Leitfaden für Präsenzunterricht Lüften, Masken und Kohorten
Kann Präsenzunterricht unter Corona-Bedingungen funktionieren? In einem neuen Leitfaden halten Experten das Risiko mit strengen Hygieneregeln für beherrschbar. Bildungsministerin Karliczek mahnte dennoch zur Vorsicht.
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat zu Zurückhaltung bei möglichen Schulöffnungen aufgerufen. Das Thema werde am Mittwoch bei den Beratungen von Bund und Ländern sicher eines der bestimmenden Themen sein, sagte sie. "Bislang waren Vorsicht und Vorbeugung die entscheidenenden Grundlagen für die getroffenen Entscheidungen. (...) Das halte ich auch nach wie vor für richtig. Wir müssen weiter vorsichtig sein."
Wenn in der gegenwärtigen Situation eine Entscheidung für Schulöffnungen falle, sei es wichtig, "dass wir Schritt für Schritt und immer auf wissenschaftlicher Basis dieses Thema angehen", sagte Karliczek. Mit Blick auf die Beratungen am Mittwoch sagte sie: "Ich denke (...), dass es weitgehend Einigkeit darüber gibt, dass eben jetzt noch nicht die Zeit ist für leichtfertige Lockerungen, damit wir die mühsamen Erfolge der vergangenen Wochen gegen dieses Virus nicht zunichte machen."
"Möglichst große Sicherheit für alle"
Gemeinsam mit Vertretern verschiedener wissenschaftlicher Fachgesellschaften, Experten und Vertretern aus dem Schulbereich stellte Karliczek einen gemeinsamen Leitfaden zur Prävention und Kontrolle von Corona-Übertragungen in Schulen vor. Strenge Hygienemaßnahmen könnten einen Schulbetrieb mit Präsenzunterricht auch dann möglich machen, wenn die Corona-Pandemie anhält, heißt es in dem Papier.
Die Entscheidung, ob die Schulen wieder öffnen, müsse von der Politik getroffen werden, sagte Karliczek. Die Leitlinien sollten Empfehlungen dafür geben, wie eine solche Öffnung dann unter Pandemie-Bedingungen konkret gestaltet werden könne. Es gehe um "möglichst viel Präsenzunterricht bei möglichst großer Sicherheit für alle in der Schule". Die "Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle" des Infektionsgeschehens müssten dabei "noch konsequenter ausfallen als in der Vergangenheit".
Masken und Kohortenbildung empfohlen
Das von Karliczeks Ministerium unterstützte Expertenteam stützt seine Handlungsempfehlungen nach eigenen Angaben auf die Auswertung von rund 40 wissenschaftlichen Studien. Ziel der Leitlinien sei es, "allen Beteiligten wissenschaftlich fundierte und konzentrierte Handlungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen", schreiben die Experten in dem Papier. Die gemeinsame Einschätzung, welche Maßnahmen etwas bringen, richtet sich an Ministerien, Behörden, Schulen, Lehrer, Schüler und Eltern.
Um die Infektionsgefahr in den Schulen zu minimieren, empfehlen die Expertinnen und Experten je nach Infektionsgeschehen die Bildung sogenannter Kohorten an Schulen, also die Einteilung von Schülern in feste Gruppen und eine Trennung, etwa jahrgangs- oder klassenweise. Bei höheren Ansteckungszahlen wird Klassenteilung und Wechselunterricht empfohlen. Bei der Rückkehr in den Präsenzunterricht sollen zuerst Grundschüler dran sein.
Die Leitlinie empfiehlt ab "hohem Infektionsgeschehen" auch das Tragen von medizinischen Masken in Schulen. "Mit Maskentragen gehen geringe gesundheitliche Nebenwirkungen einher. Es gibt keine Evidenz für mögliche Schäden durch Tragen einer Maske", heißt es in dem Papier. Bei hohen Corona-Zahlen wird zudem eine Entzerrung des Schülerverkehrs und das Tragen von OP-Masken im Schulbus empfohlen.
Lüftungsanlagen "als ergänzende Maßnahme"
Ebenfalls befürwortet wird in dem Papier die inzwischen bekannte Lüftungsempfehlung des Umweltbundesamtes: alle 20 Minuten drei bis fünf Minuten Stoßlüften. Als gleichwertig wird eine "geeignete Lüftungs- oder raumlufttechnische Anlage" bezeichnet. Damit sind aber keine mobilen Luftreiniger gemeint. Diese Geräte sollen, so die Empfehlung, nur "als ergänzende Maßnahme" zum Einsatz kommen, wenn grundsätzlich ausreichend gelüftet werden kann. Für die Wiederaufnahme des Sport- und Musikunterrichts soll es besondere Auflagen geben. Außerdem empfehlen die Experten, mehr Busse und Bahnen zum Schülertransport einzusetzen.
Konkrete Empfehlungen gibt es auch für den Umgang mit Corona-Verdachtsfällen im Klassenverband sowie für das Vorgehen nach Risiko-Kontakten von Schülern oder Lehrern. Der Präsenzunterricht könne nur funktionieren, wenn das gesamte Paket umgesetzt werde, betonten die Wissenschaftler.
Bisher haben die Bundesländer meist nur einzelne dieser Maßnahmen umgesetzt, auch weil sie einen erhöhten Personalaufwand bedeuten. Die Schulen sind von den für Bildung zuständigen Ländern aber mittlerweile bis auf eine Notbetreuung und Ausnahmen für Abschlussklassen geschlossen worden.