SPD-Chef Klingbeil "Brauchen eine andere Kultur in der Regierung"
SPD-Chef Klingbeil hat Fehler der Ampel eingeräumt. Alle müssten sich zusammenreißen. Für die Bauernproteste äußerte er im Bericht aus Berlin Verständnis, ein "Wutwinter" sei aber nicht zu befürchten.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat im Bericht aus Berlin die Arbeit der Ampelkoalition mit Blick auf die zahlreichen Krisen in Deutschland, aber auch weltweit, verteidigt. "Es sind wahnsinnig harte Zeiten. Ich glaube, das merkt jeder jetzt schon mit dem Start in das Jahr 2024. Es sind große Herausforderungen, die politisch da sind, die weltpolitische Lage, das, was national passiert."
Klingbeil räumte ein, dass die teils öffentlich ausgetragenen Streitereien innerhalb der Bundesregierung zur Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger beigetragen hätten. "Dass drei unterschiedliche Parteien auch mal unterschiedliche Antworten haben, das gehört mit dazu, aber da war zu viel Streit. Der Streit war zu lang. Da sind Kompromisse auch zu schnell in Frage gestellt worden. Das hat zur Verunsicherung beigetragen und damit muss Schluss sein."
"Alle sollten sich zusammenreißen"
Als Konsequenz rief er SPD, Grüne und FDP dazu auf, künftig besser zusammenzuarbeiten. "Insofern ist es richtig, jetzt noch mal zu appellieren, auch deutlich zu machen, es muss dieses Jahr eine andere Kultur in der Regierung herrschen. Alle sollten sich da zusammenreißen, die Verantwortung, die wir tragen als Politik insgesamt, dieses Land jetzt durch unruhige Zeiten zu bringen, die sind gewaltig", so der SPD-Chef.
SPD will Dialog mit Kritikern suchen
Zuletzt hatte es scharfe Kritik an der Arbeit der Ampelkoalition gegeben - von Arbeitgebern, Gewerkschaften, Verbänden und seitens der Opposition. Zudem gibt es den breiten Protest der Landwirte gegen die Streichung von Subventionen.
Klingbeil betonte, es sei umso wichtiger, den Dialog mit Kritikerinnen und Kritikern zu suchen. "Ich finde, das ist auch völlig legitim, dass man in einer Demokratie für die eigenen Rechte streitet. Ich war selbst gestern bei den Landwirten. Das war ein fairer, das war ein offener Dialog. Und das muss jetzt geklärt werden, wie die Zukunft der Landwirtschaft hier in Deutschland auch aussehen kann."
"Sehe keine Gefahr eines Wutwinters"
Der SPD-Chef räumte aber auch Versäumnisse ein: "Ich hätte mir gewünscht, dass man dort vorher schon ins Gespräch kommt. Das werden wir jetzt als Fraktion, auch als Partei, tun." Er unterstrich, dass die Mehrheit der Menschen in diesem Land, fest in der Mitte des Landes verankert sei. "Ich sehe da keine Gefahr eines Umsturzes oder eines Wutwinters oder sonst was. Aber dass Landwirte jetzt beispielsweise bei den Kürzungen auf die Straße gehen, ist legitim. Da muss das Gespräch gesucht werden und da werden auch Lösungen gefunden."
Daher werde es am Montag auch Gespräche der drei Fraktionsspitzen mit den landwirtschaftlichen Verbänden geben. Dabei stehe im Mittelpunkt die Frage, wie es gelingen könne, dass es in Deutschland eine starke Landwirtschaft mit Perpektive gebe: "Und ich finde, das muss dann auch mehr sein als die Frage des Agrar-Diesels. Da geht es um die Marktmacht der Discounter. Da geht es beispielsweise auch um die Frage, wie wahnsinnig viel Bürokratie da im Bereich der Landwirtschaft vorhanden ist, wie die abgebaut werden kann."
Warnung vor Spaltung der Gesellschaft
Der SPD-Chef warnte aber auch noch einmal vor einer gesellschaftlichen Spaltung in Deutschland. Umso wichtiger sei es, dass es einen Ruck gebe, "der durch die Mitte des Landes geht. Und alle sagen, wir gucken da nicht weg. Wir engagieren uns, wir bringen uns ein und wir stellen uns schützend vor diejenigen, die angegriffen werden."
In diesem Zusammenhang verwies er auf ein in der vergangenen Woche bekannt gewordenes Geheimtreffen von Rechtsradikalen, an dem auch AfD-Vertreter teilgenommen hatten. "Es hat ja in dieser Woche auch Enthüllungen gegeben über Pläne der AfD, Menschen aus diesem Land rauszuschmeißen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben."
"Schützend vor die Menschen stellen"
Er erwarte, dass in Anbetracht dessen niemand mehr schweige und niemand zugucke, "sondern, dass diejenigen, die gerade ruhig sind, auch laut die Stimme erheben und sagen, wir lassen nicht zu, dass dieses Land so polarisiert und gespaltet wird von einer Gruppe, die viel, viel kleiner ist als die Vernünftigen in diesem Land."
Klingbeil betonte, er habe in den letzten Tagen viele Gespräche geführt mit Menschen, die Migrationsgeschichte haben, die eine andere Hautfarbe, einen anderen Nachnamen haben. "Diese Menschen fühlen sich sehr konkret in diesem Land bedroht. Und das ist unsere Aufgabe, sich schützend vor all diese Menschen zu stellen. Die Rechtsextremen haben sich aufgemacht, dieses Land zu spalten. Und da sind wir alle in der Verantwortung dagegen zu halten", betonte der SPD-Chef.