Streit über Wahl des Präsidenten Thüringer Landtagssitzung nach Chaos abgebrochen
Chaotische Wortgefechte und Unterbrechungen überschatteten die erste Sitzung im Thüringer Landtag. Die CDU-Fraktion griff "zum letzten Mittel" und rief das Landesverfassungsgericht an - die Sitzung wurde unterbrochen.
Eigentlich ist die konstituierende Sitzung eines Landtags nach der Wahl Routine: Das Parlament wählt einen Präsidenten oder eine Präsidentin und besetzt weitere wichtige Posten.
In Thüringen ist in der ersten Sitzung des neugewählten Landtags jedoch ein Streit zwischen der AfD und den anderen Fraktionen eskaliert. Die Sitzung musste ohne die Wahl eines Landtagspräsidenten unterbrochen werden.
AfD mit Vorschlagsrecht - CDU und BSW wollen Verfahren ändern
Eigentlich hat die größte Fraktion in der Regel das Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten. Das ist in Thüringen die AfD. Sie wurde mit ihrem Landeschef Björn Höcke bei der Wahl Anfang September erstmals in einem Bundesland stärkste Kraft.
Doch die CDU und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wollten mit einem Antrag zur Geschäftsordnung das Verfahren ändern - und damit verhindern, dass die AfD den ersten Vorschlag für das Amt machen kann.
Doch zu einer Abstimmung über den Antrag kam es nicht: Der AfD-Politiker Jürgen Treutler, der als ältester Abgeordneter die Sitzung leitete, weigerte sich stundenlang darüber abstimmen zu lassen. Es kam zu mehreren Unterbrechungen und hitzigen Diskussionen im Erfurter Parlament.
Verfassungsgerichtshof eingeschaltet
Die CDU-Fraktion rief daraufhin den Thüringer Verfassungsgerichtshof an, weil Alterspräsident Treutler aus ihrer Sicht die Verfassung mehrfach brach und Rechte der Abgeordneten verletzte. Seine Fraktion habe damit nach einer chaotischen Landtagssitzung "zum letzten Mittel" gegriffen, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Bühl.
CDU-Politiker Andreas Bühl rief den Thüringer Verfassungsgerichtshof an.
Das Verfassungsgericht muss nun feststellen, ob es rechtens ist, dass sich die neu gewählten Abgeordneten eine neue Geschäftsordnung geben. Ein Gerichtssprecher sagte, über den Antrag könne im Eilverfahren etwa in einem "Zeitfenster von 24 Stunden" entschieden werden. Die konstituierende Sitzung soll voraussichtlich am Samstag fortgesetzt werden.
Eine konstituierende Sitzung ist die erste Sitzung eines Parlaments zu Beginn einer neuen Legislaturperiode. In dieser Sitzung muss manches neu organisiert und geregelt werden. Ehemalige Abgeordnete scheiden aus, neue kommen hinzu. Die Mehrheiten und damit die Machtverhältnisse ändern sich.
In der konstituierenden Sitzung des Landtages werden zunächst diejenigen gewählt, die für die ordnungsgemäße Durchführung der künftigen Sitzungen verantwortlich sind. Dies sind im Thüringer Landtag zunächst der Landtagspräsident oder die Landtagspräsidentin, seine oder ihre Stellvertreterinnen und Stellvertreter und die Schriftführerinnen und Schriftführer.
Der CDU-Politiker Bühl warf dem AfD-Politiker Treutler "Machtergreifung" vor und verlangte seinen Rücktritt vom Posten des Alterspräsidenten. "Wir fordern den zweitältesten Abgeordneten auf, die Sitzung zu führen", rief Bühl.
Auch die anderen Landtagsfraktionen zeigten sich empört über den AfD-Politiker. "Es ist eine Katastrophe, wie die AfD die Demokratie am Nasenring durch die Manege treibt", sagte die Fraktionsvorsitzende des BSW, Katja Wolf. Die SPD nannte den Ablauf eine "Farce" und pochte auf das Recht des Landtags, sich eine Geschäftsordnung zu geben.
Schwierige Regierungsbildung
Die Wahl des Landtagspräsidenten gilt als Testfall dafür, wie die AfD Blockademöglichkeiten in einem deutschen Parlament nutzen wird. Die AfD ist in Thüringen als gesichert rechtsextrem eingestuft. Alle anderen Parteien weigern sich, mit ihr zusammenzuarbeiten.
Teutler sagte in seiner Rede im Landtag, die gewählten Parlamentarier sollten "das Wahlergebnis nüchtern und sachlich zur Kenntnis nehmen" und den Willen des Souveräns ernst nehmen. Er warnte vor einer Untergrabung der politischen Kultur.
Die AfD hat nach ihrem Wahlsieg 32 Sitze im Landtag, danach kommen die CDU mit 23 Sitzen, das BSW mit 15, die Linkspartei mit zwölf und die SPD mit sechs Sitzen. Eine Regierungsbildung ist unter anderem schwierig, weil die CDU eine Koalition mit den Linken ausschließt.