Ein Mann installliert ein Abflussrohr.

Geringfügige Beschäftigung Mini Job, großes Problem?

Stand: 27.07.2023 09:19 Uhr

Für Studierende oder Rentner ist ein Minijob eine gute Möglichkeit, das Einkommen aufzubessern. Doch die "geringfügige Beschäftigung" hat Schattenseiten.

Von Lisa Christl, SR

Gunter Felten ist 63 Jahre alt und Minijobber. Der ehemalige Bergmann arbeitet zehn Stunden die Woche in einem Pflegeheim im saarländischen Ensdorf. Als Hausmeister ist er für die Wartung und Reparaturen der technischen Geräte verantwortlich. Eine berufliche Laufbahn, die er sich so nicht vorstellen konnte: "Ich musste frühzeitig in Rente gehen, aber das Geld ist irgendwann alle."

38 Jahre lang hat Felten unter Tage gearbeitet. 2009 nahm der Saarländer einen Minijob als Hausmeister an, den er bis heute gerne macht. Auch das Pflegeheim ist froh, ihn zu haben. Aber seine Chefin Katharina Heintz sieht eine problematische und neue Entwicklung: "Viele Mitarbeiter arbeiten bei uns in Teilzeit und machen zusätzlich in einer anderen Einrichtung einen Minijob, weil es sich finanziell mehr für sie lohnt als eine Vollzeitstelle bei uns anzunehmen." Aus Sicht der Heimleiterin ist das ein Fehler im System.

Tatsächlich zeichnet sich ein Trend ab, denn für etwas mehr als 3,2 Millionen Menschen in Deutschland ist der Minijob ein Nebenjob. Das sind laut Bundesagentur für Arbeit rund 5,3 Prozent mehr als noch im Vorjahr.

Minijob

Minijobs sind geringfügige Beschäftigungen mit höchstens 520 Euro monatlichem Arbeitsentgelt oder einem Arbeitseinsatz von maximal 70 Tagen pro Kalenderjahr. Durch fehlende Beiträge zu den Sozialversicherungen sichern Minijobs sozial nicht ab. Wer langfristig als einzige Erwerbstätigkeit einen Minijob ausübt, hat im Alter nur einen sehr geringen Rentenanspruch, da der Pflichtbeitrag entsprechend der geringen Arbeitszeit sehr niedrig ist. In vielen Fällen heißt das: Minijobberinnen und Minijobber haben ein hohes Risiko für Altersarmut.

Hauptberuflich Minijobber

Nach Ansicht der Gewerkschaften gibt es noch weitaus mehr Fehler im System. Mittlerweile ist in Deutschland jeder zehnte Minijobber im Haupterwerb, so die Zahlen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Spitzenreiter sind demnach Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und das Saarland. Dort arbeiten mehr als 12,5 Prozent der Angestellten hauptberuflich als Minijobber. Für viele Beschäftigte biete sich in den meisten Branchen aber keine Alternative.

"Die Menschen brauchen diese Jobs und es werden wenig andere angeboten", sagt Timo Ahr. Er ist Vize-Vorsitzender des DGB Rheinland-Pfalz/Saar. Oftmals sei es aber auch das Geschäftsmodell des Unternehmens, das auf Minijobs beruhe. "Und da kommen viele schwer raus, weil häufig auch mit der Kündigung gedroht wird. Das ist ein Teufelskreis."

Diese Zwänge offenbaren aber nur einen Nachteil. Viele Beschäftigte könnten aufgrund ihrer Qualifikation durchaus dem herrschenden Fachkräftemangel abhelfen, glaubt die Gewerkschaft. "Es gilt der Mythos, dass viele Minijobs von Hilfskräften ausgeübt werden", sagt Gewerkschafter Ahr. Studien hätten aber gezeigt, dass es viele Fachkräfte seien. Das sind "hochqualifizierte Menschen, die ihr Potenzial im Unternehmen heben und eine andere Tätigkeit ausüben sollten".

Entgegen der Erwartungen der Politik haben Minijobs laut DGB auch keinen "Sprungbrett-Effekt". Mitarbeiter würden eher Qualifikationen verlieren, als in eine reguläre Beschäftigung im selben Unternehmen überzugehen. Die Betroffenen würden demnach lange in prekären Arbeitsverhältnissen bleiben.

Unternehmen schätzen Minijobs

Die Arbeitgeber sehen das anders. Aus Sicht der Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände sind Minijobs ein wichtiges Instrument, um den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren.

Unternehmen hätten mit Minijobs die Möglichkeit, Menschen anzustellen, die für eine Voll- oder Teilzeitstelle nicht verfügbar seien, sagt Verbandsgeschäftsführer Jens Colling. "Dies gilt beispielsweise für Rentner, die weiter in einem zeitlich begrenzten Rahmen beruflich aktiv bleiben wollen. Oder Frauen, die nach einer Familienzeit schrittweise wieder in den Job zurückkehren möchten."

Viele Frauen in Minijobs

Und genau das kritisieren die Gewerkschaften, denn deutschlandweit sind knapp 60 Prozent der Minijobs von Frauen besetzt. "Minijobs führen zu Mindereinnahmen im ohnehin schon klammen Sozialversicherungssystem, da sie sozialversicherungspflichtige Jobs verdrängen", sagt Timo Ahr. Der DGB fordert deshalb eine Sozialversicherungspflicht für diese Art der Beschäftigung.

Minijobber gelten nach dem Arbeitsrecht als Teilzeitbeschäftigte und haben somit eigentlich die gleichen Rechte wie Vollzeitbeschäftigte. Dazu zählen etwa der Kündigungsschutz oder das Mutterschaftsgeld. Laut Bundesagentur für Arbeit und des DGB zeige die Praxis aber, dass vielen Angestellten diese Rechte verwehrt würden.

Jens Colling vom Unternehmensverband entgegnet: "Geltendes Recht ist natürlich einzuhalten. Wenn es Unternehmen geben sollte, die dagegen verstoßen, gibt es wie in anderen Fällen auch die Möglichkeit, sich rechtlich dagegen zu wehren. Das ist aber kein Grund, das Instrument Minijob an sich in Zweifel zu ziehen."

In Deutschland gibt es aktuell rund 7,5 Millionen Minijobber, Tendenz steigend. Einer von ihnen ist Gunter Felten. Auf seinen Minijob will er nicht verzichten. In Voll- oder Teilzeit möchte der Rentner hingegen nicht mehr arbeiten. Den Hausmeisterjob im Pflegeheim mache er nur noch, weil es Spaß mache.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. Juli 2023 um 23:20 Uhr.