Annegret Kramp- Karrenbauer
Interview

Neue Verteidigungsministerin "Kramp-Karrenbauer geht wieder ins Risiko"

Stand: 17.07.2019 19:24 Uhr

Kramp-Karrenbauer steht als Verteidigungsministerin nun noch stärker im Rampenlicht, sagt Politologe Uwe Jun im Interview mit tagesschau.de. Die Kanzlerin habe sie in die Verantwortung genommen.

tagesschau.de: Schadet der Wechsel trotz gegenteiliger Absichtsbekundungen noch vor weniger als zwei Wochen der Glaubwürdigkeit Annegret-Kramp Karrenbauers?

Uwe Jun: Annegret Kramp-Karrenbauer müsste noch genauer erklären, warum sie diesen Schritt ins Bundeskabinett unternimmt. Da fehlt es noch an näheren Erläuterungen. Ich vermute, dass sie in mehreren Gesprächen mit der Bundeskanzlerin zu der Überzeugung gelangt ist, dass es für sie vorteilhaft wäre, wenn sie in einer verantwortungsvollen Position nun eine Aufgabe übernimmt, die sie auch noch stärker ins öffentliche Rampenlicht bringt. Und die ihr außerdem die Möglichkeit gibt, sich in Berlin noch in einem weiteren Amt zu beweisen, das ihr zudem noch mehr exekutive Erfahrung einbringt.

Uwe Jun
Zur Person
Uwe Jun ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen das Parteiensystem in Deutschland und politische Kommunikation.

"Minister müssen keine Fachleute sein"

tagesschau.de: Beschädigt die Diskussion um das Zustandekommen der Entscheidung und die angeblich fehlende verteidigungspolitische Kompetenz der neuen Ministerin das Vertrauen in die Regierungspolitik insgesamt?

Jun: Ich kann verstehen, dass der eine oder andere Verteidigungsexperte in den Parteien enttäuscht ist, dass nun jemand als Verteidigungsministerin berufen worden ist, die in diesem Bereich bisher nicht aufgefallen ist. Aber man muss natürlich eines klar und deutlich sagen: Ein Minister oder eine Ministerin muss nicht ein Fachmann oder eine Fachfrau für das Gebiet sein, sondern es geht darum, politische Führung auszuüben. Das ist das zentrale Kriterium. Und da kann man klar sagen: Politische Führungserfahrung hat Frau Kramp-Karrenbauer in der Vergangenheit an vielen Stellen gesammelt - auch in Regierungsverantwortung als langjährige saarländische Ministerin und Ministerpräsidentin.

"Koalitionsstreit kommt beim Wähler nicht gut an"

tagesschau.de: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang das Verhalten bzw. die Kritik aus den Reihen der SPD?

Jun: Man muss mit einigem Erstaunen zur Kenntnis nehmen, dass die Koalitionäre offenkundig nicht begriffen haben, dass der Wähler das ständige Hick-Hack, die ständigen Kontroversen zwischen den Koalitionspartnern überhaupt nicht gutheißt. Die Regierungsparteien haben 2018 erheblich an Zuspruch verloren, das hat sich in diesem Jahr fortgesetzt. Ein Großteil der Wähler erwartet ein effektives Regieren und nicht eine ständige Auseinandersetzung der Koalitionäre. Es ist offenbar immer noch nicht verstanden worden, dass diese eher auf sich selbst bezogenen Streitereien bei einem Großteil der Wählerinnen und Wähler überhaupt nicht gut ankommen.

Dass allerdings die CDU-Vorsitzende überhaupt ins Bundeskabinett eintritt, ist für mich ein klares Indiz dafür, dass zumindest die CDU die Große Koalition weiter fortsetzen will - auch über einen längeren Zeitraum hinaus. Denn sonst hätte es für diese Entscheidung keinen Grund gegeben.

"Keine anderen Personen großartig beteiligt"

tagesschau.de: Wer war nach Ihrer Ansicht die treibende Kraft bei dieser Entscheidung?

Jun: So wie ich das Verhältnis der Bundeskanzlerin und der CDU-Vorsitzenden einschätze, würde ich fest davon ausgehen, dass beide in einem vertrauensvollen Verhältnis gemeinsam diese Entscheidung getroffen haben. Ich denke auch, beide haben es sich nicht leicht gemacht und diese Entscheidung in den letzten Tagen mehrfach in persönlichen Gesprächen erörtert. Im Endeffekt hat die Regierungschefin im Einklang mit ihrer Parteivorsitzenden eine gemeinsame Kandidatin benannt. Dass da noch andere Gremien oder Personen großartig beteiligt gewesen wären - oder beteiligt werden müssten - glaube ich nicht.

"Schwieriges Amt mit Risiko"

tagesschau.de: Hat Sie die Entscheidung überrascht?

Jun: Ja, ich war überrascht, weil ich gedacht habe, dass Frau Kramp-Karrenbauer besser damit fährt, nur als Parteivorsitzende zu agieren. Sie geht jetzt wieder ein Risiko ein. Das kennt man zwar schon von ihr, dass sie durchaus bereit ist, politische Risiken einzugehen, aber das Verteidigungsministerium ist alles andere als ein einfaches Ministerium. Die Amtsinhaber konnten dort bisher selten glänzen.

tagesschau.de: Warum geht sie dieses Risiko ein?

Jun: Ich denke, sie nimmt dieses Risiko in Kauf, um auf der Berliner Bühne zu zeigen, dass sie Exekutive kann. Sie will zeigen, dass sie die nötige Kompetenz dafür hat, um dann doch in einem möglicherweise zweiten Schritt ein weiteres politisches Amt anzustreben. Zum zweiten denke ich auch, dass die Bundeskanzlerin Frau Kramp-Karrenbauer hier als CDU-Vorsitzende mit in die Verantwortung genommen hat. Das Verteidigungsministerium hat für die CDU eine relativ hohe Bedeutung, zumal sie in der aktuellen Koalition nur relativ wenige wichtige Ministerien führt.

tagesschau.de: Ist das für Kramp-Karrenbauer auch eine Chance sich nach den Querelen der letzten Monate neu zu profilieren?

Jun: Ich glaube nicht, dass das eine entscheidende Rolle gespielt hat. Dennoch gibt es Kramp-Karrenbauer nun die Möglichkeit, sich in einem exekutiven Amt zu beweisen und damit eben über den Parteivorsitz hinaus möglicherweise Ansehen zu gewinnen. Aber sie hat ein schwieriges Amt übernommen, deswegen sehe ich auch ein erhebliches Risiko. Eine erfolgreiche Leitung des Verteidigungsministeriums ist wie gesagt eine Aufgabe, die nur schwer zu bewältigen ist. Wenn ihr diese Aufgabe nicht gut gelingen sollte, dann allerdings könnte die politische Karriere von Frau Kramp-Karrenbauer in Berlin durchaus Schaden nehmen.

Das Interview führte Andrej Reisin, NDR

Das Interview führte Andrej Reisin, NDR

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 17. Juli 2019 um 22:15 Uhr.