Baugerüst an einem Haus mit Photovoltaik-Anlage
analyse

Weniger Akzeptanz für Maßnahmen Schlechte Zeiten für das Klima?

Stand: 28.11.2023 06:28 Uhr

Die Folgen des Klimawandels sind auch in Deutschland zu spüren. Die Akzeptanz für ambitionierte Klimaschutzpolitik ist aber merklich gesunken. Woran liegt das?

Eine Analyse von Martin Polansky, ARD-Hauptstadtstudio

Manche sprechen von Klimawandel, manche von Klimakrise, manche von Klimakatastrophe. Aber egal, wie man es nennt: Die durch Treibhausgase verursachte Erderwärmung ist auf der allgemeinen Besorgnisskala etwas nach unten gerutscht.

Das zeigen nicht nur aktuelle Meinungsumfragen, das ist auch der Eindruck von Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser. "Nach Corona und jetzt mit den Kriegen in der Ukraine und Israel ist eine Krisenmüdigkeit in der Gesellschaft zu spüren", sagt Kaiser. Das führe zu einer Abwehrhaltung weiteren Krisen gegenüber.

"Ist es einfach? Nein."

Auf die Stimmung drücken auch die schlechte wirtschaftliche Lage und der Preisanstieg der vergangenen zwei Jahre. Dabei war die Bundesregierung angetreten, den Klimaschutz zu einem Kernthema der Ampelpolitik zu machen. So ernannten die Grünen die frühere Greenpeace-International-Geschäftsführerin Jennifer Morgan zur Sonderbeauftragten für Internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt.

Aus Morgans Sicht ist Deutschland mittendrin in der Energiewende und das führe zu verstärktem Diskussionsbedarf. "Ist es einfach? Nein. Ist es notwendig? Ja. Bringt es Chancen: Absolut."

Umbau kostet Zeit und Geld

Die Bundesregierung beschwört die Vorteile der grünen Energiezukunft. Die Transformation werde für hohe Wachstumsraten sorgen, betont Bundeskanzler Olaf Scholz gerne. Nach dem Motto: Sonne und Wind stellen keine Rechnung. Aber erstmal kostet der Umbau der Energieversorgung sehr viel Geld und braucht Zeit.

Als Russland im Zuge des Angriffskrieges in der Ukraine den Gashahn Richtung Deutschland zudrehte, setzte selbst Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen in aller Eile auf fossilen Ersatz, weil Flüssiggas und Kohle schneller zu beschaffen waren als Ökoenergie. Der Umbau ist trotz aller Ambitionen ein Projekt, das erst in den 2030er-Jahren abgeschlossen sein dürfte. Gleichzeitig drängt die Bundesregierung darauf, dass auch die Industrie auf Nachhaltigkeit umgerüstet wird. Etwa die Auto- und die Stahlbranche.

Politikwissenschaftler Jun: Die Skepsis ist groß

Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Uwe Jun von der Universität Trier stößt diese Transformation bei vielen auf Vorbehalte. Zumal die staatlichen Fördermittel seit der gescheiterten Schuldenumwidmung um 60 Milliarden Euro geschrumpft sein könnten. "Das bestätigt die Befürchtungen vieler, dass die deutsche Volkswirtschaft die hohen Energiepreise nicht stemmen kann, dass der Wandel und die Transformation zu schnell gehen und dass Deutschland am Ende abgehängt wird", sagt Jun. "Auf jeden Fall ist die Skepsis in der Bevölkerung sehr groß, dass Deutschland sich hier übernimmt."

Auch die heftigen Debatten über das Heizungsgesetz seien ein Beispiel dafür, dass viele Bürger Sorge hätten, ambitionierten Klimaschutz gar nicht bezahlen zu können, so der Politikwissenschaftler.

Kritik an Ampel-Performance

Greenpeace-Deutschland-Chef Martin Kaiser spricht sogar von einer verheerenden Performance der Ampelkoalition ausgerechnet beim Klimaschutz: fehlende Geschlossenheit und schlechtes Management.

"Das Heizungsgesetz ist ein gutes Beispiel. Wenn ein Gesetz nicht zusammen gleichzeitig mit den Förderprogrammen präsentiert wird, wie man die Menschen unterstützen will bei wichtigen Investitionsentscheidungen, ist es natürlich leicht Spielball der Regenbogenpresse oder der Opposition", meint Kaiser. So dürfe Klimaschutz nicht vermittelt werden.

Rolle der "Letzten Generation"

Politikwissenschaftler Jun macht auch Teile der Klimabewegung dafür verantwortlich, dass die Akzeptanz für ambitioniertem Klimaschutz gelitten habe. Fridays for Future sei noch bemüht gewesen, den gesellschaftlichen Konsens für mehr Klimaschutz zu stärken, was bei der "Letzten Generation" nicht zu erkennen sei.

"Die Radikalität ihrer Aktionen stößt auf breite Ablehnung in der Bevölkerung. Und das hat dann auch die Gegner bestärkt, gleich ganz die Sinnhaftigkeit von Klimaschutzmaßnahmen in Frage zu stellen", so Jun. Damit habe die "Letzte Generation" der Klimabewegung keinen großen Gefallen getan.

So schreitet die Erderwärmung zwar voran. Aber Klimaschutz polarisiert mehr denn je. Die Bundesregierung steht vor der Herausforderung, eine Klimapolitik zu machen, bei der die meisten mitgehen können.

Martin Polansky, ARD Berlin, tagesschau, 26.11.2023 13:54 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 28. November 2023 um 144:00 Uhr.