Schienen, Straßen und Brücken Welche Verkehrsreformen die Ampel plant
Bundeskanzler Scholz hat das "Deutschland-Tempo" ausgerufen. Bei zentralen Vorhaben im Verkehrsbereich stockte es aber zuletzt in der Koalition. Nun gibt es einen Durchbruch. Was ist geplant? Ein Überblick.
Es ist nicht frei von Ironie, dass ausgerechnet Gesetze für mehr Geschwindigkeit ihren Weg eher langsam in den Bundestag finden. Schon im März hatte sich die Ampelkoalition dreißig Stunden zusammengesetzt, diskutiert, verhandelt und einen Kompromiss über nötige Verkehrsreformen beschlossen.
Doch eben dieser Kompromiss bekam Risse und wurde noch einmal wochenlang neuverhandelt. Dabei geht es zum einen um eine schnellere Planung und Genehmigung bestimmter Schienen- und Autobahnprojekte und die Sanierung maroder Brücken, zum anderen um eine Ausweitung der Lkw-Maut.
Jetzt ist den Ampelfraktionen ein „Durchbruch“ gelungen, wie SPD-Fraktionsvize Detlef Müller es nannte. "Dieses Land erstickt in Langsamkeit bei Großprojekten", sagte FDP-Fraktionschef Johannes Vogel. "Da müssen wir endlich von der Bremse gehen und das wird jetzt gelingen." Auch die Grünen scheinen mit dem Gesetzespaket ihren Frieden gemacht zu haben. "Ich glaube, dass ist jetzt mit den unterschiedlichen Aspekten sehr gut gelungen", sagte die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion Britta Haßelmann. "Sodass wir als Ampel sagen können, wir tun jetzt was für die Mobilität und für die dringend notwendigen Sanierungen."
Das viel zitierte "Deutschlandtempo" im Verkehrsbereich soll nun also tatsächlich mit Leben gefüllt werden. Ein Überblick.
Planungsbeschleunigung
Im Verkehrsbereich soll ein Sanierungsstau aufgehoben werden. Dabei geht es um eine beschleunigte Realisierung von Schienenprojekten, aber auch um Autobahnprojekte, die Stauschwerpunkte und Engstellen sind. Konkret geht es um Spurerweiterungen.
Insgesamt sollen 138 Autobahnprojekte beschleunigt umgesetzt werden. Das geht aus einem Änderungsantrag von SPD, Grünen und FDP zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung hervor, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Die Hälfte der Projekte liegt demnach in Nordrhein-Westfalen.
Bei den Grünen hatte es lange Vorbehalte gegen eine Planungsbeschleunigung bei Autobahnen gegeben. Die Liste der zu beschleunigenden Autobahnausbauten sei "abschließend" und gelte einmalig, heißt es nun in einem Papier der Grünen, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Aus FDP-Kreisen heißt es, Autobahnprojekte würden jetzt genau so wie im März schon vereinbart beschlossen.
Marode Brücken sollen einen "Reparatur-Booster" bekommen. Die Sanierung von Brücken werde durch eine Reihe von Vereinfachungen und Ausnahmen schneller.
Zudem soll künftig jede verfügbare Fläche an Autobahnen für die Solarerzeugung genutzt werden, heißt es in dem Papier. Wie schnell die Projekte realisiert würden, hänge von den zur Verfügung stehenden Investitionsmitteln ab.
Lkw-Maut
Bei der Lkw-Maut soll wie bereits im Gesetzentwurf vorgesehen ein CO2-Aufschlag eingeführt werden. Damit will die Ampelkoalition Anreize setzen, um den Umstieg auf Lastwagen mit klimafreundlichen Antrieben zu beschleunigen. Milliardenschwere Einnahmen aus der Lkw-Maut sollen erstmals auch in die Schiene fließen.
Schienensanierung
Das Schienennetz in Deutschland ist zum Teil marode, die Folge sind Zugausfälle und Verspätungen. Ab dem kommenden Sommer bis 2030 sollen nun besonders stark belastete Strecken grundlegend saniert werden.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte Mitte September gesagt, der Bund wolle der Schiene bis 2027 zusätzlich rund 40 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Im Grünen-Papier ist nun die Rede von 45 Milliarden Euro. Ein Großteil der Mittel soll aus der Reform der Lkw-Maut kommen.
Dem Papier der Grünen zufolge sollen 312 Schienenprojekte mit einer Gesamtlänge von 4.500 Kilometern beschleunigt umgesetzt werden.
Straßenverkehrsgesetz
"Statt Straße und Auto werden künftig Menschen und ihre Gesundheit sowie Klimaschutz stärker in den Mittelpunkt der Verkehrspolitik rücken", sagte Grünen-Fraktionsvize Julia Verlinden.
Hintergrund ist, dass im Straßenverkehrsgesetz neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs auch die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden sollen. Insbesondere für Radfahrer und Fußgänger sollen die Wege sicherer werden, heißt es in dem Grünen-Papier.
Die Kommunen sollen mit der Reform die Möglichkeit erhalten, Verkehrsplanungen und -regelungen an den Bedürfnissen der Menschen auszurichten. So sollen Kommunen zum Beispiel leichter Tempo-30-Zonen einrichten können.
Wie geht es weiter?
Gesetzentwürfe sollen nun noch in dieser Woche vom Bundestag beschlossen werden. Der Bundesrat muss den Änderungen dann noch zustimmen. Einige Landesverkehrsminister hatten bereits signalisiert, dass sie noch Verbesserungsbedarf sehen. Konkrete Regelungen stehen dann in der Straßenverkehrsordnung, die ebenfalls geändert werden soll.
Kritik kam von Umweltverbänden. "Es ist keine gute Entwicklung, dass Autobahnen jetzt teilweise auf bis zu zehn Spuren verbreitert werden sollen", sagte Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik des BUND. Der BUND lehne die aktuellen Pläne ab, da sie Beschleunigung vor allem durch Einschränkung von Beteiligungs- und Rechtsschutzverfahren bei der Planungsgenehmigung erreichen wollten.
Greenpeace-Mobilitätsexpertin Lena Donat sprach von einem Desinteresse am Schutz von Natur und Klima. "Jeder weitere Kilometer Autobahn zerstört Natur, verursacht noch mehr Stau und verschwendet viele Millionen an Steuergeldern für falsche Verkehrsprojekte", so Donat.
Mit Informationen von Torben Ostermann, ARD-Hauptstadtstudio.