Arbeitsminister Heil Keine Einigung bei EU-Lieferketten-Richtlinie
Deutschland wird dem bereits ausgehandelten Kompromiss für ein Lieferkettengesetz auf EU-Ebene nicht zustimmen. Das hat Bundesarbeitsminister Heil erklärt - und dafür die FDP verantwortlich gemacht.
Es ist ein weiterer Punkt für die lange Liste der in der Regierungskoalition umstrittenen Themen: Arbeitsminister Hubertus Heil hat die Kompromisssuche für die EU-Lieferketten-Richtlinie für gescheitert erklärt. Dass sich Deutschland aufgrund einer "ideologisch motivierten Blockade der FDP bei der anstehenden Abstimmung enthalten muss", enttäusche den SPD-Politiker sehr.
Heil hält das auch deshalb für falsch, weil das bei anderen Partnern in Europa auf Unverständnis treffen werde. Aus seiner Sicht wäre eine EU-weite Regelung dabei durchaus im Interesse der deutschen Unternehmen. Schließlich würde das für einheitliche Wettbewerbsbedingungen für alle sorgen. Mit der deutschen Enthaltung in Brüssel ist nun unklar, ob das Vorhaben noch eine Mehrheit findet, denn auch andere Länder haben Bedenken.
Das deutsche Lieferkettengesetz gibt es seit 2023
In Deutschland gibt es bereits seit 2023 ein Lieferkettengesetz - genauer gesagt: ein "Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz". Das hat noch die Große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel beschlossen. Es nimmt deutsche Unternehmen bei Missständen in die Pflicht - etwa bei der Verletzung von Umweltstandards oder Zwangsarbeit.
Seit diesem Jahr gilt es für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten, bisher lag die Grenze bei 3.000. Produkte haben oft viele Fertigungsstufen in anderen Ländern hinter sich. Mit dem Gesetz wird klar gemacht: Die Unternehmen müssen die gesamte Lieferkette vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt in den Blick nehmen und bei klaren Hinweisen auf Verstöße tätig werden.
Strafen hat das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) im ersten Jahr nach eigenen Angaben nicht verhängt. Die Firmen würden aber besser auf den Weg ihrer Produkte achten.
EU-Richtlinie "nicht praxistauglich"
Die geplante EU-Richtlinie geht allerdings teilweise über das deutsche Gesetz hinaus. Sie soll bei Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro greifen.
Aus Sicht der FDP ist das nicht "praxistauglich und zumutbar". Finanzminister Lindner und Justizminister Buschmann warnen vor zu viel Bürokratie und zu hohen Belastungen gerade für den Mittelstand. Wirtschaftsverbände sehen das ähnlich.
Buschmann sagte, hohe Standards in Lieferketten seien zwar ein gutes Ziel - das dürfe aber nicht "zu einer Selbststrangulierung unseres Wirtschaftsstandorts führen". Die Liberalen warnen auch vor einer zivilrechtlichen Haftung. Betroffene könnte unter bestimmten Voraussetzungen Unternehmen auf Schadensersatz verklagen.
Allerdings kommt der Zeitpunkt für das Veto überraschend. Unterhändler der 27 EU-Staaten und des Europaparlaments hatten sich bereits Mitte Dezember auf die Lieferkettenrichtlinie geeinigt. Dem müssen allerdings auch der Rat der EU-Mitgliedstaaten und das Parlament noch zustimmen.
Dies gilt in der Regel als Formalie, die Abstimmung war bislang für diesen Freitag angesetzt. Wegen der Haltung der FDP muss sich Deutschland nun enthalten, was wie eine Gegenstimme gewertet wird. Lindner und Buschmann kritisieren die Einigung vom Dezember als zu weitgehend. Die Unterhändler hätten ihr Mandat überschritten.
Gescheiterte Kompromisssuche
Arbeitsminister Heil hatte versucht, auf den letzten Metern noch einen Kompromiss zu erreichen. So sollte es keine doppelten Berichtspflichten geben - also national für das deutsche Gesetz und dann auch noch für die EU-Richtlinie. Auch sollten dem Arbeitsministerium zufolge große Unternehmen ihre Informationspflichten nicht einfach an kleinere Unternehmen durchreichen können.
Diese Kompromisssuche ist nun beendet. Das trifft Heil besonders hart. Schließlich hatte der SPD-Politiker, der bereits in der Großen Koalition Arbeitsminister war, gemeinsam mit dem damaligen Entwicklungsminister Gerd Müller intensiv für das deutsche Gesetz geworben und jetzt auch die EU-Richtlinie federführend mitverhandelt.
Das erklärt vielleicht auch den scharfen Ton, wenn Heil jetzt von der "ideologisch motivierten Blockade der FDP" spricht. Es entspricht allerdings nicht dem verbindlich-sachlichen Umgang, den Vertreter der Ampelkoalition - nicht zuletzt der Kanzler - zuletzt immer wieder eingefordert haben.
Olaf Scholz hatte Ende Januar in einem "Zeit"-Interview erklärt, es sei leider selten gelungen, wichtige Beschlüsse der Ampel ohne langwierige öffentliche Auseinandersetzungen zu treffen. "Darauf hätte ich gut verzichten können", so der Kanzler.
Scharfe Kritik von Umwelt- und Sozialverbänden
Die Grünen sind Heil nun beigesprungen. Co-Fraktionschefin Katharina Dröge sprach von einem Rückschlag für den Schutz von Menschenrechten. Auch sie warnt vor einem Schaden für den Ruf Deutschlands als verlässlicher Partner in der EU. Es gibt bereits das Wort vom "German vote", also einer Enthaltung wegen Uneinigkeit innerhalb der Koalition.
Umwelt- und Sozialverbände üben ähnlich scharfe Kritik. "Die deutsche Enthaltung ist ein fatales Signal an alle Menschen, die weltweit von Ausbeutung, moderner Sklaverei, Vertreibung und Urwaldzerstörung betroffen sind", sagte Armin Paasch von der Hilfsorganisation Misereor.
Lutz Weischer von Germanwatch spricht von einem erschreckenden Maß "an europapolitischer Verantwortungslosigkeit" und wirft dem Bundeskanzler vor, sich vom kleinsten Koalitionspartner die Agenda diktieren zu lassen. Die Umweltorganisation WWF forderte Scholz auf, seine Richtlinienkompetenz zu nutzen.
Wirtschaftsverbände erleichtert
Wirtschaftsverbände sprechen dagegen von einem wichtigen Signal, etwa die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). DIHK-Präsident Peter Adrian verlangt gerade für die vielen mittelständischen Betriebe "praxistaugliche Regeln".
Doch selbst unter Wirtschaftsvertretern finden sich Befürworter einer EU-Regelung. So haben Unternehmen wie Aldi Süd, Tchibo und der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft die Bundesregierung dazu aufgerufen, doch noch für das EU-Lieferkettengesetz zu stimmen.