Scholz zu Bericht über Vertreibungsplan "Ein Fall für den Verfassungsschutz"
Das Potsdamer Geheimtreffen mit AfD-Beteiligung, bei dem Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen diskutiert worden sein sollen, sorgt parteiübergreifend für Empörung. Bundeskanzler Scholz sprach von einem "Fall für den Verfassungsschutz".
Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit deutlichen Worten auf das Bekanntwerden eines geheimen Treffens von hochrangigen AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern reagiert, bei dem Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland besprochen worden sein sollen. "Wer sich gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung richtet, ist ein Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz", schrieb Scholz auf der Plattform X. "Dass wir aus der Geschichte lernen, das ist kein bloßes Lippenbekenntnis", betonte er.
"Demokratinnen und Demokraten müssen zusammenstehen", schrieb Scholz weiter. "Wir lassen nicht zu, dass jemand das 'Wir' in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht." Der Kanzler fügte hinzu: "Wir schützen alle - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist."
Rechtsextremisten beim Treffen
Das Recherchenetzwerk "Correctiv" hatte über das Treffen im November 2023 in Potsdam berichtet, bei dem teils radikale Thesen zur Migrationspolitik diskutiert worden sein sollen. Zu den Teilnehmern zählten demnach mehrere Politiker der AfD wie Roland Hartwig, Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, sowie der Potsdamer AfD-Kreisvorsitzende Tim Krause. Auch zwei CDU-Mitglieder seien demnach zugegen gewesen, Mitglieder der Werteunion.
Martin Sellner, in den vergangenen Jahren Kopf der rechtsextremistischen Identitären Bewegung (IB) in Österreich, trug dort unter anderem Ideen dazu vor, wie erreicht werden könne, dass mehr Ausländer Deutschland verlassen und wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte zur Assimiliation gedrängt werden könnten.
Ebenfalls unter den Anwesenden war der Jurist Ulrich Vosgerau, der nach eigenen Angaben CDU-Mitglied ist. Er verteidigte seine bekannt gewordene Teilnahme an dem Treffen: "Ich hatte gehört, dass der Martin Sellner persönlich ein angenehmer Typ sein soll, der nicht fanatisch wirkt. Also habe ich gerne die Gelegenheit wahrgenommen, ihn persönlich kennenzulernen." Es müsse möglich sein, in einem privaten Kreis auch mit Menschen zu sprechen, die im Verfassungsschutzbericht auftauchten, so der Jurist.
Faeser warnt auch vor "geistigen Brandstiftern"
Die Recherche hatte für Aufregung, Empörung und Diskussionen gesorgt. Innenministerin Nancy Faeser warnte vor einer Vernetzung von Verfassungsfeinden mit der AfD. "Wir sehen auch jetzt wieder, dass es notwendig und richtig ist, dass der Verfassungsschutz sehr genau beobachtet, welche Kontakte es im rechtsextremistischen Spektrum gibt, wie sich Verfassungsfeinde mit AfD-Vertretern vernetzen und welche menschenverachtenden Ideologien dort propagiert werden", sagte sie dem Magazin "Stern".
Deutschland sei eine "wehrhafte Demokratie", die es nicht hinnehme, dass Rechtsextremisten ihre rassistischen Ausgrenzungspläne schmiedeten, so die Ministerin weiter. Gefährlich seien nicht nur gewaltorientierte Rechtsextremisten, sondern auch geistige Brandstifter, die den Boden für Gewalt bereiteten.
Dürr: Parallelen zum Nationalsozialismus
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sieht bei auf dem Treffen diskutierten Plänen Parallelen zum Nationalsozialismus. "Die Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte", schrieb er auf X. Die Recherche zeige, "dass die AfD die Demokratie und unsere freiheitliche Grundordnung zutiefst ablehnt".
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann riefen Bürgerinnen und Bürger zum Engagement gegen die AfD auf. "An alle gerichtet, die nicht wollen, dass sich Geschichte wiederholt, appelliere ich: Bekennen Sie Farbe, und überlassen Sie das Feld nicht den Menschenfeinden", sagte Kühnert den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Haßelmann mahnte auf X: "Unsere Demokratie, unsere Freiheit, unser Grundgesetz und die Errungenschaften unserer vielfältigen Gesellschaft müssen wir verteidigen gegen die Feinde der Demokratie. Das ist hoffentlich spätestens jetzt vielen Menschen klar."
Thierse wirbt für AfD-Verbotsverfahren
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse warb dafür, trotz aller Risiken ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen. Wenn der Verfassungsschutz die AfD als eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei definiere, "muss der Staat sie genauestens beobachten und ein mögliches Verbot prüfen", sagte der SPD-Politiker dem "Tagesspiegel." Zwar gab er zu bedenken: "Ein Parteiverbot hat hohe Hürden und jedes Verfahren dazu würde von der AfD propagandistisch ausgeschlachtet. Das Damoklesschwert eines Verbotes sollte aber über der AfD hängen bleiben."
Auch CDU und Linkspartei hatten sich bereits besorgt geäußert.