Reaktionen auf Bund-Länder-Treffen "Alles zu weich" oder ein "Meilenstein"?
"Das reicht noch nicht", findet Bayerns Ministerpräsident Söder mit Blick auf die Bund-Länder-Einigung zur Migration. Ruhe bitte und Beschlüsse umsetzen, meint dagegen Grünen-Chef Nouripour. Von einem "Meilenstein" spricht die FDP.
Nach monatelangem Tauziehen haben sich Bund und Länder auf eine neue Verteilung der Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen geeinigt. Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach der Einigung in der Nacht von einem "historischen Moment" sprach, fällt das Fazit unter den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten deutlich nüchterner aus.
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, sprach von einem "wichtigen ersten Schritt", dem weitere folgen müssten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sieht die Ergebnisse zwar als Fortschritt. Sie reichten aber nicht aus, so der CSU-Chef. "Der irreguläre Migrationsdruck muss unverzüglich und umfassend begrenzt werden."
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sah hingegen eine große Entlastung für die Kommunen. "Es ist gelungen, unter diesen schwierigen Bedingungen für die Kommunen noch einmal einen wesentlichen zusätzlichen Erstattungsbetrag miteinander zu vereinbaren", sagte der SPD-Politiker nach den Beratungen.
Die Regierungschefs der Bundesländer und Scholz hatten bis in den Dienstagmorgen verhandelt. Ihre Einigung sieht unter anderem eine Systemumstellung bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten vor.
FDP-Fraktionschef Dürr: "Ein Meilenstein"
Die Ampelkoalition zeigt sich weitgehend zufrieden mit den Beschlüssen. Vor allem aus der FDP kommt Lob für die Einigung zur Finanzierung. Die geplante Einschränkung bei den Leistungen für Asylbewerber könne zu Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro führen, so Bundesfinanzminister Christian Lindner. Dadurch würden nicht nur Länder und Kommunen entlastet. "Durch diese Maßnahme wird auch die Anziehungskraft des deutschen Sozialstaats reduziert", so der FDP-Chef.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr bezeichnete es als "Meilenstein" in der deutschen Migrationspolitik, dass ein Teil der Leistungen für Asylbewerber künftig als Guthaben auf einer Bezahlkarte gewährt werden sollen.
Grünen-Chef Nouripour: "Ruhe reinbringen"
Die Beschlüsse seien auch für die Grünen tragbar, sagte Parteichef Omid Nouripour. "Es gibt jetzt deutlich mehr Planungssicherheit und deutlich mehr Geld für die Kommunen", sagte er im ARD-Morgenmagazin und mahnte: "Jetzt mal Ruhe reinbringen und umsetzen, das ist jetzt das Gebot." Alle Beteiligten hätten sich bewegt - auch die Unionsseite. Deshalb könne er nicht verstehen, wenn CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann unmittelbar nach den Beschlüssen neue Forderungen aufstelle.
Linnemann: "Das ist alles zu weich"
Linnemann hatte im ARD-Morgenmagazin die Einigung kritisiert: "Wir können jetzt nicht jahrelang warten, bis die europäische Außengrenze wirklich geschützt wird, sondern da müssen wir auch an unseren Grenzen Kontroll- und Transitzentren einführen", forderte Linnemann. Asylbewerber sollten erst auf die Kommunen verteilt werden, wenn ein Bleiberecht bestehe. Zudem solle der Familiennachzug eingeschränkt und Asylverfahren in Drittstaaten durchgeführt werden. "In dem Papier heute Nacht steht drin, wir wollen das alles prüfen", sagte der CDU-Politiker. "Das ist alles zu weich."
Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte die Beschlüsse: "Das bringt keine Asylwende", sagte Dobrindt dem BR. Die Kommunen wüssten nicht mehr weiter bei der Unterbringung, sagte der CSU-Politiker. Er forderte, nur noch bis zu einer Obergrenze von 100.000 Menschen Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnete die Einigung als einen "rabenschwarzen Tag" für Kommunen, Bürgermeister und Landräte. Bartsch forderte höhere Steuern für Superreiche. "Deutschland ist zweifellos am Limit. Daher brauchen die Kommunen maximale Unterstützung. Die Kosten sollten nicht länger vom normalen Steuerzahler getragen werden", sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Bundestag, Bernd Baumann, führt die Vereinbarungen zur Begrenzung der Migration auf seine Partei zurück. Die "fast panikhaften Versuche" von Union und SPD, sich bei der Migration auf öffentlicher Bühne zu einigen, sei den Wahlerfolgen der AfD geschuldet.
Deutscher Städtetag: "Dieses Gezerre ist fürchterlich"
Der Deutsche Städtetag sieht Licht und Schatten bei den Bund-Länder-Beschlüssen. Positiv zu bewerten sei die geplante Pro-Kopf-Pauschale des Bundes pro Asylerstantragsteller, sagte Vizepräsident Burkhard Jung im Deutschlandfunk. Allerdings seien die verabredeten 7.500 Euro "deutlich zu wenig". Jung, der auch Leipziger Oberbürgermeister ist, hofft auf eine unbürokratische Lösung für die geplanten Bezahlkarten.
Jung kritisierte die zähen Verhandlungen. "Dieses Gezerre ist fürchterlich zwischen Bund und Ländern", sagte er. Jung erneuerte zugleich den Anspruch der Kommunen, bei solchen Verhandlungen dabei zu sein. "Wir gehören an den Tisch. Ich werde nicht müde, das zu fordern."
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund wertete die Beschlüsse von Bund und Ländern als "Schritte in die richtige Richtung". Die Bereitschaft des Bundes, 7.500 Euro pro Jahr und pro Asylbewerber zu zahlen, sei eine "deutliche Entlastung, auch für die Kommunen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Landsberg warnte zugleich davor, "den jetzt notwendigen Umsetzungsprozess zu verzögern und die richtigen Ziele wieder klein zu reden". Auch dürfe man sich nicht der Illusion hingeben, dass jetzt kurzfristig ein deutlicher Rückgang der Zuzugszahlen zu erwarten sei.