
Richtig sei, dass die deutschen Medien kritisch hinterfragt hätten, warum sich Özil mit dem türkischen Präsidenten Erdogan habe ablichten lassen, sagte der DJV-Vorsitzende. "Anders als Özil behauptet, ist ein gemeinsames Foto mit dem für die Abschaffung der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei gefürchteten Autokraten politisch." Wenn einzelne Medien dabei die journalistischen Grundwerte missachtet hätten, sei diese Art der Berichterstattung ein Fall für den Deutschen Presserat.
Özil hatte gestern seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft erklärt. Er prangerte Rassismus-Erfahrungen an und beklagte, DFB-Funktionäre hätten seine türkischen Wurzeln nicht respektiert. Vor der Fußball-WM in Russland war Özil scharf kritisiert worden, weil er und Ilkay Gündogan sich mit Erdogan hatten fotografieren lassen.