Christian Lindner und Friedrich Merz nehmen im Plenum an der Sitzung des Bundestags teil. (Archiv)
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Wahlprogramme der Parteien Wer könnte mit wem regieren?

Stand: 17.12.2024 19:21 Uhr

Die Wahlprogramme von Union, SPD, Grünen und FDP zeigen: Politische Lager werden wieder sichtbarer. Welche Parteien miteinander können und welche nicht.

Eine Analyse von Corinna Emundts, ARD-aktuell

Die Vertrauensfrage des SPD-Kanzlers ist kaum verhallt, da zeigt sich schon ein Paradox: Grund für die vorzeitigen Neuwahlen ist das Scheitern dreier Parteien, die sich inhaltlich nicht mehr einigen konnten. Jetzt, wo neue Schnittmengen gefragt wären, vertiefen sich die Gräben noch durch die aufgeschriebenen Wahlprofile.

Hier wird gerade bei denen, die nach der Wahl womöglich zusammenkommen müssen, auf provokative Konfrontation gesetzt. Die politischen Lager werden sichtbarer.

Viele Gemeinsamkeiten bei Union und FDP

Die Merz-Union gibt sich Mühe, sich inhaltlich deutlich vom Image der Merkel- und zuletzt Laschet-CDU aus den Jahren der Großen Koalition zu entfernen. An vielen Punkten ist sie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, aber auch in der Sozialpolitik nah an den marktliberalen Forderungen der FDP. Ebenso mit ihren steuerpolitischen Vorschlägen: Sie plädieren für eine Senkung des Spitzensteuersatzes und die Abschaffung des Soli - der aktuell nur noch Besserverdienende, GmbHs und andere Körperschaften trifft.

Man könnte sagen, in den Wahlprogrammen existiert bereits eine schwarz-gelbe Koalition, in jedem Fall als klar erkennbares politisches Lager: Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wollen Union und FDP keinesfalls reformieren. Beide würden dafür aber ihre kostspielige Steuer- und Wirtschaftspolitik unter anderem durch sozialpolitische Einsparungen wie etwa beim Bürgergeld finanzieren.

Christoph Mestmacher, ARD Berlin, zu den vorgestellten Wahlprogrammen der Parteien

tagesschau24, 17.12.2024 16:00 Uhr

Allerdings wird das Unions-Wahlprogramm bereits unter Ökonomen wegen der fehlenden Gegenfinanzierung kritisiert. DIW-Steuerexperte Stefan Bach hält Entlastungen von 99 Milliarden Euro oder 2,2 Prozent der Wirtschaftsleistung für "fiskalisch recht ambitioniert", schreibt er auf der Plattform X - selbst wenn auch die Union früher oder später an die Schuldenbremse herangehen werde.

Die Schuldenbremse war einer die größten Zankäpfel der Ampelkoalition, der sie am Ende mit zerriss - SPD und Grüne forderten eine Reform zur Finanzierung von Investitionen, die FDP lehnte jede Aufweichung ab. In der Union selbst gab es in der laufenden Legislaturperiode dazu verschieden Meinungen, auch Unions-Länderchefs zeigten sich offen für die Reform. Im Unions-Wahlprogramm ist davon nichts mehr zu lesen.

Umfragen deuten auf etwas anderes hin

CDU-Chef Friedrich Merz favorisiert derzeit erkennbar die Lindner-FDP und ihre Positionen als Wunschkoalitionspartnerin. Auch in der Ukraine-Politik wären die beiden Partner äußerst kompatibel. Dabei ist nach dem Stand der Wahlumfragen heute eine Große Koalition mit der SPD für die Union deutlich wahrscheinlicher als ein Zweierbündnis mit der FDP.

Die liberale Partei muss nach aktuellem Stand sogar um den Wiedereinzug in den Bundestag wegen der Fünf-Prozent-Hürde bangen. Die Lager existieren also zunächst nur auf dem Papier der Programme - und im Wahlkampf.

Rot-grünes Lager inhaltlich sichtbar

Auch ein rot-grünes Lager wird hier inhaltlich sichtbar - nicht nur in der Steuer- und Finanzpolitik: Dort wollen SPD wie Grüne weiter eine Vermögenssteuer einführen, die mit der FDP in der Ampelkoalition nicht umsetzbar war. Während die Union auf eine "Begrenzung der Zuwanderung", einen "faktischen Aufnahmestopp", Kontrollen und "konsequente Zurückweisungen" an den Grenzen setzt, betonen SPD und Grüne eher die "humanitäre Verantwortung" in der Asyl- und Flüchtlingspolitik.

Doch eine Mehrheit für ein Zweierbündnis aus SPD und Grünen ist den Umfragen nach nicht annähernd in Sicht.

Wie realistisch wäre Schwarz-Grün?

Da wäre eher noch ein schwarz-grünes Bündnis nach heutigem Stand erreichbar, es wäre ein Novum in der Bundespolitik. Dafür müssten beide jedoch einige Knackpunkte ihrer aktuellen Wahlprogramme nach der Neuwahl schnell in der Schublade verstauben lassen - ähnlich wie SPD und Union im Fall einer Großen Koalition.

Bei manchen Themen sind sich Union und Grüne durchaus näher als zur SPD: Bei der Ukraine-Politik etwa hätten beide auch bisher schon mehr Unterstützung gewagt als SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz.

Bei der Rente sind die Grünen für Kapitallösungen wie einen "Bürgerfonds" offen, möglicherweise auch für eine Bürgergeld-Reform, auch sie wollen im Programm "Arbeitsanreize im Bürgergeldsystem" etwa durch Steuergutschriften erhöhen. Die Umwandlung der Hartz-IV-Bezüge in ein Bürgergeld war stets ein Leuchtturm der SPD-Wahlprogrammatik.

Mit Unvereinbarkeit zu anderen Parteiprogrammen fällt die AfD auf, sei es bei ihrer Forderung, aus der EU auszutreten und auch aus dem Pariser Klimaschutzabkommen.

Fehlen die Brückenbauer?

Nach der Wahl wird aller Voraussicht nach lagerübergreifend regiert und gearbeitet werden - nun, vor der Wahl wird sich der Wahlkampf dennoch durch vertiefte Polarisierung auszeichnen. Der Politologe Uwe Jun ist skeptisch, ob das nach so vertieften Auseinandersetzungen gelingen kann.

Dafür brauche es Brückenbauer wie einst Angela Merkel, die der SPD weit entgegenkam, erläuterte Jun im Deutschlandfunk. Schon der Ampel sei der Bau tragfähiger Brücken nicht gelungen.

Mit Informationen von Uli Hauck, ARD-Hauptstadtstudio

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 17. Dezember 2024 um 18:00 Uhr.