Grün-Schwarz in Baden-Württemberg Wie gut funktioniert das grüne "Erfolgsmodell" noch?
Nach herben Verlusten bei drei Landtagswahlen wollen die Grünen einen Neuanfang. Baden-Württemberg wird seit 13 Jahren von einem grünen Ministerpräsidenten regiert. Ein Sonderfall oder ein Modell, das auch weiter zieht?
"Wir sind richtig am Abschiffen" - so kommentiert der Grüne Winfried Kretschmann die Ergebnisse seiner Partei bei den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Kretschmann selbst steht für zuvor ungeahnte Erfolge der Grünen: Seit 13 Jahren ist er Ministerpräsident der grün-geführten Landesregierung in Baden-Württemberg, seit acht Jahren in einer Koalition mit der CDU.
Dass er von den Wählern als schwäbisch-bodenständig wahrgenommen wird, scheint einen großen Anteil am Aufstieg der Grünen in Baden-Württemberg gehabt zu haben - einem Bundesland, das zuvor 46 Jahre lang von der CDU regiert wurde. Doch werden sie die Erfolge im Land wiederholen können? In den Umfragen lagen sie zuletzt bei um die 20 Prozent, die CDU - eigentlich Juniorpartner in der Koalition - rund zehn Prozentpunkte vor ihnen.
Bei der letzten Landtagswahl hatten die Grünen noch 32,6 Prozent erreicht. Dazu kommt, dass die Partei bei der kommenden Landtagswahl 2026 mit einem neuen Spitzenkandidaten antreten muss, weil der 76-jährige Winfried Kretschmann seinen Rückzug angekündigt hat.
Ist die Ampel-Koalition an allem schuld?
Alexander Maier hat seinen Optimismus trotzdem nicht verloren. Er saß einmal für die Grünen im Stuttgarter Landtag, seit 2021 ist der 33-jährige Oberbürgermeister in Göppingen. Beim Amtsantritt war er der jüngste amtierende OB Deutschlands.
"Dass wir auch nach 2026 den Ministerpräsidenten stellen, halte ich nicht für utopisch", sagt er. Die schlechten momentanen Umfragewerte sind aus seiner Sicht vor allem Folge der Unzufriedenheit der Menschen mit der Ampel-Koalition in Berlin. Am Ende werde es auch darauf ankommen, wer 2026 im Bund regiert. "Ich wünsche mir natürlich nicht, dass wir Grüne dann nicht mehr dabei sind", sagt er. "Aber klar ist auch, dass das bei einer Landtagswahl tendenziell eher schadet."
Programmatisch käme es darauf an, der schlechten Stimmung etwas entgegenzusetzen. "Die machen wir uns ja zum Teil auch selbst", ist er überzeugt. "Wir dürfen nicht nur die Probleme sehen, sondern auch die Chancen." Die Grünen müssten zum Beispiel das Thema Migration positiv besetzen. Die Wirtschaft brauche Arbeitskräfte aus dem Ausland. Seine Partei sollte sich für weniger Bürokratie einsetzen, sie sollte für Innovationsgeist stehen und junge Unternehmen stärker fördern. "Das wird dann allerdings auch Geld kosten", fügt Alexander Maier noch an.
Markenzeichen Kretschmann oder Markenzeichen Grün?
Andere halten die Situation der Grünen in Baden-Württemberg für deutlich schwieriger. "Für die Grünen muss viel passieren, wenn es mit der Regierungsführung 2026 noch einmal klappen soll", sagt der Wahlforscher Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim. Den Grünen schade, dass sie als Besserwisser- und Bevormundungs-Partei wahrgenommen werden - auch in Baden-Württemberg.
Winfried Kretschmann habe sich zwar zum Ziel gesetzt eine Politik zu machen, die er selbst als "Politik des Gehörtwerdens" bezeichnet und Bürger und Bürgerinnen vor Entscheidungen stärker beteiligt. "Das wird aber eher als Markenzeichen Kretschmanns gesehen, nicht als eines der Grünen", ist der Wahlforscher überzeugt.
Bürgermeister Alexander Maier dagegen hofft, dass das, was Winfried Kretschmann erreicht hat, auch künftig den Grünen gutgeschrieben wird. "Seine Arbeit wird von einem großen Teil der Bevölkerung als gut erachtet", sagt er. In den vergangenen Jahren hat sich dessen Landesregierung zum Beispiel für eine Stärkung des Nahverkehrs eingesetzt. Weniger erfolgreich lief es anderswo.
Der Ausbau der Windkraft etwa - eigentlich ein ur-grünes Projekt - läuft in Baden-Württemberg schleppender als in anderen Bundesländern. Beim Thema Migration hat sich Winfried Kretschmann für Härte in der Asylpolitik ausgesprochen, eine Position, die er auch bei einem gemeinsamen Auftritt mit CDU-Ministerpräsidenten vertrat. Kretschmann, der oft konservative Grüne - für manche Parteilinke eine Zumutung, aber bei den vergangenen Landtagswahlen offenbar ein Erfolgsmodell bei den Wählern im Südwesten.
Von Kretschmanns Erbe profitieren?
Die Frage wird sein, ob der neue Spitzenkandidat vom Erbe Kretschmanns profitieren kann. Es wird damit gerechnet, dass Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir die baden-württembergischen Grünen in den Wahlkampf führen wird - und dass er dies in den kommenden Wochen offiziell ankündigen wird. "Das ist noch alles hypothetisch, aber würde Dynamik in unseren Wahlkampf bringen", sagt Alexander Maier. "Er hat das Potential, die Kretschmann-Wähler abzuholen."
Auch Cem Özdemir sei pragmatisch und nicht ideologisch. Er kenne die badische und schwäbische Seele und sei bei den Bauern-Protesten offen auf die Landwirte zugegangen. Das habe ihm großen Respekt eingebracht.
Cem Özdemir ist im schwäbischen Bad Urach aufgewachsen und bezeichnet sich selbst gerne als einen "anatolischen Schwaben". Wahlforscher Frank Brettschneider bezweifelt, dass ihm das viel helfen wird. "Viele sehen ihn trotzdem vor allem als einen Vertreter der Berliner Polit-Prominenz", gibt er zu bedenken. Und: Es sei ohnehin fraglich, ob es am Ende einen Wahlkampf geben wird, bei dem es vor allem um die persönlichen Qualitäten der Spitzenkandidaten geht. "Ich halte eine Auseinandersetzung um Themen für wahrscheinlicher", glaubt Brettschneider.
Für diesen Fall sollten die Grünen in Baden-Württemberg gar nicht erst versuchen, aus Özdemir eine Neuauflage von Kretschmann zu machen. Stattdessen müsste möglichst schnell aus dem "Markenzeichen Kretschmann" ein grünes Markenzeichen werden.