Kommando am Niederrhein Warum die Bundeswehr im Weltraum aktiv ist
Ohne Satelliten geht so gut wie nichts: Internet, Flugverkehr, digitale Finanzmärkte. Das Bundeswehr-Weltraumkommando soll vor Gefahren im Weltall schützen - auch vor militärischen Angriffen.
Hoch über den Ozeanen der Erde bewegt sich ein schimmernder Satellit durch die Weiten des Weltraums. Unvermittelt rast ein dunkles Objekt auf den Satelliten zu, trifft ihn, die Technik zerspringt in unzählige Einzelteile.
Die Szene stammt aus einem animierten Video der Europäischen Weltraumagentur ESA. Sie soll zeigen: Auch Satelliten können in bewaffneten Konflikten potenzielle Ziele für Angreifer sein.
Satelliten als kritische Infrastruktur
Rund 8.400 intakte Satelliten kreisen um die Erde. Sie sind eng in die kritische Infrastruktur der Erde eingebunden.
"Jeder von uns kommt mehrmals täglich in Berührung mit dem Weltraum", sagt Antje Nötzold, Wissenschaftlerin an der Technischen Universität Chemnitz. Sie forscht zum strategischen Wettbewerb im Weltraum. Eine längerfristige Störung oder gar Ausfälle von Satelliten könnte katastrophale Folgen für Geldüberweisungen, Nah- und Flugverkehr, Wettervorhersagen oder Navigations- und Mobilfunksysteme haben.
Weltraumkommando am Niederrhein
In einem schnörkellosen Klinkerbau in der Gemeinde Uedem in Nordrhein-Westfalen bereitet sich die Bundeswehr deshalb auf mögliche Angriffe im Weltraum vor. Dort wird seit 2021 das Weltraumkommando als Teil der Luftwaffe aufgebaut.
130 Männer und Frauen beobachten auf metergroßen Monitoren die Entwicklungen im Weltraum. Dazu gehören die acht Satelliten der Bundeswehr, aber auch das Weltraumwetter, Weltraumschrott und potenzielle militärische Bedrohungen.
Generalmajor Michael Traut leitet das Weltraumkommando. Dieses verteidige "unsere Weltraumfähigkeiten gegen absichtliche herbeigebrachte Bedrohungen", so der 59-Jährige.
Militärische Auseinandersetzung verhindern
Die konkreten Verteidigungsmittel des deutschen Weltraumkommandos sind allerdings begrenzt. Bei Bundeswehr-Satelliten berechnen die Männer und Frauen "mögliche Ausweichmanöver", so Traut. Als wichtigsten Schutz nennt Traut aber die Vernetzung mit Verbündeten: "Es kommt wesentlich darauf an zu zeigen, dass wir innerhalb Europas und dann auch mit den Vereinigten Staaten als Allianz und Gemeinschaft zusammenstehen."
Eine militärische Auseinandersetzung im Weltraum müsse unbedingt strategisch verhindert werden, so Traut. Denn durch massenhafte Trümmerteile könne der Weltraum über Jahrzehnte kaum noch nutzbar sein. "Die schlimmste Vorstellung ist, dass wir ins Vor-Digitale Zeitalter zurückfallen", so Traut.
Wettrüsten im Weltraum
Tatsächlich ist das Wettrüsten im All bereits in vollem Gange. In den vergangenen Jahren haben vor allem führende Weltraumnationen wie die USA, Russland und China Tests mit sogenannten "Anti-Satellitenwaffen" durchgeführt und Satelliten in niedrigeren Umlaufbahnen gezielt außer Gefecht gesetzt - beispielsweise mit Raketen, anderen Satelliten, Cyberangriffen oder Funkstörungen.
In den USA wurde 2019 die US Space Force gegründet, eine eigenständige Abteilung der Streitkräfte für den Kampf im Weltraum. Inzwischen verfügt das "Space Command" nach US-Angaben über 18.000 Mitarbeitende. Laut dem stellvertretenden Vorsitzenden des US-Generalstabs, Admiral Christopher Grady, habe sich der Weltraum als "unser wichtigster Kriegsführungsbereich" herausgestellt.
Deutsche Strategie in Arbeit
Im Gegensatz zu den USA gibt es in Deutschland noch keine nationale Sicherheitsstrategie für den Weltraum. Das bestätigt auch eine WDR-Anfrage an das Verteidigungsministerium. Man arbeite derzeit gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt daran. Bis Ende Juni 2024 soll diese veröffentlicht werden.
Wissenschaftlerin Antje Nötzold kommt zu einer kritischen Analyse der deutschen Kapazitäten. "Wir haben keine aktiven Verteidigungsfähigkeiten im Weltraum", bilanziert sie.
Denn Schutz im Weltraum entstehe zum einen durch die Abschreckung, potenzielle Angriffe vergelten zu können, so Nötzold. Und zum anderen durch "Redundanzen" - also durch die Fähigkeit, ausgefallene Systeme schnell durch andere, ähnliche Satelliten zu ersetzen. Deutschland, ebenso wie andere Länder auch, sei dabei nicht gut aufgestellt.
Europa fehlen Kapazitäten
Hinzu käme der Mangel an Startkapazitäten in Europa, um neue Satelliten ins All zu schießen. "Seit fast zwei Jahren stehen wir ohne eigene europäische Launching-Fähigkeit dar", so Nötzold. Europa, erklärt sie, hat lange russische Spaceboards mitbenutzt. "Diese Kooperation ist nun komplett eingestellt worden." Die eigenen europäischen Ariane-Trägerraketen seien entweder veraltet oder hinter dem Zeitplan in der Fertigstellung.
Auch wenn Nötzold einen direkten Zerstörungsangriff auf Satelliten derzeit für "nicht sehr realistisch" hält, fordert sie dennoch bessere Aufklärungs- und Laserschutztechnologien an europäischen Satelliten. Auch Deutschland müsse mehr tun: "In Deutschland messen wir der Sicherheit des Weltraums zu wenig Bedeutung bei." Dies äußere sich zum Beispiel darin, dass das Budget für die nationalen Weltraum-Programme zuletzt nicht gesteigert worden ist.