Alexander Dobrindt und Friedrich Merz

Berlins Antwort auf Trumps Zollpolitik Gegenschlag oder Diplomatie?

Stand: 07.04.2025 20:35 Uhr

Gerade noch Europas engster Partner, nun wirtschaftlicher Rivale: US-Präsident Trump erhöht die Zölle massiv und setzt damit auch Deutschland unter Druck. Was bedeutet das für die neue Bundesregierung?

Von Oliver Sallet, ARD-Hauptstadtstudio

Ein Handelskrieg gegen 185 Länder - Deutschland und die EU sind seit vergangenem Mittwoch mittendrin. Trumps Zollpolitik trifft vor allem Exportnationen wie Deutschland - mit teilweise frei erfundenen Begründungen. Europa "zockt die USA ab", sagte Trump im Rosengarten des Weißen Hauses - "erbärmlich" sei das. Für Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung erinnert das an die 1930er-Jahre, als US-Strafzölle die Weltwirtschaftskrise verschärften: "Das Entscheidende wird sein, wie der Rest der Welt reagiert."

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Janine Hilpmann, HR, tagesthemen, 07.04.2025 21:45 Uhr

Der Schaden ist real

Genau das ist jetzt die zentrale Frage für Berlin - sowohl für die noch amtierende, als auch die künftige Bundesregierung. Bundeskanzler Olaf Scholz beobachte die Lage aufmerksam, teilt ein Sprecher mit. Man sei im engen Austausch mit der EU-Kommission und Wirtschaftsverbänden. Klar sei: Deutschland wolle keinen Handelskrieg, denn der kenne nur Verlierer.

Doch der Schaden ist real. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) könnten sich die Kosten der US-Zölle für Deutschland zwischen 2025 und 2028 auf bis zu 180 Milliarden Euro summieren - mit Auswirkungen auf Produktion, Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit. Wie sich schon jetzt bei den kriselnden deutschen Maschinenbauern beobachten lässt, von denen 60 Prozent angeben stark oder sehr stark von den US-Zöllen betroffen zu sein.

Der baden-württembergische Ventilatoren-Hersteller EBM-Papst etwa macht knapp 15 Prozent seines Umsatzes in den USA und rechnet mit steigenden Preisen für knapp die Hälfte seiner dort vertriebenen Produkte. Das Unternehmen denkt nun darüber nach, seine Werke in den USA auszubauen. Arbeitsplätze, in die USA zu locken, ist auch gesetztes Ziel der US-Regierung.

Druck ausüben - nur wie?

Der scheidende Wirtschaftsminister Robert Habeck verurteilte Trumps Zoll-Angriff scharf und erteilte dem US-Präsidenten eine Lektion in Wirtschaftsgeschichte: "Die Globalisierung bedeutet, dass man arbeitsteilig vorgeht und so insgesamt gewinnt", sagte Habeck nach der Verhängung der Zölle. Die USA sei einer der größten Profiteure. "Was ich sehe, ist, dass Donald Trump unter Druck einknickt, unter Druck seine Ansagen korrigiert. Die logische Konsequenz ist: Dann muss er den Druck auch spüren."

Wie dieser Druck aussehen könnte, prüft die EU-Kommission. Eine über 100 Seiten starke Liste möglicher Gegenmaßnahmen liegt bereits vor. Als Reaktion auf frühere US-Zölle auf Stahl und Aluminium hatte die EU bereits Zölle auf US-Produkte wie Motorräder, Whiskey und Jeans verhängt. Wie die Antwort auf die neuen Zölle aussieht, ist noch offen.

Einfluss auf Koalitionsverhandlungen

Klar ist: Auf die neue Bundesregierung kommt eine Mammutaufgabe zu - der Spagat zwischen Diplomatie und klarer Gegenwehr. Letzteres liegt in Brüssel, nicht Berlin - doch innenpolitisch wächst der Druck. CDU-Fraktionsvize Thorsten Frei fordert, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken. "Alle Maßnahmen müssen jetzt auf dieses Ziel ausgerichtet sein."

Mit Blick auf die abstürzenden Börsenkurse fordert CDU-Chef Friedrich Merz deutliche Konsequenzen für die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD. Die Lage an Märkten sei dramatisch und drohe sich weiter zuzuspitzen. Für die Koalitionsverhandlungen will er wirtschaftspolitische Maßnahmen wie Steuersenkungen, Bürokratieabbau und niedrigere Energiepreise ganz oben auf die Agenda setzen.

Digitalsteuer für US-Tech-Konzerne?

SPD-Chef Lars Klingbeil hatte bereits vor Trumps Zollangriff die wirtschaftliche Kraft Europas beschworen und eine selbstbewusste EU-Position eingefordert. Die Grünen-Vorsitzende und Staatsekretärin im Wirtschaftsministerium Franziska Brantner schlägt im Bericht aus Berlin eine Digitalsteuer für US-amerikanische Tech-Konzerne vor. Die Frage sei sehr berechtigt, "warum diese großen Konzerne in Europa super viel Geld verdienen, aber darauf keine Steuern zahlen." Das könne Teil der Verhandlungen sein.

Tatsächlich zeigt ein Blick auf die Handelsbilanz zwischen USA und EU: Während Europa bei Waren einen Überschuss von 157 Milliarden Euro erzielt, liegt es bei digitalen Dienstleistungen 109 Milliarden im Minus. Angriffsfläche bieten also Tech-Giganten wie Google, Amazon, Netflix - oder Elon Musks X.

Brantner: Eigenen Binnenmarkt stärken

Auch DIW-Chef Fratzscher plädiert für Gegenmaßnahmen in diese Richtung, warnt aber gleichzeitig vor den Folgen, die auch Kosten für Europa bedeuteten. "Wir sind abhängig von US-Digitaldienstleistungen. Wir haben kaum Alternativen dazu", sagt Fratzscher. Dennoch sei es besser jetzt zu handeln und europäischen Unternehmen wieder Perspektiven aufzuzeigen, als diese Abhängigkeit weiter zu vergrößern.

Brantner sieht in dieser Situation auch eine Chance: Europa müsse den eigenen Binnenmarkt stärken und bei Schlüsseltechnologien digitalen Bereich, Biotechnologie oder Raumfahrt gezielt investieren. Dazu müssten die Anstrengungen in der EU gebündelt werden. Musks jüngster Vorschlag, eine Freihandelszone zwischen USA und EU zu schaffen, wirkt in dieser Lage allerdings wie aus einer anderen Zeit.