Scholz stellt sich der SPD-Fraktion Redebedarf drinnen - Stillschweigen draußen
Schlechter Umfragewerte, Meinungsverschiedenheiten, Bauernproteste - Kanzler Scholz hat sich den Fragen der SPD-Bundestagsfraktion über die schwierige Lage der Partei und der Ampel-Regierung gestellt.
In einer dreistündigen Aussprache hat die SPD-Bundestagsfraktion auf ihrer Klausurtagung mit Bundeskanzler Olaf Scholz über die aktuelle Lage beraten. Über die Inhalte hatten die 207 Abgeordneten bereits vorher Stillschweigen vereinbart. SPD-Chefin Saskia Esken sagte anschließend lediglich, die Aussprache sei "sehr solidarisch, sehr angemessen, sehr beseelend" verlaufen.
Kritik aus eigenen Reihen
Zuvor hatte es aus der SPD offene Kritik am Zustand von Partei und Regierung gegeben. Der Bochumer Abgeordnete Axel Schäfer, der seit mehr als 20 Jahren im Bundestag sitzt, schrieb in einem Brandbrief an die Fraktion, über den mehrere Medien berichteten: "Es geht heute um die Existenz der SPD als Mitgliederpartei und als mehrheitsfähige und mehrheitswillige Kraft in unserem Land." Vor einer solchen Situation habe die Partei "noch nie gestanden".
Auch der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer schlug Alarm. "Die Lage der SPD ist derzeit wie die allgemein politische Lage im Land: massiv von Krisen gebeutelt und zutiefst besorgniserregend", sagte er dem "Handelsblatt". "Weder die Ampel noch die SPD als führende Partei werden aktuell mit einer positiven Vision für das Land verbunden."
Die Aussprache mit Scholz dauerte doppelt so lang wie geplant. Der Kanzler selbst äußerte sich anschließend auch nicht inhaltlich, sagte beim Verlassen der Sitzung zu den wartenden Journalisten nur: "Schön, dass ihr da seid."
Scholz und die SPD stecken zwei Jahre nach ihrem Wahlsieg von 2021 und zu Beginn eines Superwahljahrs mit Europawahl und drei Landtagswahlen tief im Umfragekeller fest. Mit der Arbeit des Regierungschefs Scholz sind laut jüngstem ARD-DeutschlandTrend nur noch 19 Prozent zufrieden. Das ist der niedrigste Wert für einen Kanzler oder eine Kanzlerin seit Beginn dieser Erhebungen 1997.
Vor der Aussprache hatte die Fraktion mehrere Positionspapiere beschlossen, darunter eins, in dem eine Reform der Schuldenbremse gefordert wird - ein Schritt, der vom Koalitionspartner FDP abgelehnt wird. "Die derzeit starren Regeln sind ein Wohlstandsrisiko für jetzige und kommende Generationen, indem sie nicht genügend Spielräume für starke Zukunftsinvestitionen ermöglichen", heißt es in dem Beschluss.
Weiteres wichtiges Thema war der Kampf gegen den Rechtsextremismus. Nach dem Potsdamer Treffen rechtsradikaler Kreise mit AfD-Funktionären forderte Fraktionschef Rolf Mützenich alle Demokraten dazu auf, sich diesem "rechten Sumpf" entgegenzustellen. Die Zusammenkunft sei "auf einen Umsturz in Deutschland" ausgerichtet gewesen und bedürfe eine "Antwort der Demokraten und der Anständigen".