Keine Mehrheit für Verkehrsreform Neues Straßenverkehrsgesetz scheitert im Bundesrat
Mehr Tempo-30-Zonen, Spielstraßen und Bus- und Fahrradspuren - die Ampel will ein neues Straßenverkehrsrecht. Doch die Landesregierungen haben die Reform von Verkehrsminister Wissing überraschend blockiert.
Neuregelungen im Straßenverkehrsrecht, die Städten und Gemeinden mehr Spielraum etwa für die Einrichtung von Busspuren und Tempo-30-Zonen geben sollten, sind im Bundesrat gescheitert.
Ein vom Bundestag beschlossenes zustimmungspflichtiges Gesetz verfehlte in der Länderkammer die erforderliche Mehrheit. Die Novelle der Straßenverkehrsordnung kann daher vorerst nicht in Kraft treten. Nun könnte der Vermittlungsausschuss angerufen werden, um über einen Kompromiss zu verhandeln.
Mehr Gewicht auf Klima- und Umweltschutz
Das Gesetzesvorhaben sah vor, dass Länder und Kommunen mehr Flexibilität bei der Verkehrsgestaltung bekommen. Gemeinden könnten dann etwa dem öffentlichen Nahverkehr oder Fahrzeugen mit alternativen Antrieben durch Sonderspuren Vorrecht einräumen, Radwege ausbauen, Spielstraßen einrichten oder Tempo 30 im Umfeld von Schulen und Kitas anordnen. Auch für die Regeln für Anwohnerparkplätzen sollte es mehr Spielraum geben.
Die Sicherheit des Verkehrs und das zügige Vorankommen sollen die Kommunen dabei zwar weiter berücksichtigen, beides ist für Entscheidungen aber nicht mehr allein ausschlaggebend. Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz sollen stattdessen eine größere Rolle spielen.
Wissing: "Handlungsspielraum nicht gewünscht"
Dass die Länder das Vorhaben nun stoppen, kommt überraschend. Vor rund einem Jahr hatten sich mehrere Städte in einem Brief an die Bundesregierung gewandt. Sie forderten darin mehr Flexibilität, um vor Ort entscheiden zu können, auf welchen Straßen sie das Tempo reduzieren möchten.
Doch laut Winfried Hermann, Verkehrsminister von Baden-Württemberg, wurden zuletzt Vorbehalte gegen das Gesetz geäußert. Vor der Abstimmung warb der Grünen-Politiker noch einmal für die Novelle. Der Fokus auf den Klimaschutz stelle keinesfalls die Verkehrssicherheit infrage, argumentierte er.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing bedauerte das Scheitern der Neuregelungen im Straßenverkehr. "Ich bedauere sehr, dass die Länder der Anpassung des Straßenverkehrsgesetzes im Bundesrat nicht zugestimmt haben", sagte der FDP-Politiker der Nachrichtenagentur dpa in Mainz. "Wir wollten den Kommunen mehr Handlungsspielraum vor Ort geben. Offensichtlich ist das seitens der Länder aber nicht gewünscht."
Umweltministerin Steffi Lemke sagte, es sei eine große Chance vergeben worden. Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) wäre gestärkt worden, Radfahrer und Fußgänger hätten sich freier und sicherer in Städten bewegen können, betonte die Grünen-Politikerin.
Städtetag enttäuscht über Scheitern der Reform
Mehrere Länder kritisierten das Scheitern der Pläne. Der Deutsche Städtetag erklärte, die Reform wäre ein erster Schritt gewesen, mehr Entscheidungsspielraum bei der Planung und Verkehrssteuerung vor Ort zu geben. Bund und Länder müssten sich jetzt zusammenraufen und möglichst schnell eine Lösung finden.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) reagierte schockiert und warnte vor Verschlechterungen für die Sicherheit von Radfahrerinnen und Radfahrern und einem Stillstand beim Ausbau der Radwegenetze.
Mit Informationen von Katharina Seiler, ARD-Hauptstadtstudio