Finanzminister Lindner Angeschlagen nach São Paulo
Beim heute beginnenden G20-Finanzministertreffen in São Paulo wird Lindner darüber reden müssen, wie sich die weltweite Wirtschaftslage verbessern lässt. Dabei hat er selbst viele eigene Baustellen.
Das Treffen der Finanzminister der G20-Staaten wird für Christian Lindner kein einfaches werden. Die Lage ist angespannt, der Angriffskrieg auf die Ukraine und seit Monaten auch der Krieg in Israel belasten die Wirtschaft weltweit. Der Internationale Währungsfonds rechnet für dieses Jahr mit einem globalen Wachstum von 3,1 Prozent. Besonders Europa schwächelt und die Bundesregierung erwartet, dass die deutsche Wirtschaft nur um 0,2 Prozent wachsen wird.
Lindner wird sich von seinen Finanz-Kollegen bei dem Treffen die Frage stellen lassen müssen, was er tun wird, um die deutsche Wirtschaft anzukurbeln. Formulierungen wie "kranker Mann Europas" wird Lindner sicherlich von sich weisen, aber durchaus zu hören bekommen.
Bundesbankchef: Schwächephase hält an
Mit wenig Rückenwind fährt Lindner also nach São Paulo, begleitet von Bundesbankchef Joachim Nagel. Auch der klingt derzeit nicht optimistisch. Die Weltwirtschaft wachse derzeit verhalten, sagte er gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio.
Ein wesentlicher Grund für die Wachstumsschwäche sei Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Die damit einhergehenden hohen Energiepreise haben deutliche Bremsspuren in der Wirtschaft hinterlassen. Die Notenbanken mussten in vielen Regionen der Welt mit höheren Zinsen der Inflation entgegenwirken. Deutschland ist als große offene Volkswirtschaft von den Folgen dieses Krieges besonders betroffen."
Er gehe davon aus, dass diese Schwächephase der deutschen Wirtschaft noch anhalten werde. "Im Laufe des Jahres sollte die Wirtschaft dann allmählich wieder Tritt fassen", sagt Nagel. "Der Rückgang der Inflation und hohe Lohnabschlüsse stützen die Kaufkraft der privaten Haushalte und die Auslandsnachfrage sollte wieder zulegen." Die Unternehmen würden diese Herausforderung wie Digitalisierung oder Energiewende meistern, da sei er zuversichtlich.
Appell an die Politik
Allerdings sei es nun an der Politik, diese Rahmenbedingungen zu verbessern, kritisiert Nagel. Da ist nun wieder Finanzminister Lindner an der Reihe. Der schaut gerade auf viele Baustellen: Das "Wachstumschancengesetz", das die deutsche Wirtschaft ankurbeln soll, liegt derzeit auf Eis, von der Union blockiert.
Einen gemeinsamen Wirtschaftsplan von ihm und seinem Koalitionspartner, Wirtschaftsminister Robert Habeck, wie man die Wirtschaft ankurbeln kann, gibt es nicht. Zu unterschiedlich ist derzeit die Herangehensweise, was sinnvoll ist. Klar ist jedoch, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die Wirtschaft noch lange belasten wird.
Tabu-Thema Angriffskrieg in Ukraine
Doch der Krieg gegen die Ukraine oder auch der Krieg in Israel wird von der brasilianischen G20-Präsidentschaft als Thema bei dem Treffen offenbar an die Seite geschoben. Dadurch sollen Fortschritte in den Gesprächen erzielt und Konflikte vermieden werden, heißt es.
Denn beim Treffen vor einem Jahr in Indien gelang es den G20-Staaten nicht, sich auf eine gemeinsame Abschlusserklärung zu einigen. Zu unterschiedlich waren die Haltung zu Russlands Krieg in der Ukraine. So sperrte sich das G20-Land China gegen eine Verurteilung. Vielmehr will Brasilien über die globale Ungleichheit sprechen, die Verschuldung vieler Entwicklungs- und Schwellenländer sowie internationale Besteuerung.
Eingefrorene russische Gelder
Auch ein weiteres Thema sorgt für Gesprächsstoff: die eingefrorenen Vermögenswerte aus Russland. Die amerikanische US-Finanzministerin Janet Yellen macht nun im Vorfeld des G20-Treffens Druck, dass die Gelder nun genutzt werden müssten, um der Ukraine zu helfen. Derzeit sind das rund 285 Milliarden US-Dollar.
Vor allem die westlichen G7-Staaten werden darüber am Rande des G20-Treffens in São Paulo beraten. Beschlüsse dazu soll es nicht geben. Nach wie vor gibt es Vorbehalte und vor allem rechtliche Bedenken unter den Staaten.