Vorschläge der Innenministerin Wie Abschiebungen geregelt sind - und was Faeser plant
Innenministerin Faeser hat verschärfte Abschieberegelungen vorgeschlagen. Welche Kritik gibt es an ihren Plänen, wie ist die Abschiebungshaft derzeit geregelt und was bedeutet eine Duldung? Ein Überblick.
Worum geht es bei Nancy Faesers Abschiebeplänen?
Von einer "Rückführungsoffensive" ist in der Politik derzeit oft die Rede, wenn es um das Thema Abschiebungen geht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat jetzt verschärfte Abschieberegelungen vorgeschlagen. Nach ihren Plänen sollen Ausreisepflichtige nicht nur zehn, sondern bis zu 28 Tage in Gewahrsam genommen werden dürfen. Das soll den Behörden mehr Zeit geben, eine Abschiebung vorzubereiten.
Außerdem soll die Polizei künftig mehr Räume in Flüchtlingsunterkünften betreten dürfen - nicht nur das Zimmer der Person, die abgeschoben werden soll. Die Vorschläge enthalten teils deutliche Verschärfungen. So sollen Angehörige einer kriminellen Vereinigung auch ausgewiesen werden können, wenn sie noch keine Straftaten begangen haben. Außerdem sollen Menschen in Abschiebungshaft kommen können, selbst wenn ihr Asylverfahren noch läuft und ihnen deshalb der Aufenthalt in Deutschland eigentlich gestattet ist.
2022 waren laut Ausländerzentralregister insgesamt 304.000 Menschen ausreisepflichtig. Allerdings waren davon 248.000 Geduldete.
Was ist eine Duldung?
Von einer Duldung spricht man, wenn jemand zwar keinen Aufenthaltstitel hat, aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden kann. Zum Beispiel, weil der Ausreisepflichtige krank ist.
Die gesetzlichen Regelungen zur Krankheit bei Abschiebungen sind allerdings streng. Es wird nämlich gesetzlich vermutet, dass gesundheitliche Gründe einer Abschiebung nicht entgegenstehen. Eine Krankheit muss also durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung besonders nachgewiesen werden. Daneben ist eine Abschiebung auch ausgeschlossen, wenn dem Ausreisepflichtigen im Zielstaat der Abschiebung Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit drohen.
Wer ist für Abschiebungen zuständig?
Über Asylanträge entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als selbständige Bundesoberbehörde. Dabei prüft das Bundesamt zunächst, ob ein anderer EU-Mitgliedstaat für den Asylantrag zuständig ist. Das BAMF muss auch prüfen, ob ein Abschiebungsverbot besteht, weil einem Geflüchteten im Zielstaat der Abschiebung eine Gefahr droht. Für die Frage, ob ein Ausreisepflichtiger eine Duldung bekommt, weil er zum Beispiel krank ist, ist nicht das BAMF zuständig. Das prüfen die Ausländerbehörden der Bundesländer.
Wenn das BAMF keinen Schutz gewährt, lehnt es den Antrag ab und schreibt in seinen Bescheid zusätzlich auch noch eine Androhung oder Anordnung der Abschiebung. Durchgeführt wird die Abschiebung dann von den Ländern, also den Ausländerbehörden und der Polizei. Bei manchen Abschiebungsfällen an den Grenzen auch von der Bundespolizei.
Wie funktioniert die Abschiebungshaft?
In der politischen Debatte ist oft allgemein von "Abschiebehaft" die Rede, im Gesetz steht der Begriff "Abschiebungshaft". Inhaltlich muss man verschiedene Haftmaßnahmen unterscheiden. Da gibt es zunächst die Sicherungshaft, die dazu dient, die Abschiebung zu sichern. Eine Person kann in Haft kommen, wenn Fluchtgefahr besteht, wenn der Grund der Ausreisepflicht eine unerlaubte Einreise ist oder wenn durch die Abschiebung zum Beispiel eine terroristische Gefahr abgewehrt werden soll. Die Sicherungshaft kann bis zu 18 Monate dauern und muss von einem Richter angeordnet werden.
Eine andere Haftmaßnahme ist der Ausreisegewahrsam. Bei ihm will Faeser die Höchstdauer auf 28 Tage verlängern. Bisher lag sie bei zehn Tagen. Das Besondere am Ausreisegewahrsam: Für ihn muss keiner der üblichen Haftgründe vorliegen wie bei der Sicherungshaft, also ausdrücklich keine Fluchtgefahr. Es reicht schon aus, wenn die Ausreisefrist für den Ausreisepflichtigen abgelaufen ist und "der Ausländer ein Verhalten gezeigt hat, das erwarten lässt, dass er die Abschiebung erschweren oder vereiteln wird".
Hierunter fällt zum Beispiel, dass der Ausreisepflichtige über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit getäuscht hat. Es genügt aber auch, dass die Ausreisepflicht 30 Tage überschritten wurde. Schon dann ist Haft möglich. Menschen im Ausreisegewahrsam werden im Transitbereich eines Flughafens oder in einer grenznahen Unterkunft festgehalten. Die Sicherungshaft ist hingegen auch in normalen Gefängnissen möglich - dann allerdings getrennt von Gefangenen, die eine Haftstrafe absitzen.
Was ist das Problem bei der Abschiebungshaft?
Das rechtliche Grundproblem der Abschiebungshaft ist: Es sitzen Menschen nicht in Haft, weil sie eine Straftat begangen haben, sondern nur weil sie Deutschland verlassen müssen. Grundsätzlich ist im Rechtsstaat ein Strafverfahren die Voraussetzung für Gefängnishaft. Dieses Problem war auch dem Gesetzgeber bewusst. Der Paragraf zur Abschiebungshaft weist deshalb darauf hin, dass die Haft das letzte Mittel sein soll.
Wörtlich steht dort: "Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist."
Welche Kritik gibt es an Faesers Plänen?
Die Praxis, auch Familien mit Kindern in Abschiebungshaft zu nehmen, sei heute nicht mehr das große Problem, erklärt Rechtsanwalt Peter Fahlbusch, der auf Abschiebungshaft-Fälle spezialisiert ist. Allerdings komme es jetzt vor, dass die Eltern in Haft genommen würden und ihre Kinder in Jugendhilfeeinrichtungen kämen, Familien also getrennt würden.
Der Rechtsanwalt kritisiert auch die neuen Pläne für bis zu 28 Tage Ausreisegewahrsam. Diese hält er für "verfassungswidrig". Vier Wochen Haft für Menschen, bei denen es keine Fluchtgefahr gebe und bei denen man wisse, wo sie seien, sei nicht verhältnismäßig, so Fahlbusch. Schon in der jetzigen Praxis komme es vor, dass Menschen zu Unrecht in Haft sitzen.
Fahlbusch hat seit 2001 mehr als 2.400 Menschen in Abschiebungshaftverfahren vertreten. Nach seiner persönlichen Statistik hätten die Gerichte entschieden: Circa 52 Prozent seiner Mandanten seien rechtswidrig inhaftiert gewesen. Offizielle Zahlen zu rechtswidrigen Inhaftierungen würden die Bundesländer nicht vorlegen. Allein bei den Fällen, über die der Bundesgerichtshof als oberste Instanz entscheiden musste, gebe es aber eine Rechtswidrigkeitsquote von 60 Prozent, so der Rechtsanwalt.
Können Clan-Mitglieder bald ohne Strafverfahren ausgewiesen werden?
Wirbel gab es um einen weiteren Punkt in dem Papier von Innenministerin Faeser. Demnach sollen Angehörige einer kriminellen Vereinigung ausgewiesen werden können, auch wenn sie sich selbst nicht strafbar gemacht haben. Die Kritik daran: Damit gebe es eine Art "Sippenhaft" für Mitglieder krimineller Clans. Könne etwa schon der Nachname ausreichen, um abgeschoben zu werden?
Wichtig dabei ist aber: Der Vorschlag bezieht sich auf die Ausweisung, nicht auf die Abschiebung. Bei der Ausweisung wird jemandem sein bestehendes Aufenthaltsrecht entzogen. Abschiebung bedeutet, konkret jemanden außer Landes zu bringen. Der Unterschied: Wenn jemand ausgewiesen wird, kann es noch Hindernisse für eine Abschiebung geben. Und die Ausweisung ist eine Einzelfallabwägung, zwischen dem Aufenthaltsrecht und den Sicherheitsinteressen Deutschlands.
Deshalb wird in der Regel nur ausgewiesen, wer hierzulande Straftaten begangen hat oder wer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Wenn ein Terrorverdacht besteht, kann jemand auch jetzt schon ohne vorherigen Strafprozess ausgewiesen werden.
Faesers Vorschlag würde eine Ausweisung ohne Strafurteil nun auch auf Angehörige der organisierten Kriminalität ausweiten. Eine Clan-Mitgliedschaft wäre demnach zwar kein Automatismus für eine Abschiebung. Aber es würden deutlich mehr Möglichkeiten geschaffen, jemanden auszuweisen, der keine Straftaten begangen hat.
Kann man trotz laufenden Asylverfahrens in Abschiebungshaft kommen?
Faesers Diskussionspapier sieht vor, dass jemand in Abschiebungshaft kommen kann, obwohl er zuvor einen Asylantrag gestellt hat. Darauf weist Rechtsanwalt Fahlbusch hin.
Normalerweise ist der Aufenthalt in Deutschland gestattet, wenn ein Asylantrag gestellt wurde. Die Gestattung gilt für die Dauer des Asylverfahrens. Mit dem laufenden Verfahren entfällt die Voraussetzung für eine Haft.
Nun soll das Asylverfahren generell nicht mehr vor der Haft schützen. Auch jemand, der einen Asylantrag gestellt hat, der geprüft werden muss, kann trotzdem in Haft kommen.
Rechtsanwalt Fahlbusch kritisiert das. Die Haft könne damit jeden treffen, der einen Erstantrag auf Asyl stellt. Beispielsweise auch Menschen aus Syrien, die über die Balkanroute und Österreich nach Deutschland kommen. Es sei rechtsstaatlich bedenklich, wenn diese Menschen das Asylverfahren aus der Haft heraus durchlaufen müssten.