Habeck in Saudi-Arabien Ein positiverer Blick
Luftabwehrraketen und Eurofighter für Riad: Eigentlich wollte Deutschland keine Waffen nach Saudi-Arabien liefern. Wie sich das Bild des Landes gewandelt hat, zeigte sich auch beim Besuch von Wirtschaftsminister Habeck.
Qiddiya City soll mal so werden, wie es in Saudi-Arabien bis vor kurzem undenkbar gewesen wäre. Eine Vergnügungsstadt in einer Canyon-Landschaft außerhalb von Riad. Themenparks, Pop-Konzerte, und eine Riesen-Achterbahn der Welt. Projektmanager Turki Alrasheed versucht schon mal in die Zukunft zu schauen: "Mit Falcon Flight wollen wir den Weltrekord brechen. Eine Achterbahn in Abu Dhabi kommt auf 240 Kilometer pro Stunde. Wir wollen 260 KMH erreichen."
Es wird bereits gebaut an Qiddiya City. "Joy and Transformation" - Spaß und Veränderung ist das Label. Und Qiddiya City soll beispielhaft für Veränderungen in dem Land stehen, das bisher für eine besonders konservative Auslegung des Islam stand, was die ganze Gesellschaft prägte.
Anzeichen für echten Wandel
Wirtschaftsminister Robert Habeck ist auch deshalb nach Saudi-Arabien gekommen, sieht Anzeichen für einen echten Wandel. "Das Land befindet sich in einer Transformation, in einer Modernisierungsphase." Das lasse sich etwa daran ablesen, dass Frauen nun deutlich mehr beteiligt werden in Gesellschaft und Arbeitswelt, so Habeck. "Und auch im außenpolitischen Engagement spielt das Land eine andere Rolle als vor ein paar Jahren."
Habeck betont auf seiner Reise auf die Arabische Halbinsel immer wieder: Saudi-Arabien ist der zentrale Akteur in der Region, ohne den bei einigen Themen Fortschritte kaum möglich sind. Sei es bei Klimaschutz und Energiewende, sei es im Nahost-Konflikt und der Haltung der arabischen Länder gegenüber Israel.
Saudi-Arabien versuche in Nahost zu deeskalieren, so Habeck, schirme zudem Israel gegen Raketenangriffe der Huthi-Rebellen aus dem Jemen heraus ab. Für die Sicherheitszusammenarbeit heißt das: Die Bundesregierung ist nun dazu bereit, der Lieferung von neuen Eurofighter-Kampfjets nach Saudi-Arabien zustimmen – was Deutschland jahrelang abgelehnt hatte.
Und: Die Bundesregierung hat auch die Lieferung von 150 Raketen des Typs Iris-T an Saudi-Arabien genehmigt, was Habeck in Riad nicht direkt kommentieren will. Aber man schaue bei allen Entscheidungen, so der Vize-Kanzler, ob die Ukraine nicht einen dringenderen Bedarf habe. Und zudem sei entscheidend, ob die Waffen "in einer komplizierter gewordenen Welt so eingesetzt werden, dass sie zum Schutz, zur Deeskalation und zur Stabilität beitragen".
In den vergangenen Jahren hatte Deutschland den Rüstungsexport nach Saudi-Arabien restriktiv gehandhabt. Auch mit Blick auf den Konflikt im Jemen, wo Saudi-Arabien die Zentralregierung gegen die Huthi-Rebellen unterstützt. Habeck bescheinigt Saudi-Arabien, dort verstärkt an einer Friedenslösung zu arbeiten.
Chance für Energiewende und Wirtschaft
Auch beim Thema Energiewende schreibt Habeck Saudi-Arabien eine wichtige Rolle zu. Das Land investiere in einige Großprojekte, um riesige Solarparks aufzubauen. Und damit auch die Möglichkeit zu eröffnen, langfristig grünen Wasserstoff herzustellen und zu exportieren. Habeck sieht darin eine große Chance für deutsche Unternehmen und auch das Gelingen der Energiewende in Deutschland.
Andererseits war Saudi-Arabien zusammen mit den anderen OPEC-Staaten auf der Weltklimakonferenz in Dubai vor einem Monat der große Bremser, was den Ausstieg aus fossilen Energieträgern angeht, der am Ende auf der COP28 mit einer unverbindlichen Kompromissformel verabredet wurde. Energieexperte Markus Exenberger von der H2Global-Stiftung verweist darauf, dass noch Öl und Gas für Jahrzehnte am Golf im Boden liegen. "Entsprechend groß ist der Wunsch, den Schatz auch zu heben."
Ambivalent sind auch die Entwicklungen im Bereich der Menschenrechte. Einerseits haben Frauen nun spürbar mehr Rechte, brauchen beispielsweise nicht mehr die Erlaubnis ihrer Männer, wenn sie arbeiten oder reisen wollen. Gleichzeitig gab es im vergangenen Jahr 171 Hinrichtungen, Pressefreiheit, Demokratie und Gewaltenteilung sind in dem Königreich nicht vorgesehen. Laut Habeck werden die "Werte-Unterschiede deutlich angesprochen in dem vertrauensvollen Rahmen, den wir haben".
Gratwanderung für Habeck
So ist Habecks erster Besuch als Wirtschaftsminister in Riad durchaus auch eine Gratwanderung. Deutlich wird aber: Der Blick der deutschen Regierung auf Saudi-Arabien ist deutlich positiver als noch vor einigen Jahren. Der Wille zum Wandel sei echt. Auch wenn die Widersprüche und Menschenrechtsdefizite durchaus gesehen werden.
In der "Joy and Transition"-Stadt Qiddiya City soll die erste Bauphase bald abgeschlossen sein. Dann könne es losgehen mit den neuen Freiheiten und dem Vergnügen. Wann genau - da wollen sich die Projektmacher allerdings nicht konkret festlegen.