Gesetzentwurf vorgelegt Bündnis fordert Liberalisierung von Abtreibungen
Ein Bündnis aus mehreren Verbänden will die Regelungen zu Abtreibungen reformieren. Unter anderem soll ein Abbruch länger möglich sein - bis zur 22. Schwangerschaftswoche. Gegen die Vorschläge regt sich bereits Kritik.
Ein Bündnis aus insgesamt 26 Verbänden und Organisationen hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit welchem die bestehenden Regelungen zu Abtreibungen reformiert werden sollen. Kernpunkt dieses Reformvorschlags ist die Abschaffung des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch und die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur 22. Schwangerschaftswoche.
Nach bestehender Gesetzeslage sind Abtreibungen in Deutschland entsprechend des Paragrafen 218 des Strafgesetzbuches grundsätzlich rechtswidrig. Sie sind jedoch nicht strafbar, wenn sie bis zur zwölften Schwangerschaftswoche vorgenommen werden und die betroffenen Frauen sich im Vorfeld beraten lassen.
Zwischen dieser Beratung und dem Schwangerschaftsabbruch muss eine Frist von mindestens drei Tagen eingehalten werden. Ausnahmen gelten, wenn medizinische Gründe für eine spätere Abtreibung vorliegen oder die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist.
Pflichtberatung soll durch Reform gestrichen werden
Mit der vom Bündnis vorgeschlagenen Reform solle eine Abtreibung entkriminalisiert und künftig eine "rechtmäßige medizinische Gesundheitsleistung" werden, heißt es. Ärztinnen und Ärzte sollten aber weiterhin die Möglichkeit haben, sich persönlich gegen die Durchführung eines Abbruchs zu entscheiden. Auch Schwangerschaftsabbrüche gegen den Willen einer Schwangeren sollen dem Entwurf zufolge weiter unter Strafe stehen.
Die Beratungspflicht soll laut dem Entwurf gestrichen werden, stattdessen sollen Frauen einen Rechtsanspruch auf Beratungsangebote erhalten. Zudem fordern die beteiligten Organisationen, dass die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch von der Krankenkasse getragen wird. Dies ist bislang nur in Ausnahmefällen möglich.
Bündnis hofft auf "maßgeblichen Impuls an Gesetzgeber"
Zu dem Bündnis hinter dem Entwurf zählen etwa der Deutsche Frauenrat, Pro Familia, der Deutsche Juristinnenbund, die Gewerkschaft ver.di sowie Terre des Femmes. An dem Entwurf haben auch drei Expertinnen mitgearbeitet, die bereits der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission angehört hatten, die im April Empfehlungen für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts vorgelegt hatte.
Zu ihnen zählt die Juristin Liane Wörner. Sie erhofft sich durch die vorgelegten Vorschläge einen "maßgeblichen Impuls an den Gesetzgeber". Wörner betonte: "Die Zivilgesellschaft schlägt der Politik hier ein ausgewogenes Konzept vor, das sowohl den Schutz von Frauen im Prozess, als auch den Schutz von Föten und die verfassungsgerichtlich festgestellte Schutzpflicht berücksichtigt."
Damit der Entwurf des Bündnisses umgesetzt wird, müssten entweder die Bundesregierung oder Abgeordnete des Bundestags die Initiative für eine entsprechende Gesetzesänderung ergreifen. Eine entsprechende Petition mit rund 50.000 Unterschriften wurde an Bundestagsabgeordnete übergeben.
SPD, Grüne und Linke befürworten Liberalisierung
Im April, nachdem die von der Bundesregierung beauftragte Kommission ihre Empfehlungen vorgelegt hatte, hatten sich SPD und Grüne offen für eine Liberalisierung gezeigt. Auch der Vorstoß des Bündnisses wurde von Leni Breymaier, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, ausdrücklich begrüßt. "Schwangerschaftsabbrüche gehören nicht ins Strafgesetzbuch", betonte sie und fügte hinzu: "Was wir nicht brauchen, sind Regeln aus den 1990er-Jahren, getragen von einer Geisteshaltung von vor 100 Jahren."
Auch aus Sicht der Grünen-Abgeordneten Ulle Schaus zeige das Bündnis mit seinem Entwurf einen "gangbaren Weg" für eine Liberalisierung von Abtreibungen auf. Gökay Akbulut von der Linkspartei stellte sich ebenfalls hinter eine Reform. Schwangerschaftsabbrüche müssten "ein normaler Teil der gesundheitlichen Versorgung werden - ohne Zwangsberatung und Wartepflicht", forderte sie. Es sei "höchste Zeit" für eine Reform.
Bischofskonferenz pocht auf Schutz ungeborenen Lebens
Die Union, FDP und die AfD hatten sich im April ablehnend gegenüber einer Liberalisierung von Abtreibungen gezeigt. Und auch jetzt kommt aus den Reihen der CDU Kritik. Die Vorschläge seien offenkundig unvereinbar mit den Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht für eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs festgelegt habe. Der Entwurf verabschiede sich von jedem Schutzkonzept für das ungeborene Kind, warnte die CDU-Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker.
Auch die Deutsche Bischofskonferenz warnte davor, dass mit einer solchen Reform der Anspruch auf gleichen Schutz von ungeborenem wie geborenem menschlichen Leben aufgegeben werde. In einer Stellungnahme bezieht sich die Bischofskonferenz ebenfalls auf das Bundesverfassungsgericht, dem zufolge spätestens mit der Einnistung einer befruchteten Eizelle von einem menschlichen Leben auszugehen sei.
Es sei völlig widersprüchlich, hieß es von der Bischofskonferenz weiter, dass gerade die Schutzbedürftigkeit des Ungeborenen und sein völliges Angewiesensein auf die werdende Mutter als Argument für eine verminderte staatliche Schutzpflicht für ungeborenes Leben dienen solle.
Der Verein Donum Vitae, der ungewollt Schwangere in Konfliktsituationen berät, erklärte ebenfalls, er lehne den Vorschlag ab, da er dem staatlichen Schutzauftrag gegenüber allen Beteiligten widerspreche. Auch durch die vorgesehene Änderung von einer verpflichtenden Beratung für Schwangere hin zu einem freiwilligen Beratungsangebot drohe dieser staatliche Schutzauftrag seine Wirksamkeit zu verlieren.
Für ein Beibehalten der Beratungspflicht und die rechtliche Regelung per Strafgesetzbuch plädierten ebenso der Deutsche Caritasverband und sein Fachverband Sozialdienst katholischer Frauen. Sie forderten einen Rechtsrahmen, der die schwangere Frau und ihr Kind in ihren Rechten gleichermaßen ernst nehme.