Analyse zu rechtlichen Voraussetzungen Menschenrechtsinstitut hält AfD-Verbot für möglich
Die AfD habe "in ihrer Gefährlichkeit" mittlerweile einen Grad erreicht, dass sie verboten werden könnte - zu diesem Schluss kommt das Deutsche Institut für Menschenrechte. Ein AfD-Sprecher erklärte dagegen, ein Verbotsverfahren wäre "chancenlos".
Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) sieht die Voraussetzungen für ein Verbot der AfD inzwischen als erfüllt an. In einer Analyse des Instituts heißt es, die Partei gehe "zur Durchsetzung ihrer rassistischen und rechtsextremen Ziele" aktiv und planvoll vor. Beispielsweise arbeite die AfD daran, "die Grenzen des Sagbaren und damit den Diskurs so zu verschieben, dass eine Gewöhnung an ihre rassistischen national-völkischen Positionen - auch im öffentlichen und politischen Raum - erfolgt".
Die AfD habe "in ihrer Gefährlichkeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung mittlerweile einen Grad erreicht, dass sie gemäß Artikel 21 Grundgesetz durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden könnte", heißt es weiter in der Analyse.
Insgesamt bemühe sich die AfD darum, die in Artikel 1 des Grundgesetzes verankerten Garantien zu beseitigen. Dort heißt es: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."
AfD: Verbotsverfahren wäre "chancenlos"
Die AfD wies die Argumente des Menschenrechtsinstituts zurück. Ein Parteisprecher sagte: "Wir haben keinen Zweifel daran, dass ein Verfahren gegen die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht chancenlos wäre." Grund für den Vorstoß des DIMR seien offensichtlich die seit Wochen steigenden Werte für die AfD in Wählerumfragen. Diese sahen die Partei zuletzt bei etwa 18 Prozent und damit gleichauf mit der SPD.
Die Analyse des Instituts trägt den Titel "Warum die AfD verboten werden könnte, Empfehlungen an Staat und Politik". Darin heißt es weiter: "Es ist von elementarer Bedeutung für die Verteidigung der unabdingbaren Grundlagen der Menschenrechte und damit der freiheitlich demokratischen Grundordnung, dass das Bewusstsein für die Gefahr, die von der AfD ausgeht, sowohl gesamtgesellschaftlich als auch auf staatlicher Seite zunimmt und staatliche und politische Akteure entsprechend handeln."
Institut: Zunehmender Einfluss von Höcke
Dieser Gefahr könne nur effektiv begegnet werden, "wenn sich die anderen Parteien auf der Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen unmissverständlich von der AfD abgrenzen". Ein Faktor, der die von der AfD ausgehende Gefahr aus Sicht des DIMR belegt, ist der in den vergangenen Jahren gewachsene Einfluss des Thüringer Landes- und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke auf den Kurs der Partei. Höcke sei auch ohne einen Posten auf Bundesebene eine führende Stimme in der AfD mit zahlreichen Anhängern, die ihm bundesweit folgten.
Das DIMR ist die unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands. Das Institut wird aus dem Haushalt des Bundestags finanziert. Es stellt - neben einem möglichen Parteiverbot - in seiner Analyse auch andere Konsequenzen zur Diskussion, etwa bei der Anwendung des Waffenrechts gegenüber AfD-Mitgliedern oder beim Disziplinarrecht bei Beamten, Soldaten oder Richterinnen, die die AfD unterstützen.
Der Autor der Analyse, Hendrik Cremer, betonte, Parteien, "die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden", seien verfassungswidrig.
Verfassungsschutz sieht AfD auf "Weg nach rechtsaußen"
Für ein Verbotsverfahren gegen die AfD hatte sich im vergangenen Dezember Thüringens Innenminister Georg Maier ausgesprochen. In dem Bundesland wird die Partei vom Verfassungsschutz wegen gesichert extremistischer Bestrebungen beobachtet.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die Gesamtpartei im März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Diese Einschätzung wurde rund ein Jahr später in erster Instanz durch das Verwaltungsgericht Köln bestätigt. Die AfD setzt sich dagegen juristisch zur Wehr. Das Verfahren beim Oberverwaltungsgericht in Münster läuft noch.
Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang sieht die Partei kontinuierlich auf dem Weg "nach rechtsaußen". Bereits die Einstufung als Verdachtsfall ermöglicht seiner Behörde den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. Dazu zählen unter anderem die Observation und das Einholen von Auskünften über Informanten aus der jeweiligen Szene.
Bislang erst zwei Parteien verboten
In der Geschichte der Bundesrepublik wurden bisher zwei Parteien verboten: die nationalsozialistisch orientierte Sozialistische Reichspartei (SRP) im Jahr 1952 und die Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) 1956. Das erste von zwei erfolglosen Verbotsverfahren gegen die rechtsextremistische NPD war 2003 wegen der zahlreichen V-Leute, die der Verfassungsschutz auch in der Führungsriege der Partei hatte, eingestellt worden. Ein zweiter Antrag war 2017 vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt worden, weil die Bedeutung der Partei als zu gering angesehen wurde.