Mutmaßlicher Anschlagsversuch Sind unsere Nachrichtendienste gut genug?
Beim mutmaßlich geplanten Anschlag auf die israelische Botschaft kam der Hinweis auf den Beschuldigten von einem ausländischen Geheimdienst - wieder einmal. Brauchen unsere Nachrichtendienste mehr Befugnisse?
Anfang der vergangenen Woche soll der erste Hinweis auf den 28-jährigen Libyer beim Bundesamt für Verfassungsschutz eingegangen sein - von welchem ausländischen Nachrichtendienst er kam, ist nicht bekannt. Oftmals kommen derartige Hinweise von den amerikanischen Geheimdiensten, aber nicht nur.
Immer wieder sind es auch die Herkunftsländer von Terrorverdächtigen, die Hinweise an die deutschen Sicherheitsbehörden geben. Wenn es einen Bezug zu Israel gibt, wie in diesem Fall, sind häufig auch die israelischen Geheimdienste der Hinweisgeber.
In diesem Fall wurde offenbar die Kommunikation eines IS-Mitglieds - wo auch immer - von einem ausländischen Geheimdienst überwacht. Auf diese Weise ist der 28-jährige aus Bernau bei Berlin auf dem Radar erschienen. Bis dahin war er den deutschen Sicherheitsbehörden, sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene in Brandenburg, offenbar nicht als Extremist bekannt.
Hinweise kommen regelmäßig aus dem Ausland
Dass Hinweise auf Terrorverdächtige und angeblich oder tatsächlich geplante Anschläge in Deutschland von ausländischen Nachrichtendiensten kommen, ist tatsächlich nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel. Schaut man sich die Ausgangslage in den vergangenen Jahren an, dann gab es kaum einen relevanten Fall im Bereich des islamistischen Terrorismus, in dem der entscheidende Hinweis auf eine Person in Deutschland nicht aus dem Ausland gekommen wäre.
Bereits 2006 war es ein nordafrikanischer Dienst, der Deutschland über die Identität des als "Kofferbomber" bekannt gewordenen Terroristen im Ballack-Trikot hinwies. 2007 kam der Hinweis auf die sogenannte Sauerlandgruppe, die ebenfalls einen großen, islamistisch motivierten Terroranschlag in Deutschland plante, vom US-Geheimdienst CIA.
Auch der Hinweis auf einen mit dem Giftstoff Rizin geplanten Anschlag in Köln 2018 kam von den Amerikanern. Hier waren es insbesondere die Rizin-Bohnen, die in großer Menge im Internet bestellt wurden, in Verbindung mit weiteren Utensilien, die beim Internet-Monitoring der US-Geheimdienste auffielen. In der jüngeren Vergangenheit ging es häufig darum, dass Kommunikation abgefangen wurde, wie auch im aktuellen Fall.
Ein Geben und Nehmen
Die Regel ist auch, dass jedes Mal eine Debatte darüber entbrennt, ob unsere Nachrichtendienste über ausreichend Befugnisse verfügen, um selbst relevante Hinweise auf Terrorplanungen zu generieren. Dabei ist einerseits von Bedeutung, dass vor allem in Deutschland jedes Mal öffentlich wird, wenn ein Hinweis eines ausländischen Nachrichtendienstes geholfen hat, einen mutmaßlichen oder tatsächlichen Anschlagsplan zu verhindern. In anderen Ländern wird das meist nicht öffentlich, obwohl auch andere Länder von derartigen Hinweisen profitieren.
Dadurch entsteht immer wieder der Eindruck, dass nur die deutschen Dienste auf Hinweise anderer angewiesen sind. Dabei basiert das Geschäft der Geheimdienste auf Geben und Nehmen - Hinweise auf Terrorplanungen bekommen nicht nur die deutschen. Im Gegenzug bleibt aber geheim, in welchem Umfang andere auch von Hinweisen oder Erkenntnissen der deutschen Dienste profitieren.
Es ist ein echtes Problem für die deutschen Sicherheitsbehörden, dass die Hinweisgeber hierzulande fast immer öffentlich werden. Im Ausland sorgt das regelmäßig für Verärgerung. Je brisanter die Information, desto größer die Verärgerung, wenn sie öffentlich wird. Um so mehr, wenn das Rückschlüsse auf operative Maßnahmen des ausländischen Geheimdienstes zulässt. Auch der IS dürfte genau analysieren, auf welche Weise und in welchen Fällen Terrorplanungen in der Vergangenheit aufgeflogen sind.
Mehr Beinfreiheit
Dennoch steht fest, dass deutsche Nachrichtendienste nicht in der obersten Liga spielen, wenn es um operativ verwertbare Informationen geht. Das Bonmot, der BND sei der "Vegetarier unter den Geheimdiensten", bringt das in gewisser Weise zum Ausdruck. Bruno Kahl, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, betonte bei der öffentlichen Anhörung der Nachrichtendienste durch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages vor zwei Wochen, dass er sich "mehr operative Beinfreiheit" wünsche.
Dabei geht es am Ende um zwei Dinge: die Arbeit der deutschen Dienste ist stark reguliert, es gibt zahlreiche Dokumentations- und Genehmigungspflichten, die das Geschäft mühsam gestalten. Allerdings hat sich der Gesetzgeber dabei ziemlich genau an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientiert.
Mindestens so wichtig ist jedoch eine grundlegende Frage: Was wollen wir überhaupt mit unseren Nachrichtendiensten? Sind diejenigen, die politisch Verantwortung tragen, auch bereit, die Risiken in Kauf zu nehmen, die mit geheimdienstlichen Operationen verbunden sein können? Geht etwas schief, kann das auch bedeuten, dass jemand zurücktreten muss.