Positionspapier zum Haushalt FDP provokant - SPD und Grüne verärgert
Erst die "Wirtschaftswende", nun die "Haushaltswende" - die FDP treibt ihre Koalitionspartner mit Positionspapieren vor sich her. Die reagieren verärgert. Vor allem die SPD kritisiert die Pläne der Liberalen zur Rentenpolitik.
Das FDP-Präsidium hat ein Fünf-Punkte-Programm zum Haushalt verabschiedet. Darin fordern die Liberalen eine "generationengerechte Haushaltspolitik". Diese müsse die Schuldengrenze des Grundgesetzes einhalten und dürfe junge Menschen bei der Finanzierung der Renten nicht überfordern, heißt es in dem Papier.
Die Liberalen warnen in dem Fünf-Punkte-Plan vor steigender Staatsverschuldung, explodierenden Sozialbeiträgen und einer anhaltenden Schwäche der deutschen Wirtschaft. Der Staat müsse "im Rahmen der verfügbaren Mittel" haushalten, heißt es darin. "Alle Staaten, die dies über längere Phasen nicht berücksichtigt haben, sind über kurz oder lang in schwere Krisen gestürzt bis hin zur Staatsinsolvenz."
Aus Sicht der FDP sind daher Reformen der Sozialsysteme sowie die Abschaffung der Rente mit 63 nötig - dabei geht es um die abschlagsfreie Rente nach einer besonders langen Versicherungszeit.
"Rente mit 63" wurde die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren genannt, da zunächst Menschen mit Geburtsjahr vor 1953 dann im Alter von 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen konnten. Nun liegt die Altersgrenze hierfür bei 64 Jahren und 4 Monaten für 1960 Geborene. Für Jüngere erhöht sich das Eintrittsalter bis 2029 auf 65 Jahre.
Djir-Sarai pocht auf Umsetzung
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte die Koalitionspartner SPD und Grüne auf, sich mit den Forderungen seiner Partei zu befassen. "Es ist schon die Erwartungshaltung, dass diese Maßnahmen rasch umgesetzt werden", sagte Djir-Sarai. Für die FDP seien diese Forderungen zur Stärkung von Konjunktur und Haushalt zentral - und sie werde nicht locker lassen, in der Koalition ihre Umsetzung zu fordern. "Die Maßnahmen müssen jetzt kommen", betonte er. "Das muss jetzt relativ zügig gehen."
Kritik an Änderungen der Rente mit 63 wies Djir-Sarai zurück. "Wir dürfen die Leistungsfähigkeit der Menschen nicht nur durch explodierende Ausgabensteigerungen insbesondere in den Sozialsystemen überfordern, wir dürfen aber auch keine falschen Anreize setzen, sich aus dem Arbeitsmarkt zu verabschieden oder die Aufnahme einer Arbeit zu verweigern", sagte er.
Die Zahlung von Entwicklungshilfe knüpft die FDP an die Bedingung, dass in Deutschland "neuer Wohlstand" geschaffen werden könne: "Gelingt uns dies nicht, können wir auch international nicht mehr zu den größten Geldgebern, zum Beispiel bei der Entwicklungshilfe, gehören", so der Generalsekretär.
Kritik vor allem von der SPD
Bei den Koalitionspartnern SPD und Grünen stoßen die Pläne der FDP auf Kritik. Vor allem die Sozialdemokraten reagieren ablehnend. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert etwa erteilte dem Vorstoß zu Einschränkungen bei der Rente mit 63 im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF eine Absage. "Das ist mit uns nicht zu machen", so Kühnert
Er gehe ganz fest davon aus, dass das Bundeskabinett das Rentenpaket Zwei der Ampelkoalition noch im Mai und den Haushaltsplan 2025 im Juli beschließen werde. "Aber dafür sollten sich jetzt alle mit der Sache beschäftigen und weniger Punkte-Papiere veröffentlichen", fügte er hinzu. "Wenn man ganz viele Wunschpunkte in Papiere schreibt, dann wird man irgendwann zum Sams, aber man macht keine Politik", sagte Kühnert.
SPD-Parteichefin Saskia Esken sagte der Süddeutschen Zeitung, es sei wenig hilfreich, wenn die Verhandlungen zum Haushalt 2025 im Wochentakt mit parteinahen Positionspapieren begleitet würden. Sie wies die Kritik der FDP an der Rente mit 63 und am Bürgergeld zurück. Die soziale Sicherheit in Deutschland sei für die SPD nicht verhandelbar. "Insbesondere kommt eine Erhöhung des Renteneintrittsalters für uns nicht infrage, auch und gerade nicht für die, die lange Jahrzehnte hart gearbeitet haben und deshalb die Möglichkeit haben, vorgezogen in Rente zu gehen", sagte Esken.
"Haushalt muss Herausforderungen gerecht werden"
SPD-Fraktionsvize Achim Post sagte, die Sozialdemokraten würden nicht zulassen, dass die FDP Rentenkürzungen und Einschnitte beim sozialen Zusammenhalt zum Gegenstand der Haushaltsverhandlungen mache. "Das Letzte, was unser Land in dieser schweren Zeit braucht, ist eine Schrumpfkur beim sozialen Zusammenhalt."
Er könne "nur davor warnen, abstrakte Sparideen zum haushaltspolitischen Maß aller Dinge zu machen", so Post. "Angesichts von Krieg und Krisen ist es das oberste Gebot, dass der Haushalt der Realität und ihren Herausforderungen gerecht werden muss. Und das gelingt sicher nicht mit einem zusammengestutzten Sparhaushalt."
Habeck mahnt zur Mäßigung
Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen forderte FDP und SPD auf, ihren Streit über die Rentenpolitik beizulegen. Bei RTL und ntv äußerte er sein Unverständnis über die Debatte. "Ich wundere mich - und das Verwundern kommt daher, dass wir eigentlich eine Lösung haben", sagte Habeck. "Wir haben ein Rentenpaket, das haben sich SPD und FDP im Kern ausgedacht. Beide haben ihre Wünsche bekommen."
Seine Partei halte sich in der Debatte deshalb zurück. Die Grünen stünden im Streit um das Rentenpaket "über den Dingen", betonte der Bundeswirtschaftsminister. Gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) werde er "dann auch bald hoffentlich Lösungen präsentieren", sagte Habeck. "Insofern ist eigentlich alles auf dem Weg. Ich glaube, wir sollten den Streit schnell sein lassen."
Grüne stellen Schuldenbremse in Frage
Aber auch die Grünen stehen Teilen des Fünf-Punkte-Papiers der FDP ablehnend gegenüber. Fraktionsvize Konstantin von Notz kritisierte die Forderung nach Einhaltung der Schuldenbremse 2025. "In Zeiten, in denen unsere Freiheit von einem aggressiven Russland und Extremisten aller Couleur so unter Druck gesetzt wird wie derzeit, muss man Gewissheiten auf den Prüfstand stellen - auch die Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Form", sagte er.
Mit Blick auf notwendige Investitionen in die Bundeswehr, Polizei und Cybersicherheit sagte er, es gehe um sehr grundsätzliche Fragen für unser Gemeinwesen und nicht um Investitionen, von denen es schön wäre, sie machen zu können.
Streit über Bundeshaushalt reißt nicht ab
Somit geht der Koalitionsstreit über den Bundesetat für das Jahr 2025 weiter. Es ist bekannt, dass mehrere Ministerien die strengen Sparvorgaben von Finanzminister Lindner nicht einhalten wollen und Mehrbedarfe anmeldeten.
Entwicklungsministerin Schulze (SPD) warnte noch einmal vor zu großen Einsparungen im Etat ihres Hauses. Im Entwicklungsbereich sei schon sehr stark gekürzt worden, sagte sie am Sonntagabend im Bericht aus Berlin.
"Für die Sicherheit, die wir in Deutschland brauchen, brauchen wir militärische Sicherheit, wir brauchen die Diplomatie, wir brauchen aber auch die Entwicklungszusammenarbeit", sagte sie. "Wir können uns aus dieser Verantwortung nicht zurückziehen, wenn uns die Sicherheit in Deutschland wichtig ist. Und die ist uns wichtig, und deswegen gehört die Entwicklungspolitik ganz zentral mit dazu."