Christian Lindner (Archivbild)

Vor Dreikönigstreffen der FDP Raus aus der "Todeszone"

Stand: 06.01.2025 03:02 Uhr

Sieben Wochen vor der Bundestagswahl kommt die FDP zum Dreikönigstreffen zusammen. Parteichef Lindner will für die Liberalen eine Schlüsselrolle in der nächsten Regierung. Dabei droht die FDP zur Randfigur zu schrumpfen.

Von Frank Jahn, ARD Berlin

Sein oder Nichtsein, das ist die Frage für die FDP. Klingt theatralisch. Passt aber wohl ins Bild, wenn Christian Lindner und seine Liberalen im Stuttgarter Opernhaus am Dreikönigstag mit ihrer traditionellen Kundgebung ins politische Jahr starten.

Das Drama könnte diesmal größer kaum sein. Die FDP kämpft ums Überleben. Schon in sieben Wochen wird gewählt. Umfragen sehen die Liberalen bei drei bis vier Prozent. Sie müssen raus aus der "Todeszone", die Fünf-Prozent-Hürde hinter sich lassen. Den Freien Demokraten droht nach dem Ende ihrer Regierungszeit mit SPD und Grünen nun auch noch das Ausscheiden aus dem Parlament. Es geht ums Ganze für die FDP.

Über einen grundlegenden Richtungswechsel der deutschen Politik für die nächsten vier Jahre wolle er am Dreikönigstag sprechen, kündigt Parteichef Lindner bei Instagram an.

Selbstredend sieht Lindner seine FDP dabei nicht als Randfigur. Das Ziel sei es, eine Schlüsselrolle bei der künftigen Regierungsbildung zu spielen, betonte Lindner auch nach der Wahl zum Spitzenkandidaten für die Neuwahl. Wenn die FDP im Bundestag vertreten sei, könne Schwarz-Grün verhindert werden. Auch vor Schwarz-Rot warnt er als einer "Ampel light". Nur mit der FDP gebe es eine echte Regierung der Mitte.

Kurzum: Lindner erklärt die Zukunft seiner Liberalen zur Schicksalsfrage fürs Land. Viel Dramatik. Wer auf der Wahlkampfbühne gehört werden will, braucht deutliche Botschaften. Beim Dreikönigstreffen will Lindner klarmachen: Die FDP muss wieder die Richtung des Landes beeinflussen. Das Problem: Dafür muss zunächst die Richtung in den Umfragen stimmen.

FDP bei Wählern besonders unbeliebt

Zwar sind alle drei ehemalige Ampel-Parteien derzeit beim Wahlpublikum äußerst unbeliebt. Aber die FDP steht besonders schlecht da. Die FDP habe eine sehr kleine Kernwählerschaft und brauche auch die Zustimmung recht flexibler Wähler, sagte Politikwissenschaftlerin Sabine Kropp von der FU Berlin dem ARD-Hauptstadtstudio. Diese "situative Zustimmung" sei jedoch auch durch die Art und Weise, wie die FDP die Ampel beendet habe, begrenzt. Die Partei werde vielfach als nicht seriös angesehen, so Kropp.

Kein Wunder also, wenn die Freien Demokraten dringend die Debatten um das Ampel-Aus und ihr "D-Day-Papier" hinter sich lassen möchten. Ganz geschickt, könnte man meinen, sorgte der medienerfahrene Lindner für viel Aufmerksamkeit mit Sympathiebekundungen für Argentiniens Staatspräsident Javier Milei und US-Unternehmer Elon Musk.

Statt über Schuld und Stil der FDP beim Ende der Koalition, diskutiert das Land, ob die radikalen Wirtschaftsreformen des kettensägenschwingenden Milei und die Ideen von Musk für mehr Markt und weniger Staat als Vorbild für Deutschland taugen könnten. Der Flirt von Lindner mit rechts-libertären Positionen - "mehr Musk und Milei" - habe sich angesichts der Ausfälle Musks als klassisches Eigentor erwiesen, so Kropp. Schließlich habe Musk der AfD, nicht aber der FDP seine Unterstützung zuteil werden lassen.

Klares Werben um die Union

Und noch etwas könnte das Schwächeln der FDP in Umfragen erklären: die Nähe zur Union. Christian Lindner wirbt ganz klar für ein Bündnis mit CDU und CSU: Schwarz-Gelb sei die beste Regierung fürs Land. Zwar erwidert der Wunschpartner das Werben bislang nicht mit derselben Inbrunst. Nach dem desaströsen Scheitern der Ampel mit SPD und Grünen scheint es aber nahezu zwangsläufig, dass die FDP die Koalition mit der Union als Alternative sieht.

Doch wesentliche Teile ihrer Programmatik für den Wahlkampf werden auch von der Union vertreten. Und da könnten die Unterschiede zur FDP verschwimmen. Wie die Union, verspricht auch die FDP eine Wende in der Wirtschaft und in der Migration. Vereinzelt ist Kritik im eigenen Lager zu hören, die Warnung vor inhaltlicher Verengung.

Das liberale Urgestein Helmut Schäfer erklärte am vergangenen Donnerstag seinen Austritt. Der 91-Jährige war unter Kanzler Helmut Kohl Staatsminister im Auswärtigen Amt und wirft Lindner vor, die außenpolitische Verantwortung an die Grünen abzugeben und zu vergessen, wofür die Partei von Dietrich Genscher mal stand.

Liberale Kernthemen gibt es noch

Liberale Kernthemen finden sich sehr wohl im Wahlprogramm der FDP. Unter dem Titel "Alles lässt sich ändern" bietet es thematisch sozusagen das volle Sortiment, inklusive freiheitlich-demokratischer Standpunkte zu Außenpolitik und Bürgerrechten. Ganz vorn steht im Positionspapier Politik für bessere Bildung. Doch auf den Wahlplakaten mit viel Gelb und Schwarz stechen Botschaften heraus wie "Alles geben. Auch für Deinen Job" und "Migration: Auch guter Wille muss Grenzen setzen".

Die Parteiführung sieht sich mit ihrer Strategie nahe an den wichtigsten Sorgen der Menschen um Arbeit und Sicherheit. Doch mehr Wachstum und Wohlstand sowie eine bessere Steuerung der Zuwanderung versprechen eben auch CDU und CSU. Das Dilemma für die FDP ist für Politologin Kropp offenkundig: Strategische Wähler würden es sich gut überlegen, ob sie der FDP ihre Stimme geben, solange die Partei in Umfragen deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde liegt.

Eher belastet als befreit

Genau zwei Monate liegt der Bruch der Koalition zurück. Das Bündnis mit SPD und Grünen war unter FDP-Anhängern nie sonderlich beliebt. Nun kann die Partei ohne Rücksicht auf die alten Regierungspartner für FDP pur werben. Dennoch wirkt sie nach dem Aus der Ampel eher belastet als befreit.

Und die Zeit rennt. Auf der Bühne in Stuttgart muss Parteichef Lindner Zuversicht verbreiten und Wähler gewinnen. Sicher ist dem Frontmann zumindest viel Applaus in den eigenen Reihen. Die große Geschlossenheit der FDP stärkt dem Mann im Rampenlicht den Rücken. Einen offenen Streit über den Kurs wie in der Union um Schwarz-Grün oder um Köpfe wie in der SPD um Scholz und Boris Pistorius gibt es in der FDP nicht. Lindner spielt die Hauptrolle und ist in der Partei nahezu unumstritten.

Mit ihm an der Spitze schafften die Freien Demokraten 2017 den Wiedereinzug in den Bundestag und 2021 den Weg in die Bundesregierung. Nun muss mit ihm aber erneut ein Kunststück gelingen. Sein oder Nichtsein ist sozusagen die Frage. Führt Lindner die FDP auch diesmal wieder in den Bundestag oder versinkt sie unter ihm in der Bedeutungslosigkeit?

Jan Zimmermann, ARD Berlin, tagesschau, 06.01.2025 10:19 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 06. Januar 2025 um 08:59 Uhr.