Koalitionsausschuss unterbrochen Noch keine Einigung in Sicht
SPD, Grüne und FDP wollten eigentlich anders auftreten als die Vorgängerregierung. Doch auch nach 20 Stunden Verhandlungen gab es im Koalitionsausschuss noch keine Ergebnisse. Heute soll weiter gesprochen werden.
Am Nachmittag tröpfelte die Info langsam raus: Die Verhandlungen werden unterbrochen und sollen an anderer Stelle fortgesetzt werden. Das halbe Kabinett, inklusive Kanzler Olaf Scholz, wurde zu Regierungskonsultationen in Rotterdam erwartet. Per Hubschrauber ging es direkt vom Kanzleramt in Richtung Berliner Flughafen. Für den frühen Abend war ein gemeinsames Abendessen mit der niederländischen Regierung geplant.
Bevor der Kanzler Regierungschef Mark Rutte aber begrüßen konnte, holte ihn die vergangene Nacht noch mal am Ankunftsort ein. Am Flughafen in Rotterdam äußerte er sich zum Streit in der Ampel. Scholz gab sich gelassen, sprach von "sehr, sehr guten Fortschritten", die gemacht worden seien. Die Koalition werde alles tun, um den "großen Schub", den Deutschland brauche, zu organisieren.
CDU-Chef Merz: "Stehend k.o."
Stunden vorher in Berlin: Nach etwa 20 Stunden wurde der Koalitionsausschuss unterbrochen. Ergebnisse wurden nicht präsentiert. Stattdessen veröffentlichten alle drei Parteien das gleiche knappe Statement. Darin ist von "vertrauensvollen und konstruktiven" Gesprächen die Rede, man sei weit vorangekommen. Die Gespräche sollen heute Vormittag fortgesetzt werden.
Es ist durchaus bemerkenswert, dass auch nach 20 Stunden Verhandlungen keine Einigung erzielt werden konnte. Vor allem im Bereich der Klima- und Verkehrspolitik soll es nach wie vor Klärungsbedarf geben. Wenig Verständnis für die langen Verhandlungen bringt die Opposition auf. Die Linkspartei kritisierte das Treffen, bezeichnete es als Gruppentherapie. Die Union sieht ein Führungsversagen beim Bundeskanzler. CDU-Chef Friedrich Merz sagte, die Koalition sei "stehend k.o".
An Schlaf war nicht zu denken
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Koalitionsausschuss ergebnislos unterbrochen werden muss. 2020 etwa vertagten sich die Koalitionspartner im Zusammenhang mit Diskussionen über die Bekämpfung der Corona-Pandemie. Damals regierten CDU und SPD bereits seit vielen Jahren. Die Ampel machte nach der Regierungsbildung deutlich, dass sie anders arbeiten will, vor allem eher tagsüber als nachts.
Nachtsitzungen sollten also der Vergangenheit angehören. Schluss mit dem typischen Sitzungsmarathon der Ära Angela Merkels. Für sie waren nächtliche Sitzungen mit den Jahren zum Erfolgsrezept geworden. Die sogenannte Fortschrittskoalition, also SPD, Grüne und FDP, wollte anders auftreten. Doch an Schlaf war vergangene Nacht offenbar nicht zu denken, zu lang war offensichtlich die Liste an Themen.
Besonders die Grünen sind unzufrieden
"Als ich den Kanzler vorhin traf, hatte ich nicht den Eindruck, dass er besonders viel geschlafen hätte", erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Von Ideenreichtum und Schlafmangel twitterte Finanzminister Lindner zwischenzeitlich. In welchem Zusammenhang diese beiden Worte stehen, ließ er offen.
Vor allem zwischen Grünen und FDP hatten sich in den Tagen vor der Sitzung koalitionsinterne Zielkonflikte besonders deutlich gezeigt: Die Grünen beklagten einen Mangel an klimapolitischem Ehrgeiz in der Koalition. Sie fühlen sich in diesem für sie wichtigen Bereich ausgebremst.
Die Kanzlerpartei hält sich raus
Die FDP weist auf die immer kleiner werdenden Spielräume im Bundeshaushalt hin: Sie will die Verschuldung begrenzen und neue Belastungen für Bürger und Wirtschaft vermeiden. Die Kanzlerpartei SPD hielt sich weitgehend heraus aus dem Streit, was wiederum Fragen nach der Führungsstärke von Scholz aufwarf.
Die Spitzen der Koalition dürften auch in dieser nicht viel Schlaf bekommen. Bereits um neun Uhr soll es heute Morgen im Kanzleramt weitergehen. Scholz, Habeck, Lindner und Co. dürften die Zeit bis dahin nutzen, um mögliche Spielräume und Strategien auszuloten. Keiner dürfte daran interessiert sein, noch mal 20 Stunden im Kanzleramt zu verbringen.