Zustimmung im Bundesrat Per Deal zum abgespeckten "Wachstumschancengesetz"
Es war ein harter Brocken, das "Wachstumschancengesetz" durchzusetzen. Am Ende klappte es mit der steuerlichen Entlastung für Unternehmen nur durch einen klassischen Deal. Was daraus wurde, ist nur noch eine "Light-Version".
Eigentlich sind sich alle einig: Deutschland braucht dringend mehr Wachstum. Die drittgrößte Volkswirtschaft dümpelt am Rande einer Rezession. Nach der Bundesregierung wird wohl bald auch der Sachverständigenrat seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr nach unten korrigieren müssen. Um 0,2 Prozent wird der Wert aller in Deutschland gefertigten Produkte und erbrachten Dienstleistungen vielleicht zunehmen in diesem Jahr. Wenn alles gut geht. Die Lokomotive läuft noch - aber sie hat keinen wirklichen Antrieb mehr.
Energiekosten, Fachkräftemangel und Bürokratie
Auch die Ursachen für diesen Zustand sind nicht grundsätzlich strittig: Energie ist teuer in Deutschland und Fachkräfte fehlen. Die Steuerlast ist hoch im Vergleich zu anderen Industriestaaten, und vor allem: Deutschland ist viel zu bürokratisch. Weil immer neue Gesetze, Auflagen und Berichtspflichten dazukommen (und selten mal etwas wegfällt), ersticken die Unternehmen in Regularien. Praktisch alle klagen darüber: Landwirte, Handwerksbetriebe, Geschäftsleute bis hin zum CEO des DAX-notierten Autoherstellers.
Was also tun? Alle genannten Problemfelder hat die Ampelkoalition sich vorgenommen, aber bei vielen ist ein Effekt politischer Reformen erst nach langer Zeit zu erkennen. Beim Thema Migrationspolitik und Fachkräftemangel zum Beispiel ist der Wille bekundet, den Arbeitskräftebedarf der Zukunft zu decken - das Ziel ist aber noch in weiter Ferne.
Entlastung von Unternehmen
Wesentlich leichter fällt es da, Unternehmen steuerlich zu entlasten: Es müssen nur einige Gesetze geändert werden, und schon bleibt den Betrieben mehr Geld in der Kasse. Geld, das sie zum Beispiel in Forschung und Entwicklung stecken können und natürlich in den Umbau zu einer klimafreundlichen Produktionsweise.
Genau das war der Kerngedanke des "Wachstumschancengesetzes", das Bundesfinanzminister Christian Lindner im vergangenen Sommer vorlegte. Es versprach zum Beispiel Steuergutschriften für Investitionen in den Klimaschutz, außerdem verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten. Und Betriebe sollten gute und schlechte Geschäftsjahre leichter steuerlich miteinander verrechnen können - eine steuertechnische Konsequenz der Corona-Pandemie.
Nicht leicht durchzusetzen in der Ampel
Es fiel Lindner nicht ganz leicht, sein "Wachstumschancengesetz" innerhalb der Ampelkoalition durchzusetzen, denn zeitgleich liefen die Gespräche über das Zustandekommen des Bundeshaushalts 2024, der für etliche Ministerien der Bundesregierung schmerzhafte Einschnitte bringen sollte. Insbesondere den Grünen schmeckte es nicht, dass der Wirtschaft weitere steuerliche Unterstützung in Aussicht gestellt werden sollte, während Lindner den finanziellen Rahmen für die geplante Kindergrundsicherung - ein Projekt der grünen Familienministerin Lisa Paus - sehr eng steckte.
Aber dann wurden die Pläne der Bundesregierung bekannt, auch die Bauern an der anstehenden Haushaltssanierung zu beteiligen, vor allem über einen Abbau der Steuervergünstigungen beim sogenannten Agrardiesel. Die Folgen sind bekannt: Zu Hunderten fuhren protestierende Landwirte mit ihren schweren Traktoren durch das Regierungsviertel und forderten die Bundesregierung zur Rücknahme der Sparpläne auf.
Union stellte sich hinter Landwirte
Und schon drehte sich der Wind für Lindners "Wachstumschancengesetz": Die Union machte sich die Sache der Landwirte zu eigen, forderte ebenfalls eine Rücknahme der Agrardiesel-Pläne und machte nun genau davon ihre Zustimmung im Bundesrat zum "Wachstumschancengesetz" abhängig.
Nun ist es nicht so, dass es einen sachlichen Zusammenhang gäbe zwischen der steuerlichen Behandlung von Dieseltreibstoff in der Landwirtschaft und Investitionsanreizen bzw. Abschreibungsregeln für Industriebetriebe. Aber da Politik immer auch die Kunst ist, Mehrheiten zu organisieren, witterte die Union eine gute Gelegenheit, sich als Kämpferin für die Interessen der Landwirtschaft zu profilieren - und der Ampel die Grenzen ihrer Macht vorzuführen. Ein klassischer politischer Deal lag mit einem Mal auf dem Tisch: Wir stimmen Euren "Wachstumschancen" zu, dafür verschont ihr "unsere" Landwirte.
Gesetz ist gründlich abgespeckt
Es kam, wie es kommen musste: Das "Wachstumschancengesetz" fand zunächst keine Mehrheit im Bundesrat, der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag wurde angerufen und speckte das Gesetz gründlich ab: Nun beträgt das Entlastungvolumen nur noch die Hälfte, gut drei Milliarden Euro. Damit können die Länder offenbar leben, denn Steuererleichterungen für Unternehmen bedeuten zugleich Einnahmeverluste auch für die Länder (und am Ende auch die Kommunen).
Beobachter sagen, der Entlastungsbetrag sei jetzt nur noch als politische Geste zu verstehen und nicht als ein tatsächlicher ökonomischer Impuls. Das zusätzliche Wachstum, das er auslösen könnte, liege allenfalls im Promillebereich.
Deal - auch für die Bauern
Parallel dazu liefen die informellen Gespräche, wo die Bundesregierung denn etwas für die Landwirte tun könne. Beim angekündigten Abbau des Steuerprivilegs für den Diesel von Traktoren, Mähdreschern und Co. wird es - gesichtswahrend für die Bundesregierung - bleiben. Dafür aber sollen auch die Bauern in Zukunft gute und schlechte Betriebsjahre (die es bei ihnen wetterbedingt immer gibt) steuerschonender miteinander verrechnen können.
Außerdem hat die Bundesregierung der Landwirtschaft versprochen, Bürokratie abzubauen. Möglicherweise sollen auch die EU-Vorstellungen zur naturschonenden Flächenstilllegung nicht so hart umgesetzt werden, wie die Landwirte es befürchten. Das alles ist noch kein Gesetz, aber die Zusage reichte der Union, um dem "Wachstumschancengesetz light" nunmehr in der Länderkammer mehrheitlich zuzustimmen.
Bundeskanzler Olaf Scholz nannte die Zustimmung des Bundesrates "ein wichtiges Signal für (…) eine erfolgreiche Zukunft unseres Landes". Ein Signal ist also gesetzt - jetzt muss die deutsche Wirtschafts-Lokomotive nur noch neuen Schwung aufnehmen.