Altersgrenzen und Abschläge Früher in Rente - aber wie?
Nach einem langen Arbeitsleben wollen viele Beschäftigte möglichst früh in den Ruhestand gehen. Ab wann kann man die gesetzliche Rente beziehen? Und wer kann sich die Frührente überhaupt leisten?
Die vorgezogene Rente ist für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterhin ein Ziel. Trotz der Diskussion über eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit wollen sie möglichst früh die gesetzliche Rente beantragen.
In den vergangenen Jahren hat rund die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland vor dem eigentlichen Renteneintrittsalter die gesetzliche Rente beantragt. Das geht aus Daten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) hervor.
Renteneintritt bei rund 64 Jahren
Das tatsächliche Renteneintrittsalter lag zuletzt bei durchschnittlich rund 64 Jahren - und damit etwa zwei Jahre unter der aktuellen Regelaltersgrenze, ab der die künftigen Ruheständler eigentlich ihre gesetzliche Rente beantragen können. Die Regelaltersgrenze steigt ab dem Jahrgang 1964 auf 67 Jahre.
Ein Gutteil der Rentenanträge vor dieser Regelaltersgrenze geht auf das Konto der Erwerbstätigen, die 45 oder mehr Jahre an Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht haben. Sie gelten als "besonders langjährig Versicherte" und genießen besondere Privilegien, wie Henrik Arning vom VZ Vermögenszentrum erklärt: "Wenn sie es geschafft haben 45 anrechenbare Versicherungsjahre zu erreichen, dann können sie die Rente mit 65 abschlagfrei beziehen, sofern sie nach 1963 geboren sind. Wenn man vor 1963 geboren ist, dann kann man die Rente sogar noch früher abschlagsfrei beziehen“.
Auch Kindererziehungszeiten zählen mit
Zu den 45 Beitragsjahren zählen neben Beschäftigungszeiten mit Beitragszahlung auch Kindererziehungszeiten und unter Umständen sogar Zeiten, in denen Versicherte Arbeitslosengeld I bezogen haben. Auch freiwillige Rentenbeitragszahlungen werden dabei berücksichtigt - vorausgesetzt, dass mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge eingezahlt wurden.
Für die Gruppe der besonders langjährig Versicherten wurde einst die "Rente mit 63" ins Leben gerufen. Sie sollte Menschen mit einem sehr langen Arbeitsleben eine frühere Rente ermöglichen. Das ist auch heute noch möglich, allerdings ist das Mindestalter für diesen frühen Renteneintritt - ebenso wie für die "normale" Rente - sukzessive angehoben worden. Aus der Rente mit 63 ist damit inzwischen quasi die Rente mit 65 geworden. Weiterhin können diese Frührentner aber ohne Einbußen bei der Rentenhöhe in den Ruhestand wechseln.
Viele Facharbeiter unter den Frührentnern
Zu diesen Frührentnern zählen laut Expertin Ruth Schüler vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) mehr als Männer als Frauen, darunter viele Facharbeiter und relativ mehr Ostdeutsche in der Generation der geburtenstarken Jahrgänger der "Boomer"- Generation. Und es werden insgesamt mehr. "Circa ein Viertel der Neurentnerinnen und Neurentner gehen nach 45 Versicherungsjahren abschlagsfrei in Rente. Wenn nun wirklich sehr viele 'Boomer' tatsächlich diese 'Standardrentner', also Facharbeiter sind, dann müssen wir vermuten, dass der Anteil dieser Gruppe noch einmal steigt", so Schüler.
Zu den Rentnerinnen und Rentnern mit 45 Jahren Versicherungszeit kommt eine zweite Gruppe der Ruheständler: Die "langjährig Versicherten" bringen es auf 35 Versicherungsjahre. Sie müssen zwar ab dem Jahrgang 1964 bis zum 67 Lebensjahr warten, bis sie eine volle gesetzliche Rente beantragen können. Doch wer 35 Jahre an Versicherungszeiten vorzuweisen hat, kann schon mit 63 Jahren in Rente gehen.
Abschläge für "langjährig Versicherte"
Das allerdings hat seinen Preis, denn dann droht je Monat Frührente ein Abschlag von 0,3 Prozent, wie Rentenexperte Henrik Arning vorrechnet: "Der Herr Müller, der zum Beispiel 1.500 Euro Rente erwartet, und für sich selber entscheidet, ich möchte die Rente drei Jahre früher antreten, muss dann 0,3 Prozent mal 36 Monate an Abschlag in Kauf nehmen. Der Abschlag beträgt also 10,8 Prozent." Er erhält demnach im Monat nur noch 1.338 Euro. "Dabei geht es hier um die lebenslange Rente, dieser Abschlag bleibt also lebenslang bestehen."
Weil dennoch immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möglichst früh in den Ruhestand drängen, wird die Rentenkasse immer weiter angespannt. Allein die abschlagsfreie Frührente nach 45 Beitragsjahren verursacht Milliardenkosten, so IW-Expertin Schüler: "Tatsächlich ist es so, dass im Monat allein an Rentner und Rentnerinnen, die über diese Form in Rente gegangen sind, gut drei Milliarden Euro ausgeschüttet werden." Darin enthalten sind allerdings auch Ruheständler, die mittlerweile die Regelaltersgrenze erreicht haben.
Frührente bald nicht mehr möglich?
Gut möglich also, dass der Gesetzgeber bald deutliche Änderungen am bestehenden Rentensystem vornehmen muss: Etwa durch erhöhte Rentenbeiträge, durch ein Absenken des Rentenniveaus - oder aber durch eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters. Früher in Rente zu gehen, das dürfte dann für viele Beschäftigte gar nicht mehr möglich sein. Oder sie müssen dafür noch höhere Abschläge in Kauf nehmen.
Um diese Abschläge zu kompensieren, haben die künftigen Ruheständler wiederum mehrere Möglichkeiten: Dazu gehört etwa die Option, zusätzliche freiwillige Zahlungen an die Rentenkasse zu leisten, um das Rentenkonto aufzustocken. Dies ist auf Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung möglich. Durch den Wegfall der Zuverdienstgrenzen für Rentnerinnen und Rentner seit 2003 ist zudem ein Zusatzeinkommen auch während des Rentenbezugs leichter möglich.
Private Vorsorge als Zusatzrente
Und nicht zuletzt dürfte die private Vorsorge zum Ausgleich niedriger gesetzlicher Renten in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Ruhestandsberater Arning empfiehlt, sich am Kapitalmarkt fürs Alter zusätzlich abzusichern.
"Da helfen beispielsweise regelmäßige Sparbeiträge in den Aktienmarkt, vielleicht breit gestreut über Indexfonds, ETFs. Ein weltweit gestreutes ETF-Portfolio, kann sich, wenn man frühzeitig und regelmäßig dabeibleibt, lohnen", so der Experte. "Damit baut man sich parallel einen weiteren Teile der Altersvorsorge auf."