Ampelgipfel im Kanzleramt Verhakte Verhandlungen
Die Spitzen der Ampel beraten seit gestern Abend im Kanzleramt. Bislang ohne sichtbaren Erfolg. Die Liste der Konfliktthemen ist aber auch lang. Es hat sich einiges angestaut. Nun aber sei das Ende absehbar, sagte der Regierungssprecher.
Eigentlich sollte es keine Nachtsitzungen mehr geben, das hatten die Ampelkoalitionäre zu Amtsantritt angekündigt. Doch das ist auch schon gut ein Jahr her. Nun sitzen die Spitzen der Drei-Parteien-Regierung seit Stunden im Kanzleramt. Aus der Nacht ist längst Tag geworden. Die Gespräche über eine Reihe von Konfliktthemen dauern an. Die Liste ist lang, es hatte sich einiges angestaut. Inhaltlicher Art, aber auch atmosphärisch lief es zuletzt nicht rund im Bündnis.
Wenig Schlaf
Nun zeichnet sich ein Ende der Beratungen ab. Das Ende sei absehbar und es gebe auch "ein gutes Ergebnis", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittag. Auf eine Frage nach dem Zustand der Koalition entgegnete Hebestreit: "Die Regierung läuft und funktioniert."
Auf die Frage, ob die Teilnehmer des Ausschusses in der Nacht Gelegenheit zum Schlafen gehabt hätten, sagte Regierungssprecher Hebestreit: "Mir sind keine Übernachtungsmöglichkeiten im Kanzleramt bekannt." Allerdings könne es sein, "dass sich mal jemand auf einen Sessel zurückgezogen hat". Als er den Kanzler vorhin getroffen habe, habe er nicht den Eindruck gehabt, dass er besonders viel geschlafen hätte heute Nacht.
Inhaltliche Differenzen gibt es etwa im Verkehrsbereich. Die FDP will, dass nicht nur Bahnstrecken schneller gebaut werden, sondern auch Autobahnen. Das lehnten die Grünen im Vorfeld ab. Sie pochten auf Anstrengungen für mehr Klimaschutz im Verkehr, um eine Trendwende zu erreichen. Hier könnte es einen Kompromiss geben.
FDP und Grüne sagen Termine ab
Umstritten waren auch Pläne zum Austausch von Öl- und Gasheizungen sowie die Finanzierung der Kindergrundsicherung. Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke sagte am Morgen im Deutschlandfunk, für ihn seien die langen Verhandlungen eher ein Zeichen, dass man sich bemühe, über Kompromisse Lösungen zu finden. Wegen der andauernden Beratungen sagte die FDP ihre Präsidiumssitzung und die anschließende Pressekonferenz ab - geplant waren sie ursprünglich für 10 Uhr beziehungsweise 11.30 Uhr.
Auch die Grünen sagten die nach ihren Gremiensitzungen am Montag übliche Pressekonferenz "aufgrund der aktuellen politischen Lage" ab. Die für 14 Uhr geplante PK mit Co-Parteichefin Ricarda Lang entfalle.
Am Nachmittag will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen mit sieben Ministerinnen und Ministern zu Beratungen mit der niederländischen Regierung nach Rotterdam reisen. Diese Reise dürfte weniger leicht abzusagen sein.
"Intensiv um Lösungen ringen"
Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, sagte im ARD-Morgenmagazin: "Wir haben eine Menge Aufgaben vor uns, die wir akut bewältigen müssen, insbesondere im Bereich der Klimakrise." Es sei zwar schon viel erreicht worden beim Ausbau erneuerbarer Energien, nun müsse man aber auch auf andere Bereiche schauen. Sie nannte das Heizen im Gebäudesektor und den Verkehr.
Mihalic sprach den Vorschlag zum schrittweisen Heizungstausch von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) an. "Das sind natürlich auch wichtige Punkte, über die muss intensiv diskutiert werden. Und wenn dafür der Preis eine Nachtsitzung ist, dann bitte. Aber Hauptsache ist, dass wir da wirklich intensiv um Lösungen ringen." Sie verteidigte die Pläne, die ab 2024 einen Einbau neuer Heizungen vorsehen, die je zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das sei nötig, um Planbarkeit sicherzustellen.
Wachsende Gereiztheit
Das Treffen im Kanzleramt findet in einem Klima wachsender Gereiztheit innerhalb der Koalition statt. Am Wochenende gab es im Regierungsbündnis erneut gegenseitige Blockadevorwürfe, aber auch Aufrufe zum Kompromiss.
Vor allem zwischen Grünen und FDP hatten sich in den Tagen vor der Sitzung koalitionsinterne Zielkonflikte besonders deutlich gezeigt: Die Grünen beklagten einen Mangel an klimapolitischem Ehrgeiz in der Koalition, sie fühlen sich in diesem für sie wichtigen Bereich ausgebremst. Die FDP weist auf die immer kleiner werdenden Haushaltsspielräume hin, sie will die Verschuldung begrenzen und neue Belastungen für Bürger und Wirtschaft vermeiden. Die Kanzlerpartei SPD hielt sich weitgehend heraus aus dem Streit, was wiederum Fragen nach der Führungsstärke von Kanzler Scholz aufwarf.