Kommunen in der Schuldenfalle Arm dran
Immer tiefer stecken viele Städte und Gemeinden in der Schuldenfalle. Mit Folgen, auch für die Lebensqualität vor Ort. Das Sparpotenzial ist oft ausgereizt. Aber ist das Problem wirklich nur mit Geld zu lösen?
Planschen im neu geplanten Schwimmbad, Bücher ausleihen oder mit Freunden im Jugendzentrum abhängen: Das sind Angebote für die rund 16.000 Menschen im Städtchen Hückeswagen in der Nähe von Köln, auf die man eigentlich nicht verzichten will. Obwohl man das eigentlich müsste.
Denn wie viele andere Kommunen ist die Stadt seit Jahren verschuldet. Für die Kämmerin der Stadt, Isabel Bever, gibt es vor allem ein Problem: "Die Kommunen sind seit den achtziger Jahren strukturell unterfinanziert und da muss sich etwas im Kern des Problems ändern und nicht nur an den Symptomen."
Teure Pflichtaufgaben
Bever beschreibt einen Teufelskreis. So müsse Hückeswagen zum Beispiel eine Umlage an den Kreis abgeben. Der geforderte Betrag würde aber noch nicht einmal durch die Steuereinnahmen der Stadt gedeckt werden. Hinzu kämen immer wieder zusätzliche Aufgaben, die die Kommune finanziell zu stemmen habe. Wohngeld, Klimaschutz und Mobilität sind nur einige Beispiele. Bei diesen Aufgaben handelt es sich um sogenannte Pflichtaufgaben, die die jeweilige Kommune gesetzlich erledigen muss. Hier hat die Stadt wenig eigenen Gestaltungsspielraum.
An anderer Stelle, etwa beim Personal, wurden bereits Sparmaßnahmen umgesetzt. Das bereite der Stadt mit Blick auf den Fachkräftemangel aber schon jetzt Probleme, so die Kämmerin.
Letztes Sparpotenzial gäbe es nur noch bei freiwilligen Aufgaben der Kommune, also vor allem bei Sport- und Kulturangeboten. Das hätte für Bürgerinnen und Bürger einen Verlust an Lebensqualität zur Folge. Im Falle von Hückeswagen ganz konkret: kein neues Schwimmbad, keine Stadtbibliothek und kein Jugendzentrum mehr.
Der Schuldenberg wächst
Hückeswagen ist damit als Kommune nicht allein. Die Ende Juni veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen: Die Verschuldung der Kommunen stieg im ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Jahresende um 2,7 Milliarden Euro.
Für Kämmerin Bever ist klar: "Eine Stadt ist ein Lebensraum für Menschen, da fällt nichts vom Himmel. Ob es die Straße, die Laterne oder die Behördenleistung ist. Alles, was wir haben wollen, kostet etwas. Auch die Bürgerinnen und Bürger müssen dieses Bewusstsein haben."
Und gleichzeitig kann ihrer Meinung nach nicht alles so bleiben, wie es ist: "Wir brauchen Reformen und müssen uns die Fragen stellen: Welche öffentlichen Aufgaben müssen zukünftig auf welcher staatlichen Ebene stattfinden, damit sie am effektivsten erledigt werden können?" Die Kämmerin sieht den Bund bei gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie zum Beispiel Klimaschutz in der Verantwortung.
Ein Vorschlag, den auch der Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund begrüßen würde. Der Haken: Dafür braucht es unter anderem eine Änderung im Grundgesetz - wozu ein Zweidrittelmehrheit im Bundesrat und Bundestag nötig ist. Als Vorbild könne, so Landsberg, der Küstenschutz dienen, der als Gemeinschaftsaufgabe bereits zwischen Bund und Ländern aufgeteilt ist.
Nicht allein eine Geldfrage
Auch die Politikwissenschaftlerin Paula Tuschling von der Universität Bonn sieht Reformbedarf. Aber was der Städte- und Gemeindebund vorschlägt, kritisiert sie als unrealistisch: "Wird die Neuverteilung von Aufgaben nicht grundlegend reformiert und auf weitere Politikfelder ausgedehnt, befördert die Hinzunahme neuer Gemeinschaftsaufgaben eher eine weitere Verflechtung zwischen Bund, Ländern und Kommunen, was die Entscheidungen komplizierter und unübersichtlicher macht."
Ihrer Einschätzung nach kann es bei der Reform nicht ausschließlich ums Geld gehen: "Die kommunale Finanzsituation muss stattdessen stärker in eine umfassender Föderalismusreform integriert werden." Dafür müssten die Kooperationen zwischen Bund, Ländern und Kommunen weniger in der Gesetzgebung und Ausführung, sondern aufgabenorientiert gestaltet werden, so die Wissenschaftlerin.
Zudem findet sie das Konzept von Bürgerräten und Bürgerhaushalten auf kommunaler Ebene sinnvoll. Bürgerinnen und Bürger könnten so unmittelbar mitentscheiden, wo beispielsweise gespart und wo investiert werden solle. Und das könnte auch das Vertrauen in die Demokratie stärken.