Süddeutsche Zeitung Wirbel um Plagiatsvorwürfe und Durchsuchungen
Die Süddeutsche Zeitung steht in den Schlagzeilen: Es geht um Plagiatsvorwürfe und das Durchsuchen von Telefon- und Maildaten der Mitarbeiter. Die Vize-Chefredakteurin zog sich zurück, die Kritik ist enorm.
Schlagzeilen über die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) erinnern zurzeit an einen Agentenkrimi. "Süddeutsche Zeitung bespitzelt eigene Redaktion" hatte der Spiegel zunächst getitelt. Die "Welt" vermutet eine "Maulwurfsjagd" in der SZ-Redaktion, das Redaktionsnetzwerk Deutschland schreibt über Spionage. Überprüft die Süddeutsche mit Geheimdienst-ähnlichen Methoden die eigene Belegschaft? Welche Vorwürfe werden der Tageszeitung gemacht?
Im Dezember 2023 berichtete zunächst das Branchenportal "Medieninsider" über SZ-Vizechefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid und ihren fragwürdigen Umgang mit Quellen. In drei ihrer Artikel fanden sich Textpassagen, die sie zum Teil wortgleich von anderen Portalen übernommen hatte. Dass ihre Sätze zum Teil von der "Welt", den Websites der Bundeszentrale für politische Bildung und des Jüdischen Museums Berlin stammten, hatte sie nicht transparent gemacht.
Föderl-Schmid zieht sich nach Plagiatsvorwürfen aus SZ-Tagesgeschäft zurück.
Inhalte aus Redaktionskonferenzen durchgesickert
Die große mediale Empörung über Föderl-Schmid blieb zunächst aus. Vielleicht hätte diese unrühmliche Geschichte hier enden können. Aber sie nahm jetzt erst richtig Fahrt auf. Kurz nach der Veröffentlichung von "Medieninsider" äußerte sich die SZ-Chefredaktion in einer internen Redaktionskonferenz zu den Vorwürfen. Mehrmals soll dabei von "Verleumdung" gesprochen worden sein. Details aus dieser Runde wurden öffentlich gemacht - erneut von "Medieninsider".
Für Chefredaktion und Betriebsrat der "Süddeutschen Zeitung" wurde damit offenbar eine Grenze überschritten. Sie entschieden sich für einen drastischen Schritt und ließen Kommunikationsdaten von SZ-Mitarbeitern überprüfen, um den mutmaßlichen Informanten von "Medieninsider" zu identifizieren.
Kritik für Fahnden nach mutmaßlichen Informanten
Gefunden wurde nichts. Erst vergangene Woche erfuhren die Angestellten in einer Redaktionsvollversammlung von dem Vorgang. Auch diese Konferenz fand via "Medieninsider" ihren Weg in die Öffentlichkeit. Für das Fahnden nach dem mutmaßlichen Informanten erntet die SZ nun scharfe Kritik aus der Branche.
Zum einen wird dem Blatt Doppelmoral vorgeworfen - schließlich nutzt die SZ bei eigenen Recherchen selbst Informanten -, zum anderen ist der Vorgang kaum mit journalistischen Grundprinzipien wie dem Quellenschutz oder dem Redaktionsgeheimnis vereinbar. Die SZ hatte sich in eigenen Veröffentlichungen, etwa den Enthüllungen der Panama Papers, immer wieder für den Schutz von Whistleblowern stark gemacht.
Die Chefredaktion argumentierte in einem offiziellen Statement, dass Konferenzen "ein nichtöffentlicher, geschützter Rahmen" seien und das dort Besprochene dem Redaktionsgeheimnis unterliege.
Das trifft zu. Dennoch ist es kein Novum, dass Informationen aus vertraulichen Konferenzen nach außen durchgestochen werden. Ähnliches passierte zum Beispiel nach NDR-internen Konferenzen, in denen es um Vorwürfe gegen das NDR-Landesfunkhaus Schleswig-Holstein ging.
Vertrauensbruch versus Vertrauensbruch
Fraglich bleibt, welche Maßnahme nach außen mehr Vertrauen zerstört: das Weitergeben von internen Informationen oder das Überprüfen von Kommunikationsdaten eigener Mitarbeiter? Der Redaktionsausschuss der SZ - ein Vertrauensgremium, das die Sorgen und Wünsche der Angestellten direkt in die Chefredaktion tragen kann - war in den Überprüfungsvorgang nicht mit eingebunden. Er unterstützt die Maßnahmen dennoch.
"Viele Redakteure und Redakteurinnen sehen (…) das Redaktionsgeheimnis und die Unternehmenskultur durch die wiederholte mutmaßliche Aufzeichnung und Weitergabe ganzer interner Konferenzen bedroht. Dass der Arbeitgeber Schritte einleitet, um dies zu unterbinden, halten wir für angemessen", schreibt der Ausschuss in einem offiziellen Statement. Wichtig sei aber, dass die Maßnahmen nicht selbst zur Gefahr für das Redaktionsgeheimnis werden.
Stellvertretende Chefredakteurin zieht sich vorerst zurück
Diese Bedenken hatte der Betriebsrat nachträglich ausgeräumt. Die Maßnahmen seien so abgelaufen: Mithilfe der IT sei geprüft worden, ob Audio- oder Videodateien an die Domain von "Medieninsider" geschickt wurden. "Niemand muss befürchten, dass seine E-Mails oder andere elektronische Kommunikation bis hin zu Telefongesprächen von irgendjemandem im Süddeutschen Verlag überwacht werden", kommuniziert der Betriebsrat und verweist auf eine 20 Jahre alte Betriebsvereinbarung, die das "Vorgehen bei Rechtsbrüchen oder missbräuchlicher Verwendung der Arbeitsgeräte" regele.
Dass dieses Vorgehen wohl nicht in der gesamten SZ-Belegschaft auf Zustimmung trifft, liegt auf der Hand. Sonst wären die Interna wohl nicht an Medien durchgestochen worden.
Und schließlich gab die SZ bekannt, dass sich Alexandra Föderl-Schmid vorerst aus dem operativen Tagesgeschäft zurückziehe. Man habe eine externe Kommission beauftragt, die Vorwürfe gegen die Vize-Chefredakteurin zu prüfen. Inzwischen kamen Vorwürfe hinzu, dass auch ihre Dissertation unter Plagiatsverdacht steht.
SZ nicht zum ersten Mal in der Kritik
Die "Süddeutsche Zeitung" geriet zuletzt häufiger in die Kritik - auch wegen des Umgangs damit. Im Herbst 2023 berichtete das NDR-Medienmagazin Zapp über die ungewöhnliche Nähe zwischen Seite-Drei-Ressortleiterin Karin Steinberger und dem verurteilten Doppelmörder Jens Söring.
Steinberger soll dem Unterstützerkreis um Söring bei dessen Medienstrategie geholfen haben, die mit zur späteren Freilassung Sörings führte. Die Chefredaktion wollte sich dazu zunächst nicht äußern, räumte später aber Fehler in der Berichterstattung ein.