Militär auf Gotland Aufrüstung auf Schwedens Ferieninsel
Gotland ist eine schöne schwedische Ferieninsel - strategisch wichtig, aber bis jetzt ohne Militär. Nur eine Heimwehr trainierte für eine unwahrscheinliche Invasion. Doch jetzt kommen Soldaten - wegen der Spannungen mit Russland.
Auf der schwedischen Insel Gotland wird scharf geschossen. Soldaten und Soldatinnen der Heimwehr stürmen mit automatischen Waffen, Maschinengewehren und Panzerfäusten durch das Unterholz der Ostsee-Ferieninsel. Sie proben für den Ernstfall. Auf Gotland bedeutet das: für den Fall, dass die Armee eines feindlichen Landes die Insel besetzt.
Die Heimwehr auf Gotland, das sind rund 500 Männer und Frauen, die normalerweise anderen Berufen nachgehen und nur in ihrer Freizeit an Militärübungen teilnehmen.
Tierpflegerin Sara hat heute hat einen Tarnanzug an, einen Stahlhelm auf und dicke grüne Militärschminke im Gesicht. Sie wirkt erschöpft vom langen Tragen des schweren Maschinengewehrs. Sie übe, so oft sie könne, erzählt sie. Normalerweise gebe es zwei Übungen im Jahr, aber wenn es gehe, dann übe sie zusätzlich einmal im Monat. "Ich finde das wichtig, unser Land zu verteidigen. Nicht jeder kann das machen. Aber diejenigen, die das können, sollten sich zur Heimwehr melden und mitmachen."
"Kleine Truppe - aber schlagkräftig"
Auf der Insel gibt es seit zehn Jahren keine regulären Streitkräfte mehr. Als die Lage in Europa noch entspannter war, zog die Regierung die Armee ab und überließ die Verteidigung Gotlands der Heimwehr. Das sei eine "kleine, aber schlagkräftige Truppe", sagt Generalmajor Karl Engelbrechtsson, der Ausbildungsleiter der schwedischen Streitkräfte. Das Bataillon bestehe aus 500 Leuten. Sie seien mit modernen Waffen und Uniformen ausgerüstet.
500 Freizeitsoldaten - von denen längst nicht alle jederzeit einsatzbereit sind - sollen die Insel im Ernstfall verteidigen. Kein Problem, sagt Brigadegeneral Roland Ekenberg, der Leiter der Nationalen Heimwehr: "Das sind alles Leute, die sehr engagiert dabei sind. Die nehmen nicht nur an den Pflichtübungen teil, sondern üben zusätzlich, um alle notwendigen militärischen Fähigkeiten zu erwerben."
Ziel der Übung heute sei die Verteidigung von bedeutenden Versorgungseinrichtungen, wie die Strom- und Wasserversorgung, sagt Ekenberg: "Wenn man bereits auf einer Insel ist, dann hat man einen Vorteil, den jeder Angreifer einkalkulieren muss: Diese Leute hier sind sehr motiviert, sie kennen ihre Insel ganz genau und wissen, was zu tun ist, um sie zu verteidigen."
Strategisch wichtige Lage
Gotland liegt strategisch wichtig in der Ostsee, zwischen dem schwedischen Festland und den baltischen Staaten. Die Küste Lettlands ist etwa genauso weit entfernt wie Stockholm. Alle Schiffe, die aus Finnland oder aus dem russischen St. Petersburg nach Polen oder Deutschland wollen, müssen hier vorbei.
Das könnte Begehrlichkeiten wecken, sagt Ekenberg. Schon während der Hansezeit sei die Insel wegen ihrer strategischen Lage in der Ostsee bedeutsam - sie liege genau zwischen allen Anrainerstaaten: "Bedeutsam für den Handel mit unseren Freunden, aber sie kann auch militärisch von Bedeutung sein. Und interessant für mögliche Feinde."
Stockholm schickt Soldaten wegen Russland
Angesichts der Spannungen zwischen dem Westen und Russland beschloss die Regierung, Gotland besser zu schützen. Rund 150 reguläre Soldaten sollen auf die Insel verlegt werden, um die Heimwehr zu verstärken. Verteidigungsminister Peter Hultquist sagte, man müsse auf die veränderte geopolitische Lage reagieren und habe den Fokus bei den Streitkräften verschoben: "Früher haben wir uns auf internationale Einsätze konzentriert. Jetzt wollen wir stärker die Landesverteidigung in den Vordergrund stellen."
Grund sei die Veränderung der internationalen Lage: das, was auf der Krim geschah, der Konflikt in der Ukraine, die russischen Interessen in der Arktis "und die jüngsten Aktivitäten Russlands, die ihre Kampfflugzeuge bis nach Island und Großbritannien schicken".
Die Regierung stellt mehr Geld für die Landesverteidigung bereit. Sechs Milliarden Kronen, umgerechnet rund 600 Millionen Euro, sollen in die Modernisierung und Aufrüstung der schwedischen Streitkräfte fließen. Dafür würden bis Ende 2020 die Mittel für internationale Einsätze gekürzt, sagte Hultquist.
Die Bewohner freuen sich
Gotland werde von den Militärinvestitionen profitieren, glaubt Bürgermeister Björn Jansson. Wenn tatsächlich 150 Soldaten mit ihren Familien herkämen, wäre das gut für die Wirtschaft. Auch wenn damit einige Herausforderungen verbunden seien: Man müsse dann mehr Wohnungen bauen, für Schulen, Kindergärten und andere Einrichtungen sorgen. "Das wird nicht ganz leicht. Aber insgesamt ist das gut für uns."
Das glaubt auch die Vertreterin des Tourismusverbandes auf Gotland, Carin Sjöberg. Mehr Soldaten bedeuteten mehr Arbeitsplätze und eine bessere Infrastruktur. "Ich glaube, das wäre sehr gut für uns." Es sei noch nicht lange her, dass alle Militäraktivitäten beendet wurden. "Aber für uns als Insel ist es sehr wichtig, diese Investitionen zu bekommen."
Damit das neue schwedische Verteidigungskonzept - zu dem die Aufrüstung Gotlands gehört - keine Löcher in das Budget anderer Ressorts reißt, etwa der Bildungs- und Gesundheitspolitik, seien Steuererhöhungen unerlässlich, sagte die schwedische Finanzministerin Magdalena Andersson. Die Sozialdemokratin hat aber keinen Zweifel, dass die Bevölkerung für die Landesverteidigung mehr Steuern zahlen will.