Blick auf die Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD) im Deutschen Bundestag

Gutachten des Verfassungsschutzes Rufe nach AfD-Verbot werden lauter

Stand: 02.05.2025 18:47 Uhr

Nach der Neueinstufung der AfD durch den Verfassungsschutz werden die Rufe nach einem Verbot der Partei lauter. Doch es gibt auch warnende Stimmen. Die AfD sieht sich kriminalisiert und wehrt sich juristisch.

Die AfD verfolge Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung - dieser Verdacht habe sich bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet, so die Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Welche Konsequenzen aus der Einstufung der AfD als rechtsextremistisch ziehen soll, dazu verschärft sich nun die politische Debatte.

Im Fokus: die Aufnahme eines Parteiverbotsverfahrens. Ein Verbot dürfen Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat beantragen. Die Entscheidung über einen Antrag fällt das Bundesverfassungsgericht. Die Ansichten zum Für und Wider sind auch innerhalb der Parteien kontrovers.

Verbot zum Schutz der Demokratie

Aus der künftigen Regierungspartei CDU meldete sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther mit klarer Position zu Wort: "Der Bund muss jetzt zügig ein Verbotsverfahren einleiten, um unsere Demokratie zu schützen", sagte er dem Spiegel.

Auch die CDU-Arbeitnehmerschaft sprach sich dafür aus. "Das Urteil des Verfassungsschutzes liefert die notwendige Grundlage für ein Verbotsverfahren", hieß es in einer Stellungnahme des geschäftsführenden Vorstands der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA), über die zuerst das Magazin Stern berichtet hatte. Allein mit besserer Politik werde es extrem schwer, dagegenzuhalten.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hob hingegen hervor, "dass die Feinde der Demokratie nicht allein vom Staat bekämpft" würden. Die Verteidigung der Demokratie beginne in der Mitte der Gesellschaft. Die Einstufung durch den Verfassungsschutz sei "ein klarer Fingerzeig", betonte der CDU-Politiker.

Verbot als eine Möglichkeit

Der künftige Koalitionspartner SPD gibt sich noch verhalten in Bezug auf die konkreten Konsequenzen. Parteichef Lars Klingbeil bezeichnete ein Verbotsverfahren als eine Möglichkeit. Zunächst solle eine "gründliche Prüfung" erfolgen. "Wir haben als diejenigen, die die politischen Entscheidungen treffen, jetzt auch die Verantwortung, unsere Demokratie vor den Feinden der Demokratie zu schützen", sagte er der Bild-Zeitung mit Blick auf die bevorstehende schwarz-rote Koalition.

"Aber mir geht es nicht darum, eine schnelle Schlagzeile nach diesem Gutachten zu produzieren", sagte der designierte Vizekanzler mit Verweis auf das umfangreiche Gutachten, das der Neueinstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zugrunde liegt. Allerdings könne es sein, "dass irgendwann der klare Auftrag auch von den unabhängigen Behörden da ist, zu sagen, jetzt müsst ihr handeln, liebe Politik".

Scholz "gegen einen Schnellschuss"

Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz blieb ebenfalls zurückhaltend: "Ich finde, das ist eine Sache, die man nicht übers Knie brechen darf", sagte er auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover. Er verwies auf Parteiverbotsverfahren, die in der Vergangenheit vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gescheitert waren, etwa zur rechtsextremistischen NPD. "Ich bin gegen einen Schnellschuss."

Dem schloss sich die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser an. Aus guten Gründen gebe es für ein Verbotsverfahren "hohe verfassungsrechtliche Hürden". "Das sollte man nicht ausschließen, aber weiterhin sehr vorsichtig damit umgehen. Es gibt jedenfalls keinerlei Automatismus."

Faeser: "Keine Einflussnahme"

Faeser stellte zugleich klar, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz eigenständig arbeitet. Die Behörde habe einen "klaren gesetzlichen Auftrag, gegen Extremismus vorzugehen und unsere Demokratie zu schützen", erklärte sie. Die neue Einstufung sei das Ergebnis einer umfassenden Prüfung, deren Ergebnisse in einem etwa 1.100-seitigen Gutachten festgehalten seien. Das Gutachten ist nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt. Eine Veröffentlichung ist nicht vorgesehen.

"Es hat keinerlei politischen Einfluss auf das neue Gutachten gegeben", versicherte die SPD-Politikerin. Die vorherige Bewertung der Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall sei von Gerichten bestätigt worden. Auch die neue Bewertung werde sicher von unabhängigen Gerichten überprüft werden.

AfD-Parteivize Brandner: "Unfaire Kampfmaßnahme"

Den Vorwurf einer politisch motivierten Entscheidung des Verfassungsschutzes erhob die AfD. Die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla sprachen einem "schweren Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie". Ihre Partei werde kurz vor dem Regierungswechsel öffentlich diskreditiert und kriminalisiert.

"Der damit verbundene, zielgerichtete Eingriff in den demokratischen Willensbildungsprozess ist daher erkennbar politisch motiviert", erklärten Weidel und Chrupalla. Die AfD werde sich dagegen weiter juristisch zur Wehr setzen. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios lässt die AfD über die Kanzlei Höcker den Verfassungsschutz abmahnen. Die Einstufung sei offensichtlich rechtswidrig, heißt es in dem Schreiben, das dem Hauptstadtstudio vorliegt

Parteivize Stephan Brandner sprach von einem rein politischen "Kampf der Kartellparteien gegen die AfD". Als "unfaire Kampfmaßnahme gegen die einzige Oppositionskraft" sei sie allerdings erwartbar gewesen. Als "unsouverän" bezeichnete Brandner gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, dass die Neubewertung noch von Faeser vorgenommen wurde.

Gegen die Hochstufung als "gesichert rechtsextremistisch" wird die AfD juristisch vorgehen

Iris Sayram, ARD Berlin, Mittagsmagazin, 02.05.2025 12:10 Uhr

Kritik an der Entscheidung des Inlandsgeheimdiensts übte auch Sahra Wagenknecht. "Die Neubewertung der AfD durch den Verfassungsschutz ist in der Sache fraglich und politisch kontraproduktiv", sagte die BSW-Gründerin der Welt. 

Linke klar für Verbotsverfahren

Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Heidi Reichinnek, sagte: "Das Verbotsverfahren gegen die AfD muss endlich auf den Weg gebracht werden." Man dürfe nicht akzeptieren, dass eine rechtsextremistische Partei die Demokratie "von innen bekämpft und zerstört". Etwas zurückhaltender zeigten sich Konstantin von Notz und Irene Mihalic von den Grünen: Die Neubewertung sei "ein wichtiger Baustein mit Blick auf die Frage, wie es um die Erfolgsaussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens bestellt ist".

Bundestagsvizepräsidentin: Nicht wie normale Partei behandeln

Aus Sicht von Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz (CSU) ist eine Wahl von AfD-Abgeordneten in das Bundestagspräsidium oder Ausschussvorsitze "kaum mehr denkbar". "Als gesichert rechtsextremistische Gruppierung ist die AfD keine Partei wie jede andere", sagte Lindholz der Nachrichtenagentur dpa. Deshalb solle sie auch nicht so behandelt werden.

"Jeder AfD-Abgeordnete muss sich vielmehr nun entscheiden, ob er zu unserer Grundordnung steht und aus der Partei austritt oder ob er prominenter Teil einer extremistischen Bestrebung sein will."

Ihr CSU-Parteikollege Alexander Dobrindt, der Bundesinnenminister werden soll, war vorab von Faeser informiert worden, ebenso wie der designierte Kanzler Friedrich Merz und Klingbeil. CSU-Parteichef Markus Söder nannte das Ergebnis des Verfassungsschutzes einen "finalen Weckruf".

"Die AfD ist insgesamt rechtsextremistisch", sagte der CSU-Chef. "Damit ist klar: Für Feinde der Demokratie kann es null Toleranz geben. Die Brandmauer steht weiterhin", fügte er hinzu. Die CSU habe einen klaren Kurs: "Keine Dämonisierung, aber eben auch keine Relativierung." Seine Partei wolle die AfD weiter inhaltlich stellen und durch gutes Regieren entlarven.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 02. Mai 2025 um 14:00 Uhr.