Schäden durch Hochwasser Regierung hält vorerst an Schuldenbremse fest
Schon jetzt ist absehbar: Die Hochwasserschäden sind enorm. Einige SPD-Politiker drängen deshalb darauf, die Haushaltsnotlage auszurufen. Doch der Bund will vorerst an der Schuldenbremse festhalten - und bekommt Unterstützung vom Gemeindebund.
In mehreren Bundesländern stehen viele Gebiete unter Wasser - es zeichnen sich hohe Kosten ab. Doch die Bundesregierung hält weiter an der Schuldenbremse fest. Der Zeitpunkt sei noch nicht gekommen, um über ein Aufweichen der Schuldenbremse zu sprechen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Zunächst müsse der entstandene Schaden bilanziert werden - ein Ergebnis sei hier aber noch nicht absehbar: "Wenn dann eine so hohe Schadenssumme zusammenkommen sollte - was wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht unterstellen -, dann kann auch der Bund handeln."
"Bund wird sich nicht vor seiner Verantwortung drücken"
Die Regierung behalte sich das Aussetzen der Schuldenbremse aber abhängig von der weiteren Entwicklung vor, sagte Hebestreit in Berlin. Wenn "ein Schadensereignis von nationalem Ausmaß mit hohen Schadenssummen" zu bewältigen wäre, "würde der Bund sich auch nicht vor seiner Verantwortung drücken", ergänzte der Sprecher.
Erst nach der Akutphase könnten Bund, Länder und Kommunen beraten, wie groß das Schadensbild sei und wie damit umgegangen werde. "Wenn dann eine so hohe Schadenssumme zusammenkommen sollte, was wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht unterstellen, dann kann auch der Bund handeln", sagte Hebestreit unter Verweis auf das Grundgesetz. Dieses sieht vor, dass die Schuldenbremse im Falle von Naturkatastrophen ausgesetzt werden kann.
SPD-Politiker plädieren für Aussetzen der Schuldenbremse
Der Regierungssprecher äußerte sich mit Blick auf die Forderung mehrerer SPD-Politiker. Sie hatten ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse ins Gespräch gebracht. "Wenn finanzielle Hilfen des Bundes geboten sind, dann halte ich es für sinnvoll, die Schuldenbremse auszusetzen", sagte SPD-Vizefraktionschef Dirk Wiese gegenüber der Funke-Mediengruppe. "Denn genau das sind die Notfälle, in denen die Verfassung ein Aussetzen der Schuldenbremse zulässt."
Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz argumentierte gegenüber dem "Spiegel": "Das Hochwasser richtet gerade in Niedersachsen immense Schäden an. Für diese Kosten könnten wir die Schuldenbremse aussetzen." Dies sei auch nach dem jüngsten Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts möglich. "Schließlich handelt es sich um eine unvorhersehbare Naturkatastrophe. Dafür lässt das Urteil Spielräume", sagte Schwarz.
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dennis Rohde, sagte dem "Stern": "Noch ist das gesamte Ausmaß der Flutschäden nicht absehbar, aber für genau solche Fälle haben wir die Möglichkeit, die Schuldenbremse auszusetzen, im Grundgesetz stehen."
Union und FDP wollen an Schuldenbremse festhalten
Bei der Union und der FDP stößt der Vorschlag der Sozialdemokraten jedoch auf Ablehnung. Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg sprach von Scheindebatten. Der Bund könne auch im Rahmen der regulär zur Verfügung stehenden Mittel finanziell helfen, sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post".
In ihren Haushaltsplanungen für 2024 will die Regierung bislang an der Schuldenbremse festhalten. Allerdings wird noch geprüft, ob sie zur weiteren Finanzierung der Ahrtal-Hilfe nach dem Hochwasser 2021 in Höhe von 2,7 Milliarden Euro erneut ausgesetzt wird. Diese Prüfung dauere laut Hebestreit noch an.
Auch FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer lehnt ein Aussetzen der Schuldenbremse wegen der Hochwasserlage ab. "Für erste akute Hilfsmaßnahmen unterstützt der Bund die betroffenen Regionen über das THW (Technische Hilfswerk)", sagte der FDP-Politiker der Nachrichtenagentur dpa. "Es ist noch völlig unklar, welche Schäden durch das Hochwasser entstehen." Es sei momentan nicht ersichtlich, dass Länder und Bund durch das Hochwasser finanziell überfordert seien. Ein Aussetzen der Schuldenbremse sei daher zurzeit nicht gerechtfertigt.
Gemeindebund rät zur Gelassenheit
Auch Gemeindebund-Präsident Uwe Brandl (CSU) sieht "überhaupt keinen Anlass" für ein Aussetzen der Schuldenbremse. "Da würde ich zur Gelassenheit und zur Zurückhaltung raten", sagte der Chef des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB). Schließlich könne man "alle fünf Minuten irgendeine andere schwierige Situation vorfinden", die eine Aussetzung der Schuldenbremse rechtfertigen könnte.
Stattdessen gehe es um eine richtige Priorisierung der zur Verfügung stehenden Gelder. Dabei stellte Brandl insbesondere Sozialleistungen infrage. "Mehr als 70 Milliarden Euro haben alleine die Kommunen im letzten Jahr für Sozialleistungen ausgegeben", sagte er. Die Summe habe sich innerhalb von 20 Jahren verdoppelt. Das sei keine nachhaltige und ausgeglichene Entwicklung. Daher müsste sich die Bundesregierung die Frage stellen, ob beispielsweise einkommensunabhängige Zahlungen der richtige Weg seien.