Wegen Streit um Wagenknecht Linken-Fraktionschefin Mohamed Ali gibt Amt ab
Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Mohamed Ali, will bei der nächsten Vorstandswahl nicht mehr antreten. Hintergrund ist der Streit in der Partei um Wagenknecht. Für Co-Fraktionschef Bartsch ist der Schritt keine Überraschung.
Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali zieht sich wegen des Umgangs ihrer Partei mit Sahra Wagenknecht von ihrem Amt zurück. "Ich habe mich entschieden, bei der kommenden Vorstandswahl nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag zu kandidieren", heißt es in einer Erklärung Mohamed Alis, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.
"Den letzten Ausschlag für meine Entscheidung hat der einstimmige Beschluss des Parteivorstandes vom 10. Juni 2023 gegeben und der Umstand, dass sich die große Mehrheit der Landesvorstände diesen Beschluss zu eigen gemacht hat", heißt es in der Erklärung. "Darin wird gesagt, Sahra Wagenknecht habe in der Linken keine Zukunft mehr und solle zusammen mit anderen Abgeordneten ihr Mandat niederlegen. Dies zeigt in bis dahin noch nicht gekannter Deutlichkeit den Wunsch und das Ziel, einen Teil der Mitgliedschaft aus der Partei zu drängen."
Der Linken-Vorstand hatte in einem einstimmig beschlossenen Stellungnahme Wagenknecht zur Rückgabe ihres Bundestagsmandats aufgefordert und erklärt, die Zukunft der Partei ohne sie zu sehen. Parteichefin Janine Wissler begründete das Vorgehen damit, dass diese die Partei von innen infrage stelle. Der Vorstand "kämpft um die Einheit der Partei und gegen alle Versuche, sie zu spalten", sagte sie. "Aus unserer Sicht ist klar: Sahra hat sich entschieden."
Gründet Wagenknecht eigene Partei?
Wagenknecht hatte die Parteispitze immer wieder heftig kritisiert und mit einer möglichen Parteigründung gereizt - darüber will sie bis Jahresende entscheiden. Die Linken-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan ergriffen schließlich die Initiative und setzten den Beschluss gegen Wagenknecht durch.
Mohamed Ali schrieb in ihrer Erklärung auch, es falle ihr zunehmend schwer, den Kurs der Parteiführung in der Öffentlichkeit zu vertreten. Dieser widerspreche an vielen Stellen ihren politischen Überzeugungen. Sie kritisierte unter anderem, dass kein "grundsätzliches Nein zum falschen Kurs der Ampelregierung" formuliert werde, so etwa zur Klimapolitik, die die Menschen finanziell belaste. Auch fehle es "an einem klaren Ja zu konsequenter Friedenspolitik".
Deutliche Kritik an Parteikurs
Die Parteiführung wolle enttäuschte Grünen-Wähler gewinnen, meinte sie. Doch könne man so nicht die erreichen, für die linke Politik gemacht werden solle, auch nicht AfD-Wähler, die noch zurückgewinnbar seien.
Für die Bundestagsfraktion ist die interne Spaltung ein Risiko. Sie könnte ihren Status und damit finanzielle Mittel und Einfluss verlieren, falls mehr als zwei Abgeordnete in eine Wagenknecht-Partei wechseln und aus der Fraktion ausscheiden würden. Wie Mohamed Ali sich verhalten würde, ließ sie offen. Sie schrieb nur: "Ich werde mich im Bundestag weiterhin für die Ziele und Überzeugungen einsetzen, die meine politische Arbeit bisher getragen haben."
Bartsch ruft zu Geschlossenheit auf
Mohamed Alis Co-Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch rief die Abgeordneten seiner Partei nach der Rückzugsankündigung zur Geschlossenheit auf. "Der Schritt war für mich nicht überraschend. Wir werden die Aufgabe, die uns die Wähler zugewiesen haben, die soziale Opposition zu sein, in großer Entschlossenheit wahrnehmen, wie wir das als Bundestagsfraktion auch bisher getan haben", sagte Bartsch der "Rheinischen Post" und dem "General-Anzeiger".
Bartsch sagte, die Linke habe "zu lange zu viel innere Probleme nach außen gekehrt". Es gelte die alte Regel: Eine Partei, die sich streitet, werde nicht gewählt. "Das haben wir zu spüren bekommen", sagte der Fraktionsvorsitzende. "Wir haben die Verankerung im Osten, die uns ausgezeichnet hat, teilweise verloren. Aber: Wir waren schon zwei Mal totgesagt, 1990 und nochmals 2002. So wie damals müssen wir uns durch harte Arbeit wieder aus dem Tief arbeiten." Zur Frage, ob dies gemeinsam mit Wagenknecht geschehen solle, sagte Bartsch, das müsse diese "für sich entscheiden".
Ob er selbst bei der Vorstandswahl Anfang September wieder für sein Amt antritt, lässt Bartsch vorerst offen. Im Deutschlandfunk sagte er auf eine entsprechende Frage: "Diese Entscheidung wird demnächst auch Ihnen bekannt gegeben." Dazu stünden Gespräche an.
Er könne Mohamed Alis Entscheidung bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen, wenn auch nicht jeden Punkt der Kritik. "Wir werden gemeinsam agieren, und was meine Rolle dabei ist, das wird zeitnah entschieden werden", sagte Bartsch.