Arbeitsagentur-Chefin Nahles fordert Daten über Schulabbrecher
Jedes Jahr verlassen Zehntausende Jugendliche ohne Abschluss die Schule. Doch die Bundesagentur für Arbeit habe kaum Daten über sie, bemängelt deren Vorsitzende Nahles und nimmt die Bundesländer in die Pflicht.
Arbeitsagentur-Chefin Andrea Nahles hat die Bundesländer aufgefordert, Daten über Schulabbrecher an die Behörde weiterzuleiten. "Die Bundesagentur verfügt bis heute nicht einmal vollumfänglich über die Daten derjenigen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, obwohl wir die seit Jahren einfordern und es dafür seit 2020 sogar eine bundesgesetzliche Grundlage gibt", sagte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Bremen, Hamburg und Bayern stellen uns alle Daten zur Verfügung, alle anderen nicht."
20 Prozent der Schulabbrecher sind ohne Job
Jedes Jahr verließen 47.000 junge Leute die Schule ohne Abschluss, sagte Nahles. "Wenn Sie wissen, dass die Arbeitslosenquote von Menschen ohne Schul- und Berufsabschluss bei rund 20 Prozent liegt, die von solchen mit Schul- und Berufsabschluss aber nur bei drei Prozent, ahnen Sie, welche Herausforderungen uns das Bildungssystem Jahr für Jahr aufbürdet."
Die Berufsorientierung in der Schule müsse viel früher anfangen, "am besten schon in der fünften Klasse", sagte Nahles. Regelmäßige Berufspraktika müssten in allen Schulformen Pflicht werden, forderte die Arbeitsagentur-Chefin.
"Die Uhr tickt" bei der Kindergrundsicherung
Entschiedeneres Handeln forderte Nahles auch bei der Diskussion um die Kindergrundsicherung. Sie warnte vor einer weiteren Verzögerung der Pläne durch die Ampel-Koalition. "Wenn die Bundesregierung die Kindergrundsicherung in dieser Legislatur noch umsetzen will, dann muss ich leider sagen: Die Uhr tickt und zwar ganz laut", sagte Nahles. "Wir haben von Anfang an deutlich gemacht, dass wir mehr als ein Jahr für die Umsetzung brauchen werden. Oder anders gesagt: Kommt zu Potte!"
Die Kindergrundsicherung soll bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder den Kinderzuschlag bündeln. Über das Vorhaben hatte es innerhalb der Koalition im vergangenen Jahr heftigen Streit vor allem zwischen Grünen und FDP gegeben.
Starttermin wird nach Kritik überprüft
Den Gesetzentwurf hat das Kabinett im September verabschiedet - mit dem Ziel, dass die Kindergrundsicherung am 1. Januar 2025 in Kraft tritt. Diesen Starttermin hatte die Bundesagentur für Arbeit für nicht machbar erklärt. Auch der Bundesrat lehnte Teile der Reform aus Angst vor Doppelstrukturen in der Verwaltung ab. Daher kündigte die Bundesregierung Anfang Dezember an, den Zeitplan zu überprüfen.
Der 1. Januar 2025 als Startzeitpunkt sei ja vom Tisch, sagte Nahles. "Zuletzt war durch die Koalition anvisiert worden, dass das Gesetz im Februar den Bundesrat erreicht." Ob das realistisch sei, wisse sie nicht, fügte die frühere Bundesarbeitsministerin und ehemalige SPD-Chefin hinzu. Aus Sicht der Bundesagentur ist aus finanziellen, technischen und organisatorischen Gründen ein Start frühestens Anfang Juli 2025 möglich.
Nahles: Arbeitsmarkt spaltet sich auf
Nahles äußerte sich auch zur angespannten Konjunkturlage. Diese wird ihr zufolge in den kommenden Monaten Folgen für den Arbeitsmarkt haben. "Wir erleben schon seit März 2023, dass die schwache Konjunktur Spuren hinterlässt und gehen davon aus, dass dieser Trend auch noch einige Monate anhalten wird", sagte Nahles. Besonders betroffen seien das verarbeitende Gewerbe sowie der Handel und Hochbau.
Um Arbeitskräfte zu halten, griffen viele Unternehmen auf die Kurzarbeit zurück. "Die Zahl der Arbeitnehmer in konjunktureller Kurzarbeit ist zuletzt wieder leicht angestiegen", sagte die BA-Chefin. Ihren Angaben zufolge kletterte die Zahl der Kurzarbeiter von 111.000 im August 2023 auf 179.000 im Oktober. Neuere Zahlen gibt es dem Bericht zufolge nicht. "Wir liegen damit über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre, aber die Situation ist noch stabil", sagte Nahles.
Die Frage, ob Menschen wieder Angst um ihren Job haben müssten, beantwortete Nahles mit "nein und ja". "Mit 5,7 Prozent haben wir immer noch eine niedrige Arbeitslosenquote. Allerdings haben Geringqualifizierte, die jetzt ihren Arbeitsplatz verlieren, wesentlich schlechtere Chancen auf einen neuen Job."
Wer hingegen über gute oder sehr gute Qualifikationen verfüge, habe weiterhin alle Möglichkeiten. "Der Arbeitsmarkt spaltet sich immer stärker auf und wir sehen einen zweigeteilten Arbeitsmarkt: Einerseits ein zunehmender Engpass bei Fachkräften. Andererseits das Risiko einer sich weiter verfestigenden Arbeitslosigkeit, gerade dann, wenn verwertbare Qualifikationen fehlen", so Nahles.