Humboldt-Gemeinschaftsschule Berlin Schule mit Eigenverantwortung
Flache Hierarchien und Eigenverantwortung - darauf setzt die Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule in Berlin-Prenzlauer Berg. Dafür gab es eine Platzierung beim Deutschen Schulpreis.
Lehrerin Brit Lautenbach zeigt auf eine Leinwand. Ein großer Baum ist darauf zu sehen. An den Ästen stehen viele Sätze wie "Wir sprechen sachlich miteinander" und "Wir haben Verständnis für andere Meinungen". Es sind Regeln, die sich die Kinder der 7. bis 9. Klasse an der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg selbst gegeben haben.
Die Humboldt-Gemeinschaftsschule hat heute einen der Zweiten Plätze beim Deutschen Schulpreis 2024 erhalten, dotiert mit 30.000 Euro. Schule funktioniert hier ein bisschen anders: Eigenverantwortung, Teamarbeit und Selbstkontrolle statt Frontalunterricht.
Bis zum Ende der 8. Klasse gibt es keine Noten, die Schüler erarbeiten sich den Stoff in Gruppen großteils selbst - jahrgangsübergreifend, immer drei Klassenstufen in einem Raum, aufgeteilt in Lerngruppen. Und welche Regeln dabei gelten, haben sie eben auch selbst bestimmt.
Unterricht als gemeinsames Projekt
"Das habt ihr nicht bedacht. Ihr habt zu viele Regeln aufgeschrieben - jetzt müsst ihr alle abschreiben", sagt Lehrerin Lautenbach und lächelt in den Stuhlkreis. Die Kinder um sie herum nicken.
Es sind eher minimalinvasive Eingriffe, die von der Lehrerschaft kommen sollen. Die Schüler sollen einander helfen, ihre Lernziele legen sie zum Großteil selbst fest. Lehrer und Schüler duzen sich hier, der Unterricht soll ein gemeinsames Projekt sein.
Noam Hentschel aus der 9. Klasse beteiligt sich an den Diskussionen. Es gibt Feedback zu vergangenen Aktionen und dazu, wie die Schüler miteinander diskutieren. Neuerdings bekommt er auch Noten. "Ab der 9. Klasse sollte man schon Noten haben", sagt Norman. "Jetzt geht es auch schon langsam Richtung Abi und da braucht man dann schon eine Orientierung, damit man weiß, wo man steht."
Vida Engler und Noam Hentschel gefällt das Schulkonzept.
Alle helfen allen
Das gemeinsame Lernen gefällt der 13-jährigen Vida Engler. Sie findet es gut, dass auch schwächere Schüler Hilfe von Mitschülern und Lehrern erhalten. "Jeder wird so angenommen, wie er halt ist", sagt sie. "Damit wird dann umgegangen und dann bekommt man die entsprechende Hilfe." Häufig würden die Älteren den Jüngeren helfen. "Aber manchmal gibt es auch Jüngere, die den Älteren helfen."
Die Schule fordert eine "indiviualisierte Verantwortungsübernahme für die eigene Leistung". Schulleiterin Judith Bauch benutzt Schlagworte wie "fächerübergreifendes und projektorientiertes Lernen" oder eine "vorbereitete Lernumgebung". Es sind Themen, die in Bildungsdebatten immer wieder auftauchen - hier scheinen sie zu funktionieren.
2008 wurde die Schule neu gegründet. Am Konzept waren von Anfang an auch Eltern beteiligt. Schulleiterin Bauch sagt, die Unterschiede lägen womöglich darin, dass die Pädagogen den Schülern "zugewandt" seien und den "Lernenden zuhören, was die für Ideen haben". Das Kollegium definiere sich als Lernbegleitung.
Verantwortung für sich und andere
Bauch sieht Vorteile in ihrem Ansatz, die ihren Schülern auch später noch zugute kommen: "Ich glaube, dass die Kinder und Jugendlichen ihre Stärken und ihre Schwächen kennen." Alle hätten gelernt, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.
In der Lerngruppe von Lehrerin Lautenbach geht die Besprechung zu Ende. "Wir müssten dann spätestens am Dienstag die Einteilung machen, wer wann dafür zuständig ist, über den Hof zu gehen und Papier einzusammeln", sagt Lehrerin Bauch und schaut in die Runde. Es gibt keine Widerrede.