Das Logo der AfD steht auf einem Schlüsselband der AfD bei dem Landesparteitag der Berliner AfD.

Bundestag Wie "normal" soll der Umgang mit der AfD sein?

Stand: 15.04.2025 10:54 Uhr

Nicht zum ersten Mal gibt es Streit darüber, wie mit der AfD umgegangen werden soll. Immerhin geht es um die zweitgrößte Fraktion im Bundestag. In der CDU verweisen einige auf parlamentarische Rechte und warnen vor einer "Opferrolle".

Im Wahlkampf hatte es CDU-Chef Friedrich Merz immer wieder betont: Nein, es werde keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Doch auch nach der Bundestagswahl, nach erfolgreichen Koalitionsgesprächen und damit der Einigung auf eine künftige schwarz-rote Regierung bleibt die Frage bestehen: Wie umgehen mit der nun stärksten Oppositionspartei im Bundestag?

Diese Frage erhält derzeit vor allem Aufwind, weil im Bundestag die Vorsitzenden der verschiedenen Ausschüsse gewählt werden sollen. Posten, auf die auch die AfD als zweitstärkste Fraktion Anspruch erhebt. Und aus Sicht des stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul, sollte dieser Anspruch auch erfüllt werden.

Wadephul: Verweigerung führt zu "Märtyrerstatus"

Die AfD sei die zweitgrößte Fraktion im Bundestag. "Diese Realität müssen wir anerkennen", sagte Wadephul dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Daher sei er dafür, "AfD-Kandidaten für Ausschussvorsitze zu wählen, wenn sie in der Vergangenheit nicht negativ aufgefallen sind". Der AfD diese Posten zu verweigern, habe dazu geführt, dass die Partei "ihren Märtyrerstatus" aufrecht erhalten könne.

Doch die Chefposten in den Ausschüssen sollen auch wieder gewechselt werden können, sollten die gewählten Vorsitzenden negativ auffallen, betonte Wadephul weiter und kündigte an, dass dies explizit in die neue Geschäftsordnung des Bundestags aufgenommen werden solle.

Spahn: AfD behandeln wie jede andere Oppositionspartei

Schon am Wochenende hatte der ehemalige Gesundheitsminister und stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Jens Spahn, die Debatte befeuert. Und sich, wie nun auch Wadephul, dafür ausgesprochen, die AfD bei Verfahren und Abläufen im Bundestag wie jede andere dort vertretene Oppositionspartei zu behandeln. Also wie auch die Grünen und die Linkspartei.

Die Politik müsse anerkennen, wie viele Millionen Deutsche die AfD gewählt hätten, hatte der CDU-Politiker in der Bild-Zeitung gemahnt und von "Geschäftsordnungstricks" im Umgang mit der AfD gewarnt, die der Partei eine "Opferrolle" ermöglichen würden. Den zuletzt nochmals gestiegenen Umfragewerten der AfD könne nur durch "harte Auseinandersetzung und einer besseren Politik" entgegengesteuert werden.

Kretschmer: Demokratische Rechte gelten für alle Abgeordneten

Eine Sichtweise, die nicht nur durch Wadephul einen Fürsprecher findet. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer mahnte im Morgenmagazin von ARD und ZDF, die eigentlichen demokratischen Rechte für jeden Abgeordneten sollten auch für die AfD gelten, "weil man ansonsten sie stark macht und nicht schwächt".

Das Credo, dass es mit der AfD keine Zusammenarbeit und erst recht keine Koalition geben werde, gelte aber weiterhin. Denn die AfD "ist eine rechtsextreme Partei, sie will die Demokratie abschaffen", betonte Kretschmer. Das Nein zur Zusammenarbeit mit der AfD hatte die CDU seit Ende Januar immer wieder klar in den Vordergrund gestellt, nachdem ein eigener Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag mithilfe von Stimmen der AfD angenommen worden war. Das Votum hatte bundesweit Proteste ausgelöst.

Auch vonseiten des CDU-Politikers Philipp Amthor erhält Spahn Rückenwind. Mit seinen Äußerungen sei es dem Fraktionsvize "ganz offensichtlich nicht um eine Bagatellisierung der AfD" gegangen, sagte Amthor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sondern "um den berechtigten Hinweis, dass man diese Truppe anstatt durch parlamentsrechtliche Kniffe besser durch eine leidenschaftlich-inhaltliche Auseinandersetzung zurückdrängen sollte".

Kiesewetter: "Sicherheitsgefahr für Deutschland"

Doch nicht bei allen in der Union und dem künftigen Regierungspartner SPD kommen Spahns Aussagen gut an. Der Vizevorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Roderich Kiesewetter, warnte ausdrücklich davor, die AfD in sicherheitsrelevante Bundestagsgremien oder gar als Ausschussvorsitze zu wählen. Für den CDU-Politiker stellt die AfD eine "Sicherheitsgefahr für Deutschland" dar. Denn AfD-Abgeordnete "machen sich regelmäßig nachweislich zum Sprachrohr russischer und chinesischer Desinformation und sie verändern Schritt für Schritt den Diskurs in Deutschland", kritisierte Kiesewetter im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Direkte Kritik erntete Spahn von SPD-Chefin Saskia Esken. Sie bezeichnete seine Äußerungen als "wirklich sehr, sehr empörend und gefährlich" und mahnte, die AfD sei keine demokratische Partei. Und auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, lehnte es ab, die AfD "normalisieren" zu wollen. Wer mit mutmaßlichen Tricksereien bei der Geschäftsordnung argumentiere, "stellt legitime demokratische Entscheidungen in Zweifel und übernimmt damit die Rhetorik derer, die unsere Institutionen und unser Land schwächen wollen", mahnte Mast.

Uwe Jahn, ARD Berlin, tagesschau, 15.04.2025 11:08 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. April 2025 um 11:00 Uhr in den Nachrichten.