Rückzug von Malu Dreyer Abgang einer Bürgernahen
Seit elf Jahren ist Malu Dreyer Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, nun gibt sie das Amt an ihren Sozialminister Alexander Schweitzer ab. Wie stellt sich die SPD in dem Bundesland auf?
Man habe es mit einer Ministerpräsidentin zu tun, die bei den Sozialdemokraten "fast schon den Status einer Heiligen" genieße - das schrieb im Oktober 2012 eine Regionalzeitung, nachdem der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck seinen Rückzug angekündigt und den Weg für Malu Dreyer ins Amt der Ministerpräsidentin freigemacht hatte.
Nun hat eine Ministerpräsidentin ihren Rückzug angekündigt, die zwar immer noch populär ist - deren Ansehen aber seit der Flutkatastrophe im Ahrtal erheblichen Schaden genommen hat. Dreyer wurde vor einen Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags zitiert. Ihr Innenminister trat zurück.
Vergeblich hatten in der Zeit nach diesem monumentalen Schreckensereignis vor drei Jahren Betroffene und Beobachter auf eine Entschuldigung der Ministerpräsidentin gehofft. Doch die gab es von Dreyer nicht.
"Meine Kraft ist endlich"
Dreyer selbst erklärte in einer Pressekonferenz, ihr Rückzug sei eine "schwere Entscheidung" gewesen. Nach mehreren Wochen, in denen sie neben einem anspruchsvollen Amt auch im Wahlkampf gesteckt habe, sei sie an ihre Grenzen gekommen und habe feststellen müssen, dass ihre Kraft endlich sei: "Meine Akkus laden sich nicht mehr so schnell auf." Die 63-Jährige leidet an Multipler Sklerose und hatte diese Erkrankung bereits vor vielen Jahren öffentlich gemacht.
Sie wisse, sagte Dreyer, dass es nach Ansicht politischer Beobachter keinen besseren Zeitpunkt als den jetzigen für ihren Rücktritt gebe. "Sie müssen mir glauben, das hat damit nichts zu tun." Sie sei nicht amtsmüde, so Dreyer. Aber: "Ich musste jetzt erkennen, die Kraft geht zu Ende, und das Land hat verdient, dass jemand mit ganz viel Kraft das Amt übernimmt."
Amtsbonus für Alexander Schweitzer
Nun macht die 63-jährige Sozialdemokratin Platz für Arbeits- und Sozialminister Alexander Schweitzer. Neben Schweitzer waren auch Innenminister Michael Ebling und die derzeitige Chefin der Landtagsfraktion, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, für die Nachfolge von Dreyer gehandelt worden.
Dass Dreyers Wunsch-Nachfolger nun der aktuelle Arbeits- und Sozialminister ist, überrascht nicht: "Alexander Schweitzer ist in der Partei bekannt, beliebt und gut vernetzt - im Land und im Bund", so die Einschätzung des landespolitischen SWR-Korrespondenten Frederik Merx. "Als Sozialminister kennt er die Arbeit am Kabinettstisch, als langjähriger Fraktionsvorsitzender auch die Besonderheiten des rheinland-pfälzischen Landtags. Deshalb ist es keine Überraschung, dass die Wahl auf ihn fällt."
Mit ihrem vorzeitigen Rückzug gibt Dreyer ihrem Minister ausreichend Zeit, sich in der neuen Rolle politisch warmzulaufen - gut eineinhalb Jahre vor der nächsten Landtagswahl im Frühjahr 2026. Es wird erwartet, dass sich Schweitzer noch vor der parlamentarischen Sommerpause im Landtag zur Wahl als Ministerpräsident stellt, voraussichtlich am 10. Juli.
Wer ist der "Neue"?
Der 50-jährige Alexander Schweitzer ist hervorragend verankert in der SPD: Bei der Wahl der stellvertretenden Landesvorsitzenden hatte er das beste Ergebnis eingefahren. Schweitzer stammt aus dem südpfälzischen Landau.
Seit der Regierungsbildung nach der Landtagswahl 2021 ist er im rheinland-pfälzischen Kabinett vertreten. Nicht zum ersten Mal: Bereits in den Jahren 2013 und 2014 war Schweitzer Minister gewesen. Zwischenzeitlich war er Fraktionschef der SPD im Landtag, bringt Erfahrung und gute Vernetzung mit.
Seine Themen: Krankenhäuser auf dem Land erhalten, eine Landarztquote, um die gesundheitliche Versorgung zu sichern, und nachhaltige Mobilität schaffen, indem stillgelegte Schienenstrecken reaktiviert werden.
Dreyers Nachfolger Alexander Schweitzer ist hervorragend verankert in der SPD.
Authentische Sozialpolitikerin
Zweimal wurde Dreyer in Rheinland-Pfalz zur Ministerpräsidentin gewählt. Seit 2013 stand sie an der Spitze der Landesregierung, zunächst in einer rot-grünen Koalition, seit 2016 in einer Ampelkoalition.
Begonnen hatte die Karriere der studierten Juristin in Bad Kreuznach, wo Dreyer zunächst als Staatsanwältin arbeitete. 1995 wurde sie zur hauptamtlichen Bürgermeisterin der Stadt gewählt. Von 1997 bis 2002 war die Pfälzerin Sozialdezernentin der Stadt Mainz.
Der damalige Ministerpräsident Kurt Beck holte sie 2002 in sein Kabinett als Ministerin für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit. In diesem Amt feierte Dreyer 2012 ihr zehnjähriges Dienstjubiläum. 2013 kam dann die Wahl zur Ministerpräsidentin.
Bundesweit bekannt wurde Dreyer zwischen 2017 und 2019 in ihrer Rolle als stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende. Zu Hause dagegen schätzte man sie als authentische Sozialpolitikerin.
Dreyer untermauerte das nicht zuletzt durch die Wahl ihres eigenen Lebensmittelpunktes: Seit zwanzig Jahren lebt die Ministerpräsidentin mit ihrem Mann, dem ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Trier, im "Schammatdorf" - einem integrativen Quartier, das seit den 1980er-Jahren mit diesem Ansatz als vorbildlich gilt.
Geordneter Rückzug für reibungslosen Machterhalt
Über einen Schritt Dreyers, wie er heute bekannt wurde, war in Rheinland-Pfalz schon länger spekuliert worden. Er zeigt einmal mehr, dass die rheinland-pfälzischen Sozialdemokraten nichts dem Zufall überlassen.
Im eigentlich konservativ geprägten Rheinland-Pfalz versuchen sie ein weiteres Mal, ihren politischen Machterhalt durch Aufbau und Vorhalten einer geeigneten Führungsreserve zu zementieren: Genau so, wie 2013 Dreyer zum Zuge kam, als Beck nach fast zwei Jahrzehnten das Amt des rheinland-pfälzischen Regierungschefs an sie abgab, soll nun Arbeits- und Sozialminister Schweitzer Dreyer beerben.
Dass Dreyer ihren Sozialminister als Nachfolger auserkoren hat, ist für politische Beobachter keine Überraschung. "Nah bei de Leut" sein, hatte Kurt Beck seinen Politikstil einst bezeichnet. Dreyer hat ihn fortgeführt.
Für Alexander Schweitzer heißt das nun: Er muss an die einst hohen Beliebtheitswerte seiner Vorgängerin anknüpfen. Nach Einschätzung des Trierer Politikwissenschaftlers Uwe Jun wird das keine leichte Aufgabe. Schweitzer müsse sich "Sympathie durch Empathie" erarbeiten, so Jun. "Er muss auch diese Koalitionsregierung weiterführen, die bisher geräuschlos gearbeitet hat. Dafür kann er die Vorlaufzeit mit Amtsbonus gut gebrauchen."
Alexander Schweitzer selbst sagte, er sei dankbar für das Vertrauen. "Die freundlichen und zugewandten Rückmeldungen aus unserer Koalition geben mir Kraft." Er stehe für diese Koalition. "Ich habe in meiner Arbeit als Fraktionsvorsitzender zweimal Koalitionsverträge für unsere Koalition aus SPD, FDP und Grünen ausverhandelt."
Er wolle die Koalition nicht nur fortsetzen, sondern weiter so arbeiten, dass man 2026 vor die Wählerinnen und Wähler treten und sagen könne: "Wir möchten in dieser Regierungskonstellation weitermachen. Das ist mein inneres Ziel." Schweitzer hat nun eineinhalb Jahre Zeit, es zu versuchen.