EU-Lieferkettengesetz Faire Bedingungen von Anfang an
Deutschland und andere Länder haben schon Gesetze, um Arbeitsbedingungen bei ihren Lieferanten weltweit zu verbessern. Jetzt zieht die EU nach. Dafür gibt es Lob. Einige fürchten aber eine enorme Belastung der Firmen.
Es geht um Millionen Menschen, die weltweit unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten. Es geht um Kinderarbeit, um Löhne weit unter dem Existenzminimum, um lebensgefährliche Sicherheitsstandards in Fabriken oder um den Umgang mit giftigen Stoffen, der Arbeiterinnen und Arbeiter lebenslang krank macht. Und es geht um Umweltschutz. So sehen es internationale Gewerkschaften, Hilfsorganisationen, christliche Kirchen.
Das Europäische Zentrum für Menschenrechte etwa beobachtet weltweit einen wachsenden Trend zu menschenverachtenden Arbeitsverhältnissen. Amnesty International sieht das vor allem in China als immer größeres Problem.
Unternehmen in die Verantwortung nehmen
Dagegen möchte die Europäische Union etwas tun. Mit einem Lieferkettengesetz, das die Brüsseler EU-Kommission heute vorschlagen will, sollen Unternehmen in die Verantwortung genommen werden. Sie sollen nicht nur selbst für menschenwürdige Arbeitsplätze und für die Einhaltung von Umweltstandards sorgen, sondern das auch bei ihren Lieferanten sicherstellen. Ziel ist es, dass auch Vorprodukte - egal ob Schrauben, Stoffe oder Halbleiter - unter Einhaltung grundlegender Menschenrechte und Umweltstandards hergestellt werden.
"Tatsächlich geht der größte Teil von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden durch Unternehmen zurück auf ihre Zulieferer", sagt EU-Justizkommissar Didier Reynders. Also eigentlich auf Firmen, auf die sie keinen Einfluss haben. Doch das soll sich ändern.
Gesetzlich will die EU-Kommission den Unternehmen höhere Sorgfaltspflichten auferlegen. Sie sollen überprüfen, woher ihre zugelieferten Waren kommen, wie sie hergestellt wurden, welche Folgen das für Klima und Umwelt hat. Es geht also nicht nur um Tochterfirmen, sondern um sämtliche, die an einem Herstellungsprozess beteiligt sind.
Mindestens 17.000 Unternehmen betroffen
Direkt unter ein neues europaweites Lieferkettengesetz sollen der Kommission zufolge rund 17.000 Unternehmen fallen, wenn sie mehr als 500 Beschäftigte haben. Wo es ein größeres Risiko für Menschenrechts- und Umweltschutzverstöße gebe, gilt die Zahl von 250 Mitarbeitern als Grenze - das ist etwa der Fall, wenn es um den Abbau von Bodenschätzen geht oder um die Textilproduktion.
Es gibt in einigen EU-Ländern zwar bereits nationale Gesetze, die das regeln, auch in Deutschland. Die Europaparlamentarierin Anna Cavazzini sieht in dem europäischen Vorstoß trotzdem eine Verbesserung. "Der Entwurf der Kommission geht viel weiter als das deutsche Gesetz", sagt sie. "Zum Beispiel soll eine Haftungsklausel beinhaltet sein, so das Opfer leichter Zugang zu Gerichten haben - und das ist gut so, denn um wirklich einen Effekt zu haben, brauchen wir ein Lieferkettengesetz ohne Schlupflöcher."
Anderen geht das zu weit. Sie fürchten einen enormen Kontroll- und Bürokratieaufwand für die Betriebe. "Sinnlose Bürokratie gilt es zu vermeiden, weil nämlich eine umfangreiche Nachverfolgung von Wertschöpfungsketten nicht sinnvoll ist", sagt der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss. "Deshalb muss hier risikobasiert vorgegangen werden. Also nur dort, wo tatsächlich Risiken in der Lieferkette bestehen".
Intensive Parlamentsdebatten zu erwarten
Im Europaparlament dürfte es deshalb eine intensive Debatte geben, wenn der Kommissionsvorschlag offiziell da ist. Vor allem Grüne und Sozialdemokraten hatten auf eine Gesetzesinitiative der Kommission gedrängt. Für den SPD-Europaabgeordneten Timo Wölken geht der Vorschlag denn auch in die richtige Richtung. "Gut ist, dass die erfassten Unternehmen für Klimafragen, Menschenrechte, Umweltrecht verantwortlich sein müssen. Auch hier ist Nachbesserungsbedarf vorhanden, aber das war so nicht unbedingt zu erwarten", sagt er.
Zu erwarten ist allerdings, dass es aus Teilen der Wirtschaft in der EU deutlichen Widerstand geben wird. Man fürchtet um Wettbewerbsnachteile durch zu viel Regulierung. Für die EU-Kommission kommt es allerdings darauf an, mit diesem Schritt ihren Anspruch zu untermauern, dass sie es ernst meint mit Umweltschutz und Menschenrechten.