Haushalt 2024 Mehr Schulden für den Klimaschutz?
Der Haushalt 2024 steht kurz vor der Verabschiedung. Der befürchtete klimapolitische Kahlschlag bleibt aus. Doch die Grundsatzfrage bleibt: Wie soll der anstehende Klima-Umbau finanziert werden?
Die Heizungsförderung bleibt, Zuschüsse für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft können fließen wie geplant, und auch Milliarden fürs marode Bahn-Schienennetz soll es weiterhin geben vom Bund. "Gar nicht so schlimm wie zuerst gedacht" seien die konkreten Klima-Konsequenzen des Karlsruher Urteils, meint der Klimaforscher Niklas Höhne vom New Climate Institute.
Er spricht vom Milliardenloch im Haushalt, das im November zustande kam, als das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe der Regierung bescheinigte, dass sie nicht einfach 60 Milliarden Euro nicht benötigte Sonderkredite aus der Corona-Zeit für den Klimaschutz umwidmen könne.
"In den Notfallmodus umschalten"
Zufrieden ist Höhne mit der Klimapolitik der Regierung trotzdem nicht. Angesichts der Bedrohung durch die Klima-Erhitzung geschehe noch immer zu wenig, und das zu langsam. Deutschland und die Welt seien dabei, auf die Klimakatastrophe zuzurasen. "Wir müssen jetzt in den Notfallmodus umschalten", so Höhne.
Die wichtigsten Maßnahmen aus seiner Sicht: Abschaffung aller klimaschädlichen Subventionen, Einführung des Tempolimits, mehr Ausweisung von Windkraft-Flächen, und: Einrichtung eines "Sondervermögens Klimaschutz", um die nötigen Investitionen für den Umbau der Wirtschaft zu stemmen. Ein Sondertopf also, der zusätzliche Kredite aufnehmen kann, außerhalb des regulären Haushalts. So wie zuletzt von der Regierung auch für die Modernisierung der Bundeswehr eingerichtet, oder für die Wirtschaftshilfen während der Corona-Zeit.
Schulden machen fürs Klima?
So weit gehen die fünf "Wirtschaftsweisen" in ihrem neuen Gutachten für die Bundesregierung zwar nicht. Aber auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wie das Gremium offiziell heißt, fordert mehr Möglichkeiten, neue Schulden aufzunehmen.
Die aktuelle Ausgestaltung der Schuldenbremse "beschränkt die fiskalischen Spielräume für zukunftsgerichtete Ausgaben unnötig stark", schreiben die drei Frauen und zwei Männer, die als oberste ökonomische Instanz in Deutschland gelten.
18 Milliarden Euro CO2-Einnahmen
Dabei kostet das zentrale Instrument der Klimapolitik den Staat streng genommen erst einmal überhaupt nichts - im Gegenteil. Denn die Europäische Union und Deutschland setzen vor allem auf den CO2-Preis, um den Ausstoß von Treibhausgasen teuer und unattraktiv zu machen. Für jede ausgestoßene Tonne Treibhausgas werden in der Industrie und zunehmend auch in Privathaushalten Abgaben fällig. Über 18 Milliarden Euro flossen dadurch im vergangenen Jahr allein in den deutschen Staatshaushalt.
Kehrseite des Geldsegens: Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen viel Geld - für teureres Heizöl, Gas, Benzin und allgemein höhere Preise durch gestiegene Transport- und Produktionskosten. Und längst ist EU-weit festgelegt, dass die CO2-Abgaben in den kommenden Jahren stetig weiter steigen werden.
Klimageld - verpasster sozialer Ausgleich
Privathaushalte sollten das Geld aus den staatlichen CO2-Einnahmen eigentlich wieder zurückerhalten - in Form eines pro Kopf ausgezahlten Klimageldes. So haben es die Ampel-Parteien auch in ihrem Koalitionsvertrag von 2021 versprochen.
Geschehen ist etwas anderes: Die Regierung lässt die CO2-Einnahmen direkt in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen und finanziert daraus Förderprogramme wie Zuschüsse beim Heizungstausch oder Subventionen für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft.
An sich sinnvolle Ausgaben, sagt Matthias Kalkuhl, Klimaökonom am Berliner Mercator Institut - aber aus dem falschen Topf finanziert. Nämlich aus dem Geld, das eigentlich an die Bürgerinnen und Bürger zurückfließen müsste. Das Problem aus seiner Sicht: Implizit gebe es in der deutschen Politik das Dogma, dass Klimaschutz komplett aus den CO2-Einnahmen finanziert werden müsse. "Wir haben einen Haushalt, der eigentlich nichts für Klimaschutz ausgeben soll", so fasst er das Grundproblem zusammen.
Dabei steht ökonomisch außer Frage, dass CO2-Preise ohne Rückerstattungsmechanismus sozial ungerecht sind: Ärmere Haushalte sind viel stärker betroffen als reiche, weil ärmere Haushalte einen viel größeren Teil ihres Einkommens fürs Heizen, Tanken und für Lebensmittel aufwenden.
Ob die Regierung das Klimageld auszahlen wird, ist aktuell fraglich. Finanzminister Christian Lindner lehnt das ab; viele Ampel-Politiker, aber auch Gewerkschaften, Verbraucher- und Umweltverbände fordern die Einführung dagegen vehement. Und mit steigenden CO2-Preisen werden diese Forderungen in den kommenden Jahren vermutlich immer lauter werden.
Umbau der Wirtschaft für den Klimaschutz
Um dann trotzdem noch in Klima-Technologien investieren und den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft finanzieren zu können, wird es also vermutlich andere Geldquellen brauchen. Welche das sein sollen, darüber ist längst eine Diskussion entbrannt. Klimaforscher wie Niklas Höhne fordern ein "Sondervermögen Klimaschutz".
Andere, wie etwa Tom Krebs, Professor für Makroökonomie an der Universität Mannheim, sehen genug Spielräume im regulären Haushalt - das allerdings nur, wenn entweder die Regeln der Schuldenbremse großzügiger ausgelegt würden oder, wie auch in Corona-Zeiten geschehen, eine neue Notlage definiert würde, um die Schuldenbremse weiter auszusetzen.
Schuldenbremse "pragmatisch anpassen"
Auch die "Wirtschaftsweisen" sprechen sich dafür aus, die Schuldenbremse "pragmatisch anzupassen" für "zukunftsgerichtete Ausgaben". Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm nennt gegenüber tagesschau.de als Beispiele für wichtige Klima-Zukunftsinvestitionen die Chemie-, Stahl- und Zementindustrie und den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft, aber auch Investitionen in Bildung. Erneut eine "Notlage" auszurufen, um die Schuldenbremse noch einmal auszusetzen, lehnt das Gremium aber ab.
Veronika Grimm warnt davor, beim Klima-Umbau der Wirtschaft zu sehr auf kleinteilige Einzelförderungen zu setzen. Die Verfechter eines starken Staates und einer hohen Verschuldung, sagt sie, hätten schon immer "jedes Thema, das die Gesellschaft gerade bewegt, gekapert, um zu behaupten, dass höhere Verschuldung die Lösung dieses Problems sei".
Die Frage, wie stark sich der Staat zusätzlich verschulden darf, um in Klimaschutz zu investieren, ist also noch nicht beantwortet. Verfechter einer strengen Schuldenbremse argumentieren, man dürfe den Kindern und Enkeln auf keinen Fall zu viele Schulden hinterlassen. Der Mannheimer Ökonom Tom Krebs entgegnet: Die Gesellschaft würde sich erst recht an den Nachkommen versündigen, wenn in der aktuellen Situation zu wenig investiert würde und man den Kindern dann "eine kaputte Wirtschaft und ein zerstörtes Klima" übergebe.
Der Bundeshaushalt 2024 mag also stehen - die Diskussion darüber, wie Deutschland den Klimaschutz finanzieren will, geht gerade erst richtig los.