Debatte über Wiedereinführung Grüne gegen Wehrpflicht - Högl für "Entkrampfung"
Eine Wehrpflicht wie die bis 2011 steht zwar nicht zur Debatte - aber irgendein Dienst für junge Menschen schon. Während die Grünen dagegen sind, unterstützt die Wehrbeauftragte die umstrittenen Pistorius-Pläne.
Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour hält laut eigenen Worten nichts von einer Wiedereinführung der Wehrpflicht. "Ich glaube nicht, dass die Wehrpflicht gebraucht wird", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Ich würde jetzt nichts ausschließen, weil es nie was bringt. Die Zeiten sind dafür zu fluide", sagte er auf eine entsprechende Nachfrage. "Aber ich sehe das überhaupt nicht."
Die Grünen seien der Meinung, dass die Wehrpflicht zu mehr Kosten führe und die Wehrfähigkeit nicht zwingend steigere.
Die Wehrpflicht war im Juli 2011 nach 55 Jahren von dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden. Das bedeutete in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst, weil auch alle Strukturen für die Musterung und Ausbildung einer größeren Zahl von Soldatinnen und Soldaten abgeschafft wurden.
Högl will "entkrampfte" Debatte
Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, forderte, eine "Entkrampfung" der Debatte über die Modelle für einen allgemeinen Dienst in Bundeswehr und Zivilorganisationen. Notwendig sei eine Diskussion über konkrete Konzepte, sagte die SPD-Politikerin ebenfalls der dpa. Das heiße noch nicht, dass es umgehend eine Wehrpflicht oder ein verpflichtendes Jahr für die Gesellschaft geben werde.
Klar sei: "Die alte Wehrpflicht möchte niemand zurück." Es gehe um ein neues Konzept. Die Bundeswehr brauche mehr Personal. Aktuell gebe es 181.000 Soldatinnen und Soldaten. Das Ziel von 203.000 Soldaten bis zum Jahr 2030 sei nicht zu erreichen, wenn bei der Personalgewinnung alles so bleibe wie aktuell.
Beispiel Schweden
Högl verwies auf das schwedische Beispiel - dort war eine Art Wehrpflicht 2017 wiedereingeführt worden: "Alle bekommen erst mal Post, sie werden angesprochen und aufgefordert, sich zu melden. Dann werden sie gemustert und bekommen ein Angebot." Schweden ziehe nicht einen ganzen Jahrgang ein. Es gebe dort als also nicht wirklich eine Wehrpflicht, "sondern es werden diejenigen genommen, die geeignet sind und die wollen".
Sie sei für mehr Verbindlichkeit als beim Bundesfreiwilligendienst und dafür, sowohl Männer als auch Frauen in den Blick zu nehmen. Ein Dienst müsse dann für die Bundeswehr ebenso wie für Kultur, Soziales und Umwelt geprüft werden. "Und wenn man möglichst viel Freiwilligkeit beibehalten will, dann muss das attraktiv sein", sagte sie. "Die Anreize müssen diskutiert werden. Ein Startkapital, Vorteile bei der Suche für einen Ausbildungs- oder Studienplatz oder Boni für die Altersversorgung."
Kritik auch aus der eigenen Partei
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) lässt wegen der veränderten Sicherheitslage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine Modelle einer Dienstpflicht prüfen und dabei auch das schwedische Wehrpflichtmodell in den Blick nehmen. Kritik daran kam unter anderem aus der FDP und von SPD-Chefin Saskia Esken. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte der Debatte schon im Februar eine Absage erteilt. "Die Bundeswehr wurde zu einer Berufsarmee umgebaut. Daher gibt die Rückkehr zur Wehrpflicht keinen Sinn", sagte der SPD-Politiker der "Bild"-Zeitung.
Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es: "Die Bundeswehr muss demografiefest und langfristig auch mit Blick auf die Altersstruktur ausbalanciert sein." Wie das gelingen kann, wird nicht beschrieben.
Die CDU setzt im Entwurf ihres neuen Grundsatzprogramms auf ein verpflichtendes "Gesellschaftsjahr". Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wirbt seit dem vergangenen Jahr für seine Idee einer sozialen Pflichtzeit. Sie sollte sechs bis zwölf Monate betragen und in unterschiedlichen Phasen des Lebens absolviert werden können.